Textatelier
BLOG vom: 07.11.2015

Antwort auf einen Kommentar zu meinem Blog

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Deutschland


Kommentar zum BLOG: Hoffnung auf bessere Zeiten in der Ukraine

Der Mann auf der Bank liest die Hand – ok. Nur wer sagt, denn, dass er Wahrsagerei betreibt? Die Handlesekunst ist uralt und kann – seriös betrieben – durch aus hilfreich sein. Warum? Wir tragen in unseren Händen die Betriebsanleitung für unser Leben und unsere Fingerprints zeigen unsere Lebensbestimmung auf. Daraus jedoch Aussagen über unsere Zukunft abzuleiten ist klar fragwürdig und daher abzulehnen.

Herzliche Grüsse

Oskar J. Tobler, dipl. psych. Handanalytiker

 

Sehr geehrter Herr Tobler!

Zuerst einmal herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Ich stimme Ihnen zu, vielleicht tue ich dem Mann, der aus der Hand liest, ja Unrecht, und er betreibt keine Wahrsagerei, sondern eine Art von Lebenshilfe. Sein Klient hat sich (und seine Hand) ihm anvertraut, möglicherweise, weil er einen Psychologen oder Psychotherapeuten nicht bezahlen kann oder aus anderen Gründen. Leider konnte ich nicht ermitteln, was der Handanalytiker aus seiner Hand erfahren konnte.

Dass etwas „uralt“ ist, sagt meines Erachtens noch nichts über dessen Seriosität aus, dann müssten Horoskope, die in einem komplizierten, Jahrtausende alten Verfahren erstellt sind, es auch sein. Die Verbindung der beiden Praktiken wird nicht geleugnet.

Ich streite mich gern mit meiner Frau über die Wirksamkeit von Homöopathie (Globuli oder Streukügelchen, etc.) und anderen, von vielen Wissenschaftlern nicht anerkannten Verfahren. Sie sagt, auch wenn das möglicherweise Unsinn sei, es zähle doch das Endergebnis, und meine Tochter schwört darauf, dass sie helfen. Da nutzen mir keine Hinweise auf wissenschaftliche Untersuchungen.

Lebenshilfe könnte auch ohne Handlesen „hilfreich“ sein, wenn der Klient mit seinen Sorgen ernst genommen wird und der Berater über viel Lebenserfahrung und Einfühlungsvermögen verfügt und logisch denkt. Aber vielleicht braucht der Klient ja dieses Mittel, um sich zu offenbaren.

Ich frage mich schon, warum die eine Linie die „Lebenslinie“ sein soll und nicht die „Herzlinie“ oder eine andere. Auch wenn wissenschaftlich erwiesen ist, dass sich die Zeichnung auf den Fingern („Fingerprint“) schon sehr früh beim Fötus entwickelt, was sagt das schon aus? Richtig, der Fingerabdruck ist bei jedem Menschen einzigartig und zur Identifikation geeignet. Aber zur Charakterisierung unserer Lebensbestimmung? Ich habe meine Zweifel. Ist doch die Lebensbestimmung von so vielen unwägbaren Faktoren und Zufällen abhängig!

Überhaupt, was sagen Handleser ihren Klienten? Dazu interessant ist der Barnum- oder auch Forer-Effekt. Er sagt aus, dass Menschen dazu neigen, vage und allgemeingültige Aussagen über die eigene Person als zutreffend zu akzeptieren.

„Vor allem Wahrsager(auch Handleser? RGB) nutzen gerne universellen Aussagen, die auf fast jeden Menschen zutreffen und erwecken den Eindruck, viel über eine Person zu wissen. Der auf diese Weise Angesprochene bekommt dadurch das Gefühl, das Gegenüber würde ihn schon lange kennen, öffnet sich und es ist leicht, mehr über spezifischen Motive und Bedürfnisse herauszufinden. Universelle Aussagen sind einfach gehaltene Aussagen, die für einen Menschen sehr charakteristisch wirken, besonders in Eins-zu-eins-Gesprächen, sind in Wahrheit sehr allgemein und mehrdeutig, wodurch sie auf jede beliebige Person anwendbar sind. Universelle Aussagen sprechen das Wunschdenken an, denn man erzählt auf diese Weise einem Menschen nur, wie er gern von anderen wahrgenommen werden möchte, wobei es gleichgültig ist, ob das, was man sagt, wirklich passt, denn allein wichtig ist nur, was das Gegenüber als wünschenswert erachtet und daher unbewusst zustimmt.“

Ausserdem werten die „Lebensberater“ die „paranormale Kommunikation“ in ihren Handlese-Sitzungen aus, was durchaus wissenschaftlich ist. Jedenfalls will ich nicht eine „Betriebsanleitung für unser Leben“ aus den „Erkenntnissen“ herausinterpretieren, was immer Sie unter „Betriebsanleitung“ verstehen, ein Begriff, der eher aus dem technischen Bereich stammt und synonym zu „Gebrauchsanweisung“ verwendet wird.

Wie auch immer, wenn Sie Ihre Arbeit als Lebenshilfe verstehen und diese manchen Ihrer Klienten ein zufriedenes Gefühl gibt oder auch eine Hilfestellung zur Bewältigung des Lebens und seiner Krisen, leisten Sie schon Beachtliches. Auch wenn ich dabei eher an den kleinen Streit mit meiner Frau und die Schlüsse, die sie zieht, denke!

 

Hinweise auf die Blogs zum Thema
Hoffnung auf bessere Zeiten in der Ukraine
Gänschen und Engel: Glaube, Aberglaube und Strohhalm

Quelle: Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik (http://lexikon.stangl.eu/531/barnum-effekt/)

 


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