Textatelier
BLOG vom: 28.11.2011

Eine Betrachtung: Die Kunst des Sehens und Übersehens

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London
 
Wer gesunde Augen hat, der sieht. Wir seien Augenmenschen, wird gesagt. Und dennoch übersehen wir vieles. Das geschieht mir öfters, als mir lieb ist. „L’art de voir“ muss immer wieder geübt und geschult werden, sonst verkümmert unsere Gabe des Sehens.
 
Gegenstände aller Art können unser Augenmerk vorübergehend fesseln: ein appetitlich angerichtetes Gericht, ein Gemälde, Strassenmusikanten, Schattenwürfe der Bäume, eine alte Kirche, zwischen Hochhäuser eingezwängt. Wichtiger als Gegenstände sind mir die lebenden Wesen, an 1. Stelle meine Mitmenschen. Und ausgerechnet an diesen gehe ich oft blindlings vorbei, in eigene Gedanken versponnen.
 
Wer bewusst sieht, erkennt und liest mit den Augen. Er wird zum Betrachter oder Beobachter. Längst nicht alles, was wir sehen, prägt sich in uns ein. Es sind Ausschnitte, die haften bleiben und sich zu Erinnerungen verdichten. Das bedingt erleben, miterleben, über die Warte des stillen Betrachters hinweg. Die Kunst des Sehens kann sogar aus der eigenen Camera obscura das Sichtbare übertreffen. Das ist der kreative Akt des Sehens in der Vorstellung eingebettet: das Unsichtbare sichtbar zu machen. Das hat nichts mit Optik zu tun. Wer eine Geschichte erzählt, zehrt von dieser Art des Sehens: Interpretatives Sehen, bin ich versucht zu sagen. Die Fantasie spielt mit.
 
Wieweit ist diese Stufe des Sehens zugänglich? Die ersten Stufen werden mit Kindsbeinen erklommen und sind mit dem Erlernen eines Musikinstruments vergleichbar. Aber das allein genügt nicht, wie ich selbst feststellen musste. Auf der Geige habe ich es, trotz viel Fleiss, nicht weit gebracht. Mein Trost war das geschriebene Wort, das sich nach und nach zu meiner prioritären Fähigkeit entwickelte.
 
Das Schreiben ist sehr eng mit der Gabe des Sehens verbunden. Vorbilder halten dabei die Steigbügel. Aber man darf nicht an Vorbildern kleben bleiben, sonst bleibt man ein Nachahmer, der immer das Nachsehen hat –im Vergleich zum Original. Der eigene Stil muss gefunden und gebildet werden.
 
Ein Trost ist es, dass es so viele Spielarten des Sehens gibt, von der beobachteten Alltagswelt bis zur luftigen Abstraktion der Imagination. So gibt es Platz für uns alle.
 
Hinweis auf ein weiteres Blog über das Sehen von Emil Baschnonga
17.10.2009: Hommage an Paul Klee: Unsichtbares sichtbar machen
Hinweis auf weitere Blogs von Eisenkopf Werner
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