Textatelier
BLOG vom: 08.05.2014

Die Ankunft in Indien: Wieder einmal im fremden Lande

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
Ich bin in Indien, wieder einmal. In den letzten Jahren waren es kürzere oder längere Aufenthalte in verschiedenen Gegenden dieses riesigen Landes. In diesem Jahr bin ich wieder in Kerala, dem südwestlichen Bundesstaat, nur für eine Woche.
 
Der Flug führte mich von Düsseldorf D aus zu den Vereinigten Emiraten. Abu Dhabi sah von oben wie ein künstlich angelegter Ort mit rechtwinklig gebauten Strassen aus, eine riesige geometrische beleuchtete Fläche. Ein moderner Tower begrüsste die Reisenden schon von weitem. Der Aufenthalt vor dem Antritt des 2. Teils der Reise war kurz, ein Spaziergang durch den klimatisierten Flughafenbau bis zum Abflug-Gate.
 
Trivandrum, oder Thirunvanathapuram, wie die Hauptstadt mit ihrem vollständigen Namen heisst, war nach einigen weiteren Stunden im halbwegs bequemen Flugzeug erreicht. Seit meiner ersten Ankunft hier vor 10 Jahren wurde der Flughafen modernisiert, aber die Abfertigung der zum Ausgang drängenden Fluggäste scheint mir noch bürokratischer zu sein als damals. Der gewohnte Immigration-Anmeldungsschein war nicht mehr gültig, obwohl er der einzige war, der vor dem Abflug aus den Emiraten den Fluggästen zum Ausfüllen überreicht worden war, der eilig ausgefüllte kleinere, der an dem verwaisten Schalter vor der Ausgangskontrolle auf dem Tisch lag, auch nicht, nein, es musste noch ein anderer sein. Die Abfolge der Fragen nach dem Namen, der Herkunft, der Pass- und Visanummer usw. unterschied sich auf keinem der 3 Formulare. Eine neue Frage war zu entdecken und sorgte bei einigen Wartenden für Irritation, nämlich, ob man ein Satellitentelefon mit sich führe. Ob damit ein übliches Mobiltelefon gemeint war, wurde ich gefragt. Bestimmt nicht, die Frage wäre lächerlich, es gibt inzwischen kaum einen Inder, der keines besitzt und benutzt. Die Gepäckausgabe für diesen Flug musste erst entdeckt werden, denn das Beförderungsband war hinter Säulen versteckt. Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, bis mein Koffer endlich durch die schwarze Öffnung auftauchte, auch deshalb, weil das Band mehrmals stoppte und die Gepäckstücke nicht weiterrutschen konnten.
 
Sicherheitskontrollen vor dem Flug sind noch verständlich, auch wenn es mir schleierhaft ist, dass ich dabei jedes Mal meine Schuhe ausziehen und meinen Hosengürtel herausziehen musste. Aber warum das zum wiederholten Male auch beim Verlassen des Flughafengebäudes erforderlich ist, kann ich nicht verstehen. Es war schon fast zum Lachen, dass noch einmal, zum 3. oder 4. Mal, eine Pass- und Handgepäckkontrolle stattfand und der Kontrolleur wiederum diesen Immigrationsschein ausgehändigt haben wollte. Nach meinem Protest liess er mich dann auch so ziehen, und so konnte ich endlich mit einem Taxi in Richtung Stadtmitte fahren.
 
Als Verkehrsteilnehmer wird mir immer wieder bewusst, wie unterschiedlich und anders dieses Riesenland ist, das sich auf dem Wege zum westlichen Standard mit seinen geordneten, gesetzlich festgelegten und verhaltensmässig eingeschliffenen Abläufen befindet. „Auf dem Wege“ – das ist schon richtig, wenn man sich die Einkaufsmeilen, die modernen Häuser ansieht, aber im Verkehrsablauf hat sich zwar das Aufkommen der Autos, Rikschas („Tucktucks“ ist ein anderer Name für die 3-rädrigen Beförderungsmittel), Motorräder und Roller vervielfacht; aber das für westliche Besucher, die zwar die vollen Strassen der Grossstädte und die Staus als festen Bestandteil ihres täglichen Daseins ansehen, so interpretierte Chaos auf den indischen Strassen ist etwas völlig anderes. Jeder Teilnehmer versucht, voranzukommen, und das geht nur durch Selbstbehauptung und millimetergenauem Vorbeifahren an langsameren oder blockierten Mitstreitern. Halt, es hat sich tatsächlich etwas geändert! Es gibt mehr Ampeln, und sie werden jetzt auch beachtet, was vor einem Jahrzehnt ein Ausnahmefall war! Die Verkehrsteilnehmer warten, bis sie fahren dürfen und verstopfen dann die freie Fahrt bis zum nächsten Ampelrot wie seit eh und je.
 
In Deutschland regen sich die Leute über angeblich schlechte Strassen und kleine Schlaglöcher auf. Ich behaupte, das seien immer noch Ausnahmen; in indischen Städten ist das vor allem in Nebenstrassen der Normalzustand. Nicht nur die Autofahrer schieben sich jetzt, in der Monsunzeit, von Pfütze zu Pfütze, falls eine Umfahrung der Schlaglöcher unmöglich ist. Die Fussgänger springen über Schlammlöcher und landen auf regenweicher Erde. Schmutzige Schuhe und Hosenbeine sind dabei nicht zu vermeiden.
 
Der Kurzbesuch eines kleinen Markts, auf dem Obst, Gemüse, frische Fische und lebende Hühner angeboten werden, bedeutet ebenso, sich über die kleinen Wasserlöcher auf den Wegen zwischen den Ständen durchzukämpfen. Vom westlichen Hygienestandard bei den angebotenen Lebensmitteln ist man noch weit entfernt. Dafür erfreue ich mich an den leckeren kleinen Bananen, die es eben nur hier in Stauden angeboten gibt und nicht auf dem häuslichen Markt in Deutschland.
 
Die Ausstattung der Wohnungen ist in der Regel noch so karg wie schon immer. Wohnzimmer nach westlichem Muster sieht man zwar auch, aber selten, dafür öfter in den Werbespots im Fernsehen, das gilt ebenso für die indische Küche und das spartanische Bad mit Kaltwasserdusche.
 
Das Internet mit WLAN hat als ein Anzeichen der Modernisierung Einzug in die Wohnungen gehalten, wenn auch der Provider fast regelmässig ein paar Mal am Tag ausfällt.
 
Dennoch, während ich hier sitze und meine Eindrücke in die Tasten tippe, prasselt draussen der im Monsun übliche Sturz- und Starkregen aufs Hausdach, das ihn perfekt abhält und mir ein Gefühl der vor der Naturgewalt sicheren Unterkunft gibt.
 
Westliche Standards wird dieses Land in den nächsten Jahrzehnten nur ansatzweise und partiell erreichen. Deshalb sind die Bewohner aber nicht als verbittert und protestierend zu erkennen. Man kämpft sich eben durch, so gut es geht, so wie es immer war und wie es noch lange Zeit sein wird. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Menschen hier unglücklicher als in den Industriestaaten sind. Die Freundlichkeit untereinander berührt mich schon am ersten Tag wieder sehr und bestätigt mich darin, dass ich gern hier bin, allen Unzulänglichkeiten zum Trotz!
 
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