Textatelier
BLOG vom: 17.06.2016

Exkursion: Blattspinat, Kampferkraut im Kräutergarten

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D

 


Granit-Säule als Wegmarke
 

Die Granit-Säule als Wegmarke steht am Parkplatz schräg gegenüber der Einmündung der Strasse von Menzenschwand in die Strasse Bernau nach St. Blasien. Von Bernau kommend ist es kurz vor der Einmündung der Strasse auf der rechten Seite.“ Diese genaue Beschreibung gab mir Prof. Volkmar Wirth, einer der profiliertesten Flechtenforscher, mit auf den Weg. In seinem Buch „Indikator Flechte“ war diese Säule mit Flechten abgebildet. Und diese wollte ich unbedingt fotografieren.

Am 09.06.2016 nutzten wir – Claus von Wehr und Karl Heinz von Schopfheim und ich  – einen regenfreien Nachmittag und fuhren durch das wildromantische Wehratal und über Todtmoos und St. Blasien zu der angegebenen Stelle. Die Granit-Säule  als Wegmarke mit der Aufschrift  „Waldweg 1868“ fanden wir gleich, ich zückte meine Digitalkamera und fotografierte. Zum Glück kam bisher niemand auf die Idee, die Säule zu säubern, und so konnten sich die Flechten ungestört entwickeln. In der Umgebung des nicht weit entfernten Schluchsees wurden ähnliche Säulen schon gereinigt. Prof. Volkmar Wirth dazu: „Eine bizarre Verschleuderung von Steuergeldern.“

Seltene Pflanzen im Kräutergarten
„Dieser Garten wächst mit Liebe“, dieser Spruch war auf einem kunstvollen Schild im Gemüse- und Kräutergarten von Marlene Müller in Ibach-Unteribach zu lesen. Der Ort liegt auf einem Hochplateu unweit von St. Blasien. Ibach, das sich inmitten von ausgedehnten Wiesen- und Weidenflächen ausbreitet, gilt als eine kleine Perle des Hotzenwaldes. Wir alle sind immer wieder begeistert, wenn wir hier wandern.

Bevor ich ins Detail gehe, ein kleiner Rückblick in meinen damaligen Worten (s. Blog vom 16.08.2008: „Staunen im Kräutergaren: Der Salbei tröstet, die Rose erfreut“):

„Im Rahmen einer Veranstaltung des Kneipp-Bunds St. Blasien konnte ich am 02.08.2008 den Kräutergarten von Marlene Müller mit einer kleinen Gruppe bewundern. In ihrem Gemüse- und Kräutergarten sind Pflanzen aus aller Welt zu sehen. Somit konnten die interessierten Besucher einmal hautnah erleben, wie die Pflanzen aussehen, wie sie riechen und wie sie schmecken.“

Frau Müller erklärte sich auch diesmal bereit, uns durch ihren grossen Kräutergarten zu führen. Bei diesem Rundgang entdeckte ich an einer Leiter und auf dem Dach eines Vogelhäuschens Flechten und im Garten und am Rande der Umzäunung einige besondere Pflanzen, wie man sie nicht alle Tage sieht.

 


Steingarten in Unteribach
 

Besonders schön fanden wir das Pflanzenarrangement auf einem kleinen steinigen Hügel. Auf den Felspartien waren einige gelbgrüne Flechten auszumachen. Zwischen den Steinen waren Hauswurze, weitere Steingartenpflanzen und 2 prächtige Enziangewächse, die noch nicht erblüht waren, zu sehen.

Marlene Müller zeigte uns auch einige Weinreben, Tomaten- und Gurkenpflanzen, die sich nicht im Freien befanden, sondern in einem Gewächshaus oder unter einer Überdachung. Wie sie betonte, gedeihen diese Pflanzen im Freien in 900 m Höhe nicht so gut.
In einer kleinen Ecke des Kräutergartens lässt sie alles so wachsen, wie die Natur es vorgibt. Wir sahen in diesem Bezirk nicht nur Sträucher, sondern auch etliche Beikräuter (Unkräuter), die auch ihre Daseinsberechtigung haben. Marlene Müller und auch Walter Hess sagten, es gäbe keine Unkräuter, sondern Beikräuter.

Meister- und Rosenwurz
Ich war ganz aus dem Häuschen als ich die Heilpflanzen Meisterwurz und Rosenwurz im Garten von Frau Müller  sah. Diese kommen in der Regel in den Bergen vor. So konnte ich für einen Artikel Fotos dieser Pflanzen von Bruno Vonarburg leihweise bekommen. Nun bemühte ich mich, Fotos von diesen Pflanzen selbst abzulichten.
In den folgenden Kapiteln werde ich das Wichtigste über diese Pflanzen berichten.

Meisterwurz: Diese wird als die Königin der Bergkräuter bezeichnet.  Sie riecht nach Sellerie und wird als die „Wurz aller Wurzeln“ bezeichnet.
Paracelsus trug die Wurzel als Amulett immer bei sich. Er verordnete die Wurzel bei Neigung zu Schlaganfall, epileptischen Krämpfen und gegen die Pest.
Ein Tee oder eine Tinktur aus der Wurzel wird heute verordnet bei chronischem Magenkatarrh, bei Magenverstimmung, Bronchialkatarrh, Heuschnupfen, Verdauungsstörungen, gegen Infekte und zur Stärkung der Abwehrkräfte. Eine Meisterwurzelkompresse ist hilfreich bei Drüsenschwellungen, Geschwüren, eiternden Wunden, Furunkeln.

Rosenwurz: Die Rosenwurz (Rhodiola rosea) gedeiht in den Gebirgsregionen der europäischen Alpen und auf Bergregionen von Asien, Nordamerika, Sibirien und Skandinavien. In der alpinen Schweiz und in Südtirol wird die Rosenwurz inzwischen auch angebaut.
Ein Wurzelextrakt der Rosenwurz wird bei Müdigkeit, tiefer Erschöpfung bis zum Burnout-Syndrom, bei leichten Depressionen und als unterstützendes Mittel zur Stärkung und Erhöhung der Widerstandskraft verwendet. Der Extrakt hilft dem Körper in belasteten Situationen mit Stress besser umgehen zu können, er beruhigt bei Stress, ohne müde zu machen. Er erhöht die natürliche Widerstandskraft, schützt die Zellen vor Zellschäden (wirkt antioxidativ), beugt chronischen Krankheiten und vorzeitiger Alterung vor. Die Rosenwurz erhöht auch die Belastbarkeit bei Prüfungsstress.

Japanische Engelwurz und Baumspinat
Ashitaba: Es ist die Japanische Engelwurz (sprich: Ashita-Ba). Sie ist eine beliebte Küchen- und Arzneipflanze in Japan. Sie gilt als Fitmacher, Verjüngungsmittel und als Leberelixier. Die ganze Pflanze enthält gesundheitsfördernde Stoffe (u. a. Antioxidantien), verwendet wird hauptsächlich der Milchsaft. In Japan gibt es Trockenextrakte, die zu Tabletten verarbeitet werden. Auch ein Tee von getrockneten Blättern und Stängeln ist in Gebrauch.

„In der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) sagt man, dass es die Blutzirkulation verbessert, das Qi aktiviert und daher bei vielen Menstruationsleiden hilft. Allein angewendet verstärkt es das Nieren Yin-Qi und Yang-Qi. Sehr angenehm soll es sein als ausgleichendes Mittel in der Menopause, da es milder wirkt als Dong Quai (eine andere Angelika-Art) und keine Nebenwirkungen hat. Bei stillenden Müttern  verbessert es den Milchfluss.“ (Quelle: www.kraeuter-und-duftpflanzen.de)

Baumspinat: Die Blätter der krautigen Pflanze können wie Spinat gekocht oder als Salat verzehrt werden. Verzehrbar ist auch der Samen. Wir durften an einem Blatt nagen, verspürten aber keinen Spinatgeschmack. Dieser kommt erst beim Kochen zur Geltung.

Pflanzen gegen den Kirchenschlaf
Kampferkraut: Für mich neu war das Kampferkraut, das üppig ausserhalb des
umzäunten Gemüse- und Kräutergartens wuchs. Die Blüten, die sich von Juni bis Juli zeigen, ähneln demjenigen des Gänseblümchens. Wegen des kühlen und regnerischen Wetters in letzter Zeit waren die Blüten noch nicht zu sehen. Die Pflanze hat ein Kampferaroma.
Im Englischen wird die Pflanze wegen der Ähnlichkeit der Blüten mit dem Gänseblümchen „Camphordaisy“ (Kampfergänseblümchen) genannt.

Heute verwendet man das getrocknete Kraut in Potpourris. Und noch eine Verwendung war üblich. Kirchgänger versteckten gepresste Blätter in ihren Gebetsbüchern. Wenn die Müdigkeit besonders bei langweiligen Predigten aufkam, öffneten sie das Buch und schnauften den Duft ein. Im Badischen wurden früher gerne Blättchen des stark riechenden Ysops ins Gebetbuch gelegt. Auch dieses war ein gutes Mittel gegen den Kirchenschlaf.
Das desinfizierende Kraut wurde auch als „Streukraut“ auf Fußböden und in Kleiderschränken gebraucht.

In alten Kräuterbüchern wurde das Kampferkraut gegen Kopfschmerzen empfohlen.

Fazit: Die Führung durch den Garten mit Heil-, Wild- und Küchenkräuter  durch die charmante Marlene Müller brachte für uns alle interessante Erkenntnisse über so manche Pflanze. Für mich ist jedes Mal der Gang durch den mit viel Liebe angelegten  Garten eine Offenbarung. Es ist ein Ort der Erholung, der Ruhe und der Düfte.

Anmerkung: In unserem Heilpflanzenbuch „Arnika und Frauenwohl“ (Autoren: Heinz Scholz, Frank Hiepe) ist im Kapitel „Das Wissen von Kräuterfrauen“ ein Portrait von Marlene Müller und unter „Bewährte Hausmittel mit Heilpflanzen“ werden einige Rezepte von ihr präsentiert.

Internet
www.pflanzenreich.com
www.kraeutergaertner.de
www.pflanzenversand-gaissmayer.de
www.veda-energeticum.com  (Marlene Müller, „Haus Tannenhof“, Unteribach)

 


*
*    *

Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
Auf Pilzpirsch: Essbare von giftigen Pilzen erkennen
Ein bärenstarkes Museum in Gersbach
Barfuss über die Alpen
Foto-Blog: Auf geht`s zur Hohen Möhr
Foto-Blog: Vom Kleinen Rhein zum Altrhein
Fotoblog über den Schönauer Philosophenweg
Rote Bete (Rande), eines der gesündesten Gemüse
Hermann-Löns-Grab im Wacholderhain
Lüneburger Heide: Salzsau und Heidschnucken
Kutschenmuseum in Wiechs ist ein Schmuckstück
Canna verleihen einen Hauch karibisches Flair
Artenreiche Streuobstwiesen stark gefährdet
Liebe zu den Kräutern in die Wiege gelegt
Eine Hütte mit Fleischsuppe im Namen
Rätsel um die Russenbänke in Präg gelöst