Textatelier
BLOG vom: 21.07.2014

Die Hitze in unseren Breitengraden: nicht der Rede wert!

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
 
Es lohnt nicht, darüber zu schreiben oder zu reden. Warum soll man über Belangloses kommunizieren? Wozu weiterlesen?
 
An wenigen Tagen im Jahr steigt in unseren Breiten die Temperatur auf über 35 Grad Celsius im Schatten. Die Menschen meiden die Sonne. Die Strassen sind fast leer, nur wenige Autofahrer steuern den Supermarkt an, um sich mit Lebensmitteln und vor allem mit Mineralwasser und Fruchtsäften einzudecken. Es wird weniger Bier getrunken, denn es hilft nicht viel gegen die Hitze und man merkt zu schnell den Alkohol.
 
Die Freibäder sind gut gefüllt, unter Sonnenschirmen ruhen sich die Menschen aus, tauchen ab und zu in das kühlende Nass. Nur wenige schwimmen, jegliche Anstrengung wird vermieden. Senioren sterben, oft weil sie zu wenig trinken oder weil das Herz die Temperatur nicht verkraftet.
 
In einem Bus, in dem die Klimaanlage ausgefallen ist, kollabiert ein Kind nach dem anderen. Die im Stau stehenden Insassen der Fahrzeuge werden durch Hilfsdienste mit Trinkbarem versorgt.
 
Die Arbeit wird langsamer erledigt. Hektik muss vermieden werden. In den heissen Stunden des Tages bleibt man lieber im Haus, schlummert ein wenig oder liest ein Buch. Denn die Nächte sind zu warm und rauben den Schlaf.
 
Möbel-, Bekleidungsgeschäfte und Autohäuser haben nur einzelne Kunden. Hitze benebelt die Sinne, und wer will schon mit verwirrten Sinnen eine solche weitreichende Entscheidung tätigen?
 
Der menschliche Körper muss die steigenden Temperaturen ausgleichen und schwitzt. Je mehr der Mensch trinkt, desto mehr schwitzt er. Aber das ist gesund, ein Austrocknen wegen zu wenig Flüssigkeit könnte tödlich sein.
 
Die Haut wird mit Sonnenschutzmittel geschützt, dann kann sie der Sonne blossgestellt werden, schliesslich möchte man doch ein wenig braun werden.
 
Klimaanlagen und Durchzug verteilen Erkältungsviren und die Fälle von grippalem Effekt häufen sich, manchmal nur mit allerlei Symptomen wie Schnupfen, Husten und Halsschmerzen, manchmal auch mit Fieber, das den Kranken aufs Lager zwingt.
 
Wie gesagt, in unseren Breiten nur ein paar Tage im Jahr. Bald sinkt die Temperatur, Gewitter kündigen sich an und bringen Sturm und Regenschauer mit sich, und die Menschen schimpfen wieder über das schlechte Wetter.
 
Gejammert wird immer, egal ob es warm oder kalt ist, ob es regnet oder schneit, ob es donnert und blitzt oder stürmt. Das Wetter ist ein dankbares Thema für das, was wir auch in der deutschen Sprache „small talk“ nennen, der Kitt, der soziale Beziehungen zusammenhält, der Beliebtheit und Ansehen fundiert.
 
Worüber sollte man auch sonst sprechen? Ein Lieblingsthema unter älteren Menschen sind die Krankheiten, die Besuche bei Ärzten, die Aufenthalte in Krankenhäusern. Und wenn man die Ursache für die Malaisen noch beim Wetter findet, umso besser!
 
Ich ernte Unglauben. Ich fühle mich bei diesen Temperaturen pudelwohl. Seit meinen Aufenthalten in subtropischen Ländern, in Indien und Sri Lanka, in denen diese Temperaturen üblich sind, friere ich hierzulande, wenn das Thermometer unter 20 Grad C fällt, erst etwa ab 25 Grad aufwärts geht es mir langsam besser. Ich trage ein Unterhemd, ein langärmeliges Hemd und oft auch noch eine Strickweste. Nur so halte ich es aus. Unter 20 Grad zittere ich vor Kälte, wenn ich wenig anhabe. Die Freunde lästern über mich, aber ich kann es nicht ändern.
 
Und ich denke an die Menschen in Indien, die bei 35 Grad mit einer Strickmütze und einem Pullover herumlaufen. Frauen in Sarees, verschleierte Frauen zeigen keine Anzeichen von Schweiss. Die Temperaturen machen ihnen nichts, sie gehören zum Leben. Eile mit Weile! Über das Wetter reden, wozu? Überflüssig!
 
 
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