Textatelier
BLOG vom: 11.11.2012

Einseitig bis vielseitig: Jeder sein eigener Steuermann

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Allgemein zwingt das Berufsleben, uns an einen engen Aufgabenraster zu halten. Diesen bestimmt der Beruf, den wir ausüben. Das gilt sowohl für den Spengler als auch für den Buchhalter. Selbst Journalisten müssen sich an die ihnen zugewiesenen Sparten oder Ressorts halten, seien es Lokal- oder Wirtschaftsnachrichten, Unterhaltung oder Umweltfragen usw. Wer aus diesen Schranken ausbrechen will, muss beruflich umsatteln. Allenfalls mögen berufliche Aufstiege auf der Karriereleiter das Tor zu einem erweiterten Verantwortungsbereich öffnen. Leider erreicht nur eine gezählte Schar den Posten eines Geschäftsführers. Das grässliche Adjektiv „multidisziplinär“ beeinflusst dabei die Karriereaussichten.
 
Die Politiker anderseits werden willkürlich über viele Departements verschoben, worüber sie wenig wissen, aber diesen Mangel so gut als möglich kaschieren … Sie haben ihre Untertanen, die sie fachlich betreuen. Selbst dann plappern sie noch viel Blödsinn.
 
Die meisten Leute bleiben in ihrem Beruf sesshaft; böswillige Zungen sagen, „sie kleben am Beruf“. Nach 20 oder mehr Arbeitsjahren schleicht sich leicht eine „déformation professionelle“ (eine berufliche Verformung, Entstellung) ein. Diese beruflich angeeignete Einseitigkeit lässt sich aus Gesprächen erkennen. Die Deformierten fachsimpeln und debattieren gerne untereinander, wie unter Wissenschaftlern immer wieder feststellbar ist.
 
Zum Glück gibt es Auswege, die zur Vielfalt führen, worunter Steckenpferde. Ein Mensch, der mit Hingabe sein Hobby in der Freizeit pflegt, erwirbt sich Fachkenntnisse, die hin und wieder selbst jene der sogenannten Experten übertreffen. Man darf sie nicht einfach als Amateure oder Dilettanten abstempeln.
 
Ich selbst bin ein Setzkopf, der dem Lockvogel seiner inneren Berufung bis heute folgt. Dieser Zug formte und festigte sich in jungen Jahren und wirft heute in reiferen Jahren wohl keine materiellen Dividenden ab, doch beschert er mich mit vielen Freuden, von denen ich meine Zeilen abgewinnen kann. Hier kann ich mich in viele Themen, die mir am Herzen liegen, einfinden. Es geht dabei nicht an, dass man aus dem Stegreif schreibt, es seien denn Kurzgeschichten, die ihr Eigenleben, oft ganz unabhängig von mir, gewinnen. Andere Arbeiten bedürfen der Vorstudie oder stützen sich auf persönliche Erfahrung und Erlebnisse ab.
 
Ohne das „Textatelier.com“, das am 25.12.2012 sein 8-jähriges Jubiläum feiern wird, wäre ich in England vereinsamt. Starrköpfig halte ich, nein klammere ich mich an meine Muttersprache. Ich geniesse die reichhaltigen Texte meiner Textatelier-Begleiter, erlebe ihre Wanderungen und Städtebesuche, zehre von ihrem Fachwissen bezüglich Gesundheitspflege, Naturkunde, Kritik am Machtmissbrauch – eine reiche Wegzehrung, sogar mit kulinarischen Abstechern aus Indien und aus dem heimatlichen Umfeld bereichert.
 
Diese schöpferische Spannkraft ist nicht altersgebunden. Sie bleibt jugendlich elastisch. In meinem englischen Bekannten- und Freundeskreis bewundere ich viele, die Kurse belegen und sich sogar eine akademische Auszeichnung, etwa von der „Open University“, erwerben. Viele von ihnen haben das Pensionsalter erreicht. So sind dem Alter keine Grenzen gesetzt, soweit man sich nicht sportlich überfordert. In der Vielseitigkeit ist jeder sein eigener Steuermann.
 
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