BLOG vom: 14.01.2020
 Lavendel ist die Arzneipflanze des Jahres 2020
 Autor: Heinz Scholz,  Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 

  
Lavendel ist die Arzneipflanze des Jahres 2020 (Foto Heinz Scholz)
 
Der Echte Lavendel (Lavandula  angustifolia) wurde vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der  Arzneipflanzenkunde der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2020  gekürt. Die Wahl wurde aufgrund seiner vielfältigen Nutzung in der Geschichte  und neuen Forschungsergebnissen so entschieden. Die Wirksamkeit wurde in  Studien eindeutig belegt. Betrachten wir einmal die frühere und heutige  Verwendung näher.
Wer einmal den  wohlriechenden Duft der schönen Lavendelblüten bei geschlossenen Augen  eingesogen hat, der wird sich entspannen und beruhigen. Er wird sich aber auch  an einen Urlaub in südlichen Gefilden, besonders in der Provence, einem der  bedeutendsten Anbaugebiete von Lavendel, oder an die duftende, frische Wäsche  oder ein Parfüm unserer Grossmütter und Mütter erinnern. 
Unsere Grossmütter und Mütter waren von der Wirkung  der zwischen der Wäsche versteckten Lavendelsäckchen gegen Motten überzeugt.  Konnten Kinder und Erwachsene nicht gut einschlafen, dann wurde das Säckchen  mit der Wohlfühlpflanze neben dem Kopfkissen platziert oder Lavendelöl auf das  Schlafkissen geträufelt.
Vielseitige Verwendung
   Lavendel wird heute vielseitig verwendet, so als  Zusatz von Parfümen und Kosmetika (Badezusätze, Ölbäder, Salben, Cremes,  Seifen, After shave Balsam), zum Parfümieren von Hygiene- und Papierprodukten  und in der Aromatherapie. Es gibt sogar Pralinen, Schokolade und Biscuits mit Lavendelgeschmack,  aber auch Lavendelhonig, Marmelade mit Lavendelblüten und Liköre mit Auszügen  der Pflanze. Beliebt sind auch provencialische Kräutermischungen und  Lavendelzutaten für diverse Gerichte, wie Eintöpfe, Fisch, Geflügel, Suppen,  Lammfleisch, Kartoffel- und Tomatensuppe.
Duftpflanze zur  Pestabwehr
   Schon die Ägypter und Römer gebrauchten Lavendel  als Badezusatz. In solchen Wässern badeten bevorzugt Frauen, die danach  betörend dufteten. Vielleicht wurde dadurch der lateinische Name des Lavendels von  „waschen“ = „lavare“ abgeleitet. 
   Essenzen von Lavendel und anderen Duftpflanzen  hatten eine Bedeutung bei Pestepidemien. Im 17. Jahrhundert trugen Ärzte bei  Krankenbesuchen einen Umhang mit Kapuze, an der ein langer Schnabel angenäht  war. Im „Schnabel“ waren Riechstoffe und duftende Kräuter untergebracht. Der  Kranke wurde mit den im Griff des Spazierstockes enthaltenen Riechstoffen  besprengt. Damit sollte die Übertragung der Krankheit vermieden werden.
 

  
Lavendel (Foto Heinz Scholz)
 
Vielfache  Heilwirkungen
   Viele Heilpflanzenkundige und Naturheiler der  vergangenen Zeit schwörten auf die Heilwirkung der Duftpflanze. 
   Hildegard von Bingen (1098-1179) empfahl den Lavendel gegen Läuse, ausserdem behauptete sie, die  Pflanze „mache die Augen klar“ und helfe gegen unkeusche Gelüste.
   Paracelsus verordnete zum Beispiel die Pflanze bei seelischer Erschöpfung und  nachlassender Lebenskraft. 
   Sebastian Kneipp empfahl das Lavendelöl zur Verdauungsförderung und Appetitsteigerung. Er war  auch von einer ganz anderen Wirkung überzeugt. In seinem Werk „Meine Wasserkur“  schrieb er: „Bei Gemütsleidenden habe ich dasselbe oft mit bestem Erfolge  verwendet.“
In der Tat wirkt der Lavendel auf den Körper und  auf die Seele. Er stärkt nicht nur die Nerven, sondern entfaltet eine  beruhigende und Spannung abbauende Wirkung.
   Die Aromastoffe wirken über den Geruchssinn (von  Riechzellen werden Duftreize auf das limbische System im Gehirn weitergeleitet)  auf den Organismus regulierend, harmonisierend und entspannend ein. Die  Aufnahme der Wirkstoffe erfolgt auch über die Haut (Bäder, Massagen,  Kompressen) und diese gelangen ins Blut und zu den Organen. Dort entfalten sie  ihre Wirkung.
150  Inhaltsstoffe im Öl
   Das Öl, das durch Wasserdampfdestillation gewonnen  wird, weist etwa 150 verschiedene Inhaltsstoffe auch. Die wichtigsten sind  Linalylacetat und Linalool (beide machen 65 % des Öls aus), Lavandulylacetat,  Caryophyllin, Terpinen-4-ol.
   Die Blüten enthalten 0,5 bis 3 % Öl.
   Die Inhaltsstoffe wirken u. a. antibakteriell,  antiviral, antimykotisch, wundheilend, krampflösend, blähungstreibend,  blutdruckregulierend, immunstimulierend.
   Nach einigen Studien soll Lavendel auch bei  Regelschmerzen helfen und den Migräneschmerz vertreiben.
Wirksamkeit durch Studien belegt
   Laut Prof. Dr. Bernhard Uehleke aus Berlin  zeigte der Lavendel eine Verbesserung von Schlafstörungen im Zusammenhang mit  psychischer Belastung nach sechswöchiger Behandlung. Die Wirkung konnte in  placebokontrollierten klinischen Studien ermittelt werden. Die Übersichtsarbeiten  wurden in „The World Journal of Biological Psychiatry“ und „Phytomedicine“ publiziert. Es wurde auch der Mechanismus für eine bruhigende, angstlösende  Wirkung über Calciumkanäle identifiziert. Das Lavendelöl sorgt für einen  geregelten Einstrom von Calcium in die Nervenzelle. Es werden weniger erregende  Botenstoffe ausgeschüttet. Die Nervenzellen sind im Gleichgewicht und können  wieder Informationen normal verarbeiten.
    
   Wie die „Pharmazeutische Zeitung“ berichtet, liegen  die Anwendungsgebiete im psychischen Bereich. So kann Lavendel beruhigend  wirken, Stress mindern, Angst lösen und entspannen. „Ätherisches Lavendelöl  kommt bei Stress, Ängsten, Schlaflosigkeit, Neurasthenie, posttraumatischen  Störungen und Panikattacken zum Einsatz“, wie unter www.pharmazeutische-zeitung.de nachzulesen ist. 
   In Apotheken sind Kapseln mit ätherischem  Lavendelöl erhältlich.
Hinweis: In einem  weiteren Blog wird die Giftpflanze des Jahres 2020, die Tollkirsche, demnächst  vorgestellt.
Internet
   www.klostermedizin.de 
   www.deutsche-apotheken-zeitung.de 
   www.deutsches-apotheken-museum.de 
   www.br.de (Mediathek, Video)
   www.schwabe.de (Infos über Lavendel-Arzneimittel)