Textatelier
BLOG vom: 22.03.2014

Bürger der Krim und der Ukraine: Appell an Menschlichkeit

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Westdeutschland
 
 
„Doch willst du geboren nicht werden,
Dann bleib sitzen am wärmenden Feuer,
Bleib bei deiner Frau, bleib bei deinem Zelt,
Wo das Licht dich niemals wird finden,
Wo dein Herz dir schwer wird vom Alter
Und deine Augen sich nur schliessen zum Schlaf.“
(T. Pynchon: „Das Lied des Aqyn“)
 
 
Wolltest Du (wieder-)geboren werden, Du Halbinsel im Schwarzen Meer? Hat die russisch-stämmige Mehrheit Deiner Einwohner sich von der ungewissen Entwicklung der selbst ernannten Regierung einer führungslosen Ukraine, die sich mit dem Westen ins Bett gelegt hat, abgewandt?
 
Die Zukunft ist unsicher geworden. Sicher war und ist die Präsenz der Schwarzmeerflotte der Russischen Föderation. Deren Stützpunkt bringt der Halbinsel und einem Grossteil der Bevölkerung Einkommen und Brot.
 
Was wäre damit oder was würde damit geschehen, sollte sich die Ukraine sich nur dem Westen zuwenden? Hast Du, Krim, Dich deshalb aufgerafft, Deine Frau verlassen, bist aus Deinem ukrainischen Zelt herausgetreten und hast zur aufsteigenden Sonne nach Osten geblickt?
 
Seit 1992 bist Du eine Autonome Republik, ein Staat im Staate der Ukraine gewesen, ein Kompromiss, denn schon 1991 hatte eine Mehrheit auf der Krim für eine Unabhängigkeit gestimmt.
 
Die Mehrheit der Bewohner von Sewastopol fühlt sich näher an Russland als an der Ukraine, so wie sich Gibraltar näher an Gross-Britannien als an Spanien fühlt. Eine Zuwendung der Ukraine an den Westen würde Dir das Herz schwer werden lassen.
 
Leben wir nicht in einer Krise der repräsentativen Demokratie? Setzen die gewählten Parteien und aus der Wahl hervorgegangenen Staatslenker die Wünsche der Bevölkerung noch um, verstehen sie noch ihre Sorgen? Treibt sie nicht eher das Streben nach Macht, Geld und wirtschaftlichen Einfluss? Fühlen sich die Bürger nicht allein gelassen mit ihren Sorgen?
 
Was bleibt anders als ein Referendum? Eine direkte Willensäusserung der Bevölkerung bei gravierenden Fragen, die alle und jeden betreffen? Ist die schweizerische Regierungsform nicht ein Vorbild dafür, dass eine Kombination aus Repräsentation und direkter Demokratie funktioniert?
 
Dass so etwas nur in so einem „kleinen“ Land wie die Schweiz funktionieren könne, trägt als Grund für eine Ablehnung nicht mehr, der technischen Umsetzung steht kaum noch etwas im Wege.
 
Die Bevölkerung der Krim hat sich in die Partnerschaft mit Russland eingelebt. Für die Mehrheit ist der grosse Bruder kein Kain, keine Bedrohung.
 
Das Adoptivkind hat sich von den sie adoptierenden Eltern abgewandt und sich dem „Mütterchen Russland“ zugewandt. Was soll daran so falsch sein?
 
Etwa, weil es das Völkerrecht verbietet? Kann ein Völkerrecht das Recht einer Bevölkerung verbieten, sich dem zuzuwenden, dem es vertraut?
 
Die Zukunft wird zeigen, wie sich die ukrainische Bevölkerung entscheidet. Es ist noch gar nicht so sicher, ob die Maidan-Protestler die Mehrheit vertreten haben oder nicht. Sucht nach Kompromissen, nicht nach Unterschieden!
 
Die Abspaltung der Krim muss kein Auseinanderbrechen der Ukraine bedeuten. Vielleicht wollen auch die Ukrainer „geboren“ und nicht zerrissen werden zwischen den Machtgelüsten der Grossmächte. Ob es eine politische Gruppierung versteht, was die ukrainische Bevölkerung will? Dass nur Blicke in beide Richtungen, nach Osten und nach Westen, Wohlstand bringen können? Die wirtschaftlichen Verflechtungen der Grossmächte zeigen, dass kein Land mehr ohne das andere auskommen kann!
 
Ukrainer, bleibt nicht „am wärmenden Feuer“! Seht die Mitbürger als Mitbürger an, nicht als Minderheiten! Toleriert einander! Bleibt menschlich, bleibt human!
 
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