Textatelier
BLOG vom: 11.02.2021

Christrose ist eine Schönheit und eine Giftpflanze

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim

 


Christrose im Schnee (Foto Elisabeth Faber)
 

Man kann es kaum glauben. Trotz Schnee und Frost kamen im Januar 2021 die ersten Frühblüher zaghaft aus ihren Schneebetten heraus. Bei einem Gang durch Schopfheim vor einigen Tagen sah ich schon die ersten Blüten der Christrose, der Hamamelis und des Winter-Schneeballs (die Identifizierung des Schneeballs erfolgte von Birgit Gabele von der Firma Syringa). Auch Elisabeth Faber erblickte beim Gang durch die Freiburger Wölflinstrasse in einem Garten Winterlinge und einen Märzenbecher.

Da die Hamamelis (Virginische Zaubernuss) schon in einem Blog beschrieben wurde, steht jetzt die Christrose im Blickpunkt.

Die Christrose, auch Schneerose oder Schwarze Nieswurz (Helleborus niger) bezeichnet, gehört zu den Hahnenfussgewächsen. Die immergrüne Pflanze blüht vom Winter bis zum Frühling. Der Winterblüher hat auffallend grosse weisse Blüten.

Die Schneerose wächst von Tallagen bis 1900 m in den Alpen, im Gebirgszug in Italien und San Marino (Apeninn) und in Kroatien. Zur Blütezeit sind die 5 Blütenblätter weiss oder rosa, später rot oder grünlich.

Die natürlichen Bestände sind nach der Bundesartenschutzverordnung besonders geschützt und nach er Roten Liste Deutschland als gefährdet eingestuft. In Österreich ist sie in einigen Gebieten gefährdet und teilweise geschützt. Sie wurde in den natürlichen Beständen durch Ausgraben und Sammeln der Pflanze reduziert (Quelle: Dieter Hess: Alpenblumen – Erkennen – Verstehen- Schützen, Verlag Eugen Ulmer, 2001).

Es gibt auch eine Orientalische Nieswurz (Helleborus orientalis), die auch Lenzrose oder Frühlings-Christrose bezeichnet wird. Die Blüten bei dieser Art sind weiss, grünlich, rosa bis hellviolett. Diese Nieswurz ist in der Türkei und dem Kaukasus beheimatet. In Baden-Württemberg wurden schon die ersten Neophyten beobachtet. Bunte Sorten entstanden durch Einkreuzung der Orientalischen Nieswurz. Manche Arten haben gesprenkelte und gepunktete Blütenblätter (s. Abbildung).

 


Christrose Foto Heinz Scholz)
 

Wegen der frühen Blütezeit ist eine Bestäubung mit Insekten nicht immer möglich. Die Narben bleiben jedoch länger befruchtbar. Die Bestäubung erfolgt durch Bienen, Hummeln, Falter und pollenfressende Insekten. Bleiben die Insekten aus, dann hilft sich die Christrose durch Selbstbestäubung (Autogamie) mit dem eigenen Pollen.

Die Christrosen brauchen Halbschatten humosen, durchlässigen, alkalischen Boden und bis Juni ausreichend Flüssigkeit.

Als Niespulver in Gebrauch
Die Christrose war schon im 16. Jahrhundert in Mitteleuropa eine beliebte Gartenpflanze.
Der Name Schwarze Nieswurz verweist auf das schwarze Rhizom (Spross), den schwarzen Wurzeln und auf die Verwendung als Niespulver. Auf Grund der Giftigkeit wird die Nieswurz als Niespulver nicht mehr verwendet. Das heutige Niespulver besteht aus gemahlenem Pfeffer.

Ganghofers „Klosterjäger“
Der Name Christrose wurde geboren, als man die Pflanze so kultivierte, dass sich die Blüten an Weihnachten entfalteten. Sie wird auch Weihnachtsrose genannt. Es gibt Gedichte von Johannes Trojans („Die Christrose hebt ihr weisses Haupt“), Hermann Linggs („Die weisse Weihnachtsrose“) und Kurt Hertha („Es blüht eine Rose zur Weihnachtszeit“). Im Heimatroman „Der Klosterjäger“ erwähnt Ludwig Ganghofer (1855-1920) die ersten Schneerosen als Symbol ewigen Lebens und Heilmittel. Er weist auch auf die Giftigkeit hin: „Denn die Wurzeln dieser Pflanze bergen einen geheimnisvollen Saft, der kranke Herzen gesunden lässt und bleiche Wangen wieder färbt. Für jeden aber, der diese Arznei zu gierig geniesst, wird sie zum tödlich wirkenden Gift. `Zwei Tröpflein machen rot, zehn Tropfen tot`, sagt der Volksmund…“

 


Christrose (Foto Heinz Scholz)
 

Christrose als chemische Waffe
Die Christrose wurde 600 v. Chr. als „chemische Waffe“ eingesetzt (laut Frohne/Pfänder wird nur von Helleboros berichtet, es könnten auch andere Arten gemeint sein). Hier der Text:

„In dem gegen Kirrha ausgebrochenen Krieg liess Solon das Flüsschen Pleisthenes, das in einem Kanal durch die Stadt ging, davon ableiten. Die Belagerten halfen sich mit Brunnen- und Regenwasser. Nun liess er viel Wurzeln von Helleboros, der reichlich und in bester Beschaffenheit in Antikyra in Phokis wuchs, in den Pleisthenes werfen, und als er glaubte, das Wasser habe genug Gift daraus extrahiert, liess er es wieder in den Stadtkanal laufen. Nachdem die Kirrhaier, erfreut über den Wasserzufluss, reichlich davon getrunken hatten, bekamen sie so heftige, unaufhörliche Durchfälle, dass sie die Bewachung der Mauern unterlassen mussten. So unterlagen sie.“

(Quelle:  Lewis L.: „Die Gifte in der Weltgeschichte“, 1920)

Die Pflanze ist durch bestimmte Inhaltsstoffe stark giftig. Inhaltstoffe sind Saponine, Protoanemonin und die starken Herzgifte Helleborin und Hellebrin. Alle Pflanzenteile sind giftig. Die stärkste Helleborin-Konzentration findet sich im Wurzelstock. Vergiftungserscheinungen sind Schwindel, Durchfall und Kollaps (sie ähneln denen einer Herzglykosid-Vergiftung).

Früher ein Abführmittel
Früher wurde die Christrose als Krampfmittel, Diuretikum, als Abführmittel und als menstruationsförderndes Mittel eingesetzt. In Kräuterbüchern des Mittelalters wird die Pflanze auch bei Kollaps, Schwindel, Gicht und als Mittel zur Lebensverlängerung gepriesen.

Wie mir Apotheker Frank Hiepe von Zell im Wiesental mitteilte, wurde die Christrose früher auch als Herzmittel, heute nur noch in der Homöopathie als Arznei gegen Durchfall verwendet.

https://www.textatelier.com/index.php?id=996&blognr=6244 (Die Zaubernuss ist ein faszinierender Winterstrauch, Blog vom 03.03.2018)
Internet
https://de.wikipedia.org/wiki/Schneerose
https://de.wikipedia.org/wiki/Niespulver
https://de.wikipedia.org/wiki/Orientalische_Nieswurz
www.syringa-pflanzen.de

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