Textatelier
BLOG vom: 16.05.2015

Leuchtende, gelbfarbene Landschaft in Norddeutschland

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
 
In der letzten Woche bin ich von Hamburg aus über Lübeck auf der Autobahn nach Rostock und später wieder zurück gefahren. Die Sonne schien, und es ergab sich ein eindrucksvolles Panorama rechts und links der Autobahn. Besonders im östlichen Teil Deutschlands, kurz hinter Lübeck, in dem die landwirtschaftlich genutzten Felder sehr gross sind und mehrere Hektar Fläche umfassen, blüht gelbleuchtender Raps. Geht man näher an die Felder heran, kann man den süssen Duft bemerken und auch die Bienen, die die Blüten umschwirren.
 
So hell eingefärbte, strahlende Felder sieht man, abgesehen von Flächen, auf denen Blumen angebaut werden, selten. Ich bin langsamer gefahren und habe den Anblick genossen. Raps gehört zur Familie der Kreuzblütengewächse.
 
So stellen sich bei mir eine Reihe von Fragen zu Raps. Ich weiss, dass daraus unter anderem ein Speiseöl hergestellt wird. Aber warum es gerade hier im Norden parallel zur Ostsee so viele Felder davon gibt, wusste ich bisher nicht.
 
Dass die Felder hier im Osten so gross sind, hat mit der sozialistischen Vergangenheit als ehemalige Deutsche Demokratische Republik zu tun. Dort gab es Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, kurz LPG genannt, bei denen die Landwirte mehr oder weniger freiwillig ihre Felder zu grösseren Einheiten zusammenschliessen mussten. Im westlichen Teil Deutschlands sind die Felder wegen der Erbfolge in den landwirtschaftlichen Familien meist kleiner.
 
Das Bundesland in Ostdeutschland, durch das ich fuhr, heisst Mecklenburg-Vorpommern (MVP). Auf einem Regierungsportal aus dem Jahre 2014 lese ich, dass dieses Bundesland seit Jahren auf Platz 1 mit 245 000 ha im Rapsanbau in Deutschland liegt, das sind 2450 qkm. Ein Vergleich: Die Schweiz hat eine Fläche von 41 285 qkm, davon sind 24 % landwirtschaftliche Nutzfläche, also etwa ein Viertel.
 
Ein Viertel davon ist die Fläche, auf der in MVP Raps angebaut wird! Das ganze deutsche Bundesland Saarland ist nur ein wenig grösser als diese gesamte Fläche! 
 
Pro Hektar werden daraus etwa 2000 l Rapsöl gewonnen, das in Salatöl, Margarine, Lecithin für Schokolade oder Snacks, Tierfutter, Farben, Schmierfetten, Kosmetik, Glycerin, Biodiesel oder als ertragssteigernder Humusbildner auf dem Acker enden wird.
 
Grob gerechnet: Aus 1 kg Rapskörnern entstehen 0.4 l Rapsöl sowie 0,6 kg Rapsschrot (Rapskuchen), welches in der Rinder- und Schweinefütterung als Eiweissfutter eingesetzt werden kann.
 
Seit Kurzem gibt es ein Verbot von Saatgut, das mit neonicotoiden Beizmitteln behandelt wurde. Die Behandlung war erforderlich, um Pflanzenschädlinge, den Rasperdfloh und die Kleine Kohlfliege, zu bekämpfen. Aber es wurde festgestellt, dass das so behandelte Saatgut den Bienenstand gefährdet und schädlich für die Blütenbestäuber ist. Deshalb befürchtet man Einbussen, da noch kein wirksames Gegenmittel gegen die Schädlinge gefunden worden ist. Sinnvoll ist eine jährlich wechselnde Fruchtfolge (Weizen, Gerste, und andere), und zwar so, dass nur alle 4 oder 5 Jahre auf den Feldern Raps angebaut wird. Übrigens sind die Erträge von Weizen auf Feldern, auf denen im Jahr davor Raps geblüht hatte, besonders gut.
 
Auch das war mir aufgefallen: Während auf der einen Seite der Autobahn der Raps blüht, sieht man auf der anderen Seite andere angepflanzte Feldfrüchte, die meist noch grün waren. Einige Felder werden später blau blühen. Dort werden Leguminosen angebaut, Hülsenfrüchte, auch eine ertragreiche Frucht, die zur menschlichen Ernährung (Erbsen) dient, aber auch als kleeartige Futterpflanze dem Vieh schmeckt.
 
Dass Raps in der Nähe der Ostsee besonders gut gedeiht, hat mit seinen Erfordernissen beim Wachstum zu tun. Hohe Sonneneinstrahlung und Luftfeuchtigkeit sowie eine kühle, lange Reifeperiode mit Temperaturen nicht über 25 °C, sind optimal für hohe Erträge. Hier liegen auch die wichtigsten Ertragsunterschiede zwischen Südwestdeutschland und den Ostsee-Küstenregionen. Schon wenige Kilometer südlich und ganz im Süden wird es oft zu warm, und die Böden sind zu trocken.
 
Die Züchtung spielt aber auch eine wichtige Rolle. Ein Blick auf die kleinen Rapskörner zeigt, wie aufwändig und beschwerlich sie ist. Züchtung ist hochwissenschaftlich und innovativ. Mit modernen Methoden versuchen Züchter und Wissenschaftler, die mehreren 10 000 Gene einer Pflanze zu entschlüsseln und sie für die Züchtung nutzbar zu machen. Das Geheimnis eines jeden Züchters liegt in den sorgfältig erarbeiteten Zuchtprogrammen, in denen die gewünschten, vielseitigen Züchtungsziele festgelegt sind. Neben den verbesserten Inhaltsstoffen sind z. B. sichere und gute Erträge sowie optimierte Resistenzeigenschaften gegenüber Krankheiten und Schädlingen entscheidend.
 
Als Hintergrundwissen können diese Informationen nicht schaden! Und so geniesse ich die leuchtenden Flächen, und freue mich, denn sie kündigen auch den kommenden Sommer an. Und wenn ich – wie eben noch – Rapsöl zum Kochen verwende und Rapshonig auf mein Brot streiche, erinnere ich mich gern daran.
 
 
Quellen
 
 
Hinweis auf weitere Texte auf dem Textatelier.com mit Bezug zu Raps
 
 
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