Textatelier
BLOG vom: 24.07.2010

Bauerngarten-Tag: Bunte Pracht in ländlichen Paradiesen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Der 18.07.2010 war ein besonderer Tag für Pflanzen- und Gartenfreunde: 23 südbadische Bäuerinnen luden zusammen mit der „Badischen Bauern Zeitung“ (BBZ) am „Tag des offenen Bauerngartens“ zu Besichtigungen in ihre Gartenparadiese ein.
 
„Das harmonische Nebeneinander von Schönem und Nützlichem macht den Bauerngarten aus. In seiner arbeitsintensiven Pflege dokumentiert sich das seit Generationen lebendig bewahrte Wissen über Heilkraft der hier kultivierten Pflanzen und die Kreisläufe der Natur.“ Dies war unter www.frsw.de/bauerngarten.htm zu lesen.
 
Diesmal wurde etwas Neues geboten. Auf verschiedenen Höfen waren Kräuterpädagoginnen präsent. Sie führten durch die Wildkräutergärten und boten ihre Produkte an. In diesem Jahr schlossen sich auch 2 Klostergärten dem Tag mit den offenen Gartentüren an: die Kartause in Freiburg i. Br. und St. Trudpert im Münstertal.
 
Alle Gärten, die sich in diesem Jahr der Öffentlichkeit präsentierten, sind unter www.badische-bauern-zeitung.de aufgeführt. Hier erhielt der Interessierte die Adresse, eine Gartenbeschreibung, Hinweise zum Tag und eine Wegbeschreibung angeboten.
 
Mich interessierten insbesondere die Gärten in meiner näheren Umgebung. Den Garten von Marlene und ihrer Tochter Christina Müller, Haus Tannenhof, Unteribach, habe ich bereits kennengelernt und auch in einem Blog beschrieben (16.08.2008: Staunen im Kräutergarten: Der Salbei tröstet, die Rose erfreut).
 
Am 20.07.2010 rief ich Marlene Müller an und bat um eine Information über die Gartenpräsentation. Man habe in diesem Jahr viel mehr Besucher gehabt als in den vergangenen Jahren, erfuhr ich. War es das schöne Wetter, oder interessieren sich immer mehr Menschen für die Heilkräuter?
 
„Die Besucher stellten gezielte Fragen nicht nur zum Anbau von Gemüse, sondern auch zu den Heilwirkungen und Nebenwirkungen der verschiedenen Heilpflanzen.“ Etliche Besucher äusserten sich sehr negativ zum Streit um die Homöopathie auf Kassenkosten in Deutschland. Immer wieder hörte Marlene Müller, dass es eine grosse Unverschämtheit sei, wenn die wirksamen Mittel nicht mehr von den Kassen bezahlt würden.
 
In Oberbürchau 4 im Kleinen Wiesental (Kreis Lörrach D) liegt der Bauerngarten von Waltraud Zeh und Adelheid Mogel. Dieser Garten wurde 1998 anlässlich des Bauerngarten-Wettbewerbs ausgezeichnet. Auf dem rechteckig angelegten Gartenareal sind 4 Gemüsebeete, die von akkurat geschnittenen Buchshecken eingefasst sind. Darauf gedeihen Möhren (Rüebli), Rettiche, Salat, Lauch, Mangold, Sellerie, Bohnen, Schwarzwurzel und Kohl. Aber nicht nur Gemüse ist im Bauerngarten zu sehen, sondern auch einjährige Blumen wie Mohn, Cosmea, Sonnenblumen, Malven, Dahlien, mehrjährige Mädchenaugen, Nelken, Lilien und Polsterstauden. Auch Obstbäume und Beerensträucher und viele Gartenkräuter sind in diesem Garten auszumachen.
 
Der Garten der Familie Billich in Efringen-Kirchen (Kreis Lörrach D) ist ebenfalls sehenswert. Dieser Garten wurde 2007 unter Anleitung von Sepp Holzer als Permakulturgarten mit Hügelbeeten und Naturteich angelegt. Wer sich für das richtige Kompostieren und für eine gesunde Ernährung informieren möchte, findet hier kompetente Ansprechpartner (www.speiseplan.de).
 
Paradies aus Blumen und Beeren
Einen prachtvollen und gepflegten Bauerngarten besichtigte ich am 18.07.2010 in Schopfheim-Enkenstein (Am Bürgele 3). Der Garten von Annemarie und Kurt Kropf wird als Waldbauerngarten bezeichnet. Er liegt idyllisch am Waldrand rechts unterhalb der Strasse von Enkenstein nach Hausen.
 
Ich war überrascht, was hier alles blüht und gedeiht. Eine Augenweide waren für mich die in allen Farben leuchtenden Blumen im Garten und die im Gras neben dem Brodenloch-Bächle blühenden Wiesenblumen wie der Klatschmohn und die Kornblumen. Sie erinnerten mich an frühere Zeiten, als wir immer wieder solche Naturkompositionen an Pflanzen auf Wiesen erblickten. Im Zuge der intensiven Landwirtschaft verschwanden diese schönen Wiesenblumen vielerorts. Nun sieht man sie zum Glück wieder auf einigen Wiesen und Wegrändern.
 
Zurück zum Waldbauerngarten. In einem Vorbericht in der „Badischen Zeitung“ las ich, dass die Besucher nicht nur die Schönheiten des Gartens betrachten sollten, sondern auch von den Beeren naschen dürfen. Als ich durch das Tor des Gartens schritt, sah ich schon Annemarie Kropf sich mit etlichen Leuten unterhalten. Bevor ich sie ansprach, ging ich rechts auf die Johannisbeersträucher zu und begann mit dem Naschen. Die roten und auch die weissen Johannisbeeren schmeckten vorzüglich und stillten den aufkommenden Durst. Später verputzte ich noch die eine oder andere Himbeere und Heidelbeere.
 
Als sich die Menschenansammlung um Frau Kropf auflöste, hielt ich mich nicht mehr zurück. Ich wollte nämlich wissen, wo die Japanische Weinbeere in ihrem Garten wächst. Sie führte mich hin und meinte, die behaarten rötlichen Blütenstände seien sehr klebrig und die Früchte noch nicht zu sehen. Die leuchtend orangeroten Früchte sind saftig, aromatisch-säuerlich und sehr schmackhaft. Sie eignen sich zur Marmeladen- und Geleeherstellung.
 
Die Japanische Weinbeere (Rubus phoenicolasius) wird auch Rotborstige Himbeere genannt und gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Das war mir nicht geläufig. Wieder etwas gelernt.
 
Weisheiten am Wegesrand
An den mit Rindenspänen belegte Wegen sind immer wieder an den Rändern Kieselsteine (Waggis) aus dem Rhein mit Weisheiten bzw. Sinnsprüchen, die zum Thema Garten passen, zu sehen. Die Beschriftungen hat Tochter Angelika mit der Hand fabriziert. Da kann der Besucher Sprüche wie diese lesen:
 
“Dumme rennen, Kluge warten, Weise gehen in den Garten.“
 
„Im Garten des Lebens ist Humor der beste Dünger.“
 
„Der kürzeste Weg zur Gesundheit ist der Weg in den Garten.“
 
„Dem Betrübten ist jede Blume ein Unkraut, dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume.“
 
„Wer vieles pflanzt und es nicht hütet, dem wird die Mühe schlecht vergütet.“
 
„Zu hegen und zu pflegen sei bereit, das Wachsen überlass der Zeit.“
„Wer einen Garten hat, lebt schon im Paradies.“
 
„Leben ist nicht genug“, sagte der Schmetterling.
„Sonnenschein, Freiheit und eine kleine Blume muss man auch haben!“
 
Während des Rundgangs entdeckte ich in einer Ecke einen Strohmann, der wohl Vögel abschrecken soll. Aber die Vögel haben sich an den Knilch gewöhnt, sie setzen sich ganz frech auf den Kopf.
 
Alant und Karde
Ausserhalb des Bauerngartens wuchsen prächtige Alantpflanzen heran. Die Wurzel des Alants (Inula helenium) enthält wie die Topinambur, Artischocke, Schwarzwurzel und Klette das Polysaccharid Inulin, ein Reservestoff, der sättigt, aber nicht vom Körper aufgenommen wird. Er erhöht auch nicht den Blutzuckerspiegel. Aus diesem Grunde wird Inulin in der diätetischen Behandlung des Diabetes eingesetzt.
 
Die Wurzel des Alants hat eine schleimlösende, hustendämpfende und leicht krampflösende Wirkung. Sie ist Bestandteil von Hustenmischungen.
 
Im Garten sah ich auch eine Pflanze, die aussah wie eine Distel. Es war jedoch keine Distel, sondern die Karde (Dipsacus sativus, D. fullonum, D. sylvestris). Diese Pflanze gehört zu den Kardengewächsen. Sie heisst deshalb so, weil die stacheligen Kardenköpfe früher zum Karden (Kämmen) der Wolle benutzt wurde. Eine solche Vorbereitung war wichtig, um Garn zu spinnen.
 
Die Kardenwurzel in Form von Tinktur oder Tee kann gegen die Borreliose eingesetzt werden, besonders dann, wenn Antibiotika nicht anschlagen. Man kann aber auch die Karde begleitend zu einer Antibiotika-Behandlung einsetzen. Die Karde hat aber noch andere Wirkungen. So stärkt sie das Immunsystem, verbessert die Verdauung und kann sogar gegen rheumatische Erkrankungen und Kopfschmerzen helfen.
 
Zupfmaschine und Holzschlitten
Nach dem Verlassen des Paradieses aus Blumen und Beeren sah ich mir die Sammlung alter landwirtschaftlicher Geräte im grossen Schopf des schön gelegenen Hofes oberhalb von Enkenstein an. Kurt Kropf sammelt diese Gegenstände seit 30 Jahren. Im Schopf entdeckte ich alte Holzschlitten, eine Stein-Schrotmühle, Mostpresse, Dezimalwaage, einen Schlauchwagen aus dem Jahre 1909, alte Schlitten (darunter ein Rossschlitten, der etwa 100 Jahre alt ist), einen Gülleschöpfer, Schleifmaschinen, Leiterwagen, eine Stiftendreschmaschine und eine Zupfmaschine.
 
Mit der von Hand zu bedienenden Zupfmaschine wurden früher, wie mir ein Besucher erklärte, Polster- und Matratzenfüllungen (Seegras und andere Materialien) aufgelockert und dann wieder verwendet. „Eine solche Maschine habe ich schon bedient, aber meine hatte einen Elektromotor“, führte der Besucher aus. Er erzählte mir noch, dass er beim Einführen des Materials in die Walze schon eine Handverletzung davontrug. Er hatte Glück, dass er die Hand rechtzeitig herausziehen konnte. Nach diesem Vorfall wurde eine Schutzvorrichtung vor der Walze an seinem Gerät platziert.
 
Es war ein lohnenswerter Besuch in einem ländlichen Paradies. Hier konnte man staunen, fühlen und an Beeren naschen. Die Besucher waren des Lobes voll. Es war nicht nur ein Wohlfühltag für die Sinne, sondern es wurde auch Kulinarisches im und ausserhalb des Schopfs der Familie Kropf geboten.
 
Hinweis auf Glanzpunkte-Artikel über Heilpflanzen von Heinz Scholz
 
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Literatur
Thieme, Evelyn; Schneider, Jutta; Will, Michael: „Blühender Schwarzwald: Gärten öffnen ihre Pforten“, Verlag Mercator, 2010.
 
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