Textatelier
BLOG vom: 09.12.2009

Zypern: Von Erlenblättrigen Eichen und Johannisbrotbäumen

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Die Moulagenbildnerin und Gartenliebhaberin Elsbeth Stoiber aus Langnau-Albis CH war vom 04.11 bis 10.11.2009 bei einem General Meeting der „Mediterranean Garden Society“ in Limassol, Zypern. Sitz der international tätigen Gesellschaft ist in Athen. Sie hat 1600 Mitglieder in vielen Ländern, nicht nur im Mittelmeerbecken, sondern auch in Südafrika, Australien, Neuseeland, Kalifornien.
 
Wie mir Frau Stoiber erzählte, war das Klima herrlich. Es herrschte eine Tagestemperatur um 25 °C, und es gab milde Nächte. Die Gartenliebhaberin erzählte von den Zyprioten (auch Zyprer genannt), die eine grosse Toleranz gegenüber Katzen an den Tag legen. Sie waren überall, aber niemand hat sie fortgejagt. Herrenlose Hunde sah sie auf Zypern nicht.
 
Zweigeteilte Insel
Kurz einige Fakten zur drittgrössten Insel des Mittelmeerraumes: Die Insel, die von 1878 bis 1960 unter britischer Herrschaft stand, ist seit 1974 zweigeteilt. Der grössere Südteil ist die Republik Zypern, die seit dem 01.05.2004 Mitgliedsstaat der EU ist; der Nordteil steht unter Kontrolle der Türkischen Republik Nordzypern. Dieser Teil wird nur von einem einzigen Staat, nämlich der Türkei, anerkannt.
 
Auf Zypern wohnen etwas mehr als 1 Million Menschen. Die höchste Erhebung auf der 9251 km2 grossen Insel ist der Mount Olympos mit 1952 m ü. M. Sehr interessant sind die Flora und Fauna auf der Insel. Es gibt dort 1800 Blütenpflanzen und 340 Vogelarten.
 
Im Naturpark Troodos wachsen Erlenblättrige Eichen, Brutia-Kiefern, Pinien, Platanen, Zedern, Steineichen und Östliche Erdbeerbäume (Arbutus andrachne). An den abfallenden Hängen des Troodos-Gebirges sind Apfel-, Birnen-, Pfirsich-, Mandel- und Nussbäume und auch Weingärten auszumachen. In vielen Gebieten der Insel prägen Zypressen, Olivenhaine und Johannisbrotbäume die Landschaft.
 
Die Erlenblättrige Eiche (Goldeiche) ist eine immergrüne Laubbaumart und wird bis zu 10 m hoch. Sie wurde im Februar 2006 zum Nationalbaum von Zypern erklärt.
 
In den Bergen leben endemisch Wildschafe und Mufflons (Ovis orientalis ophion). Diese Tiere waren fast ausgerottet und sind jetzt geschützt. Ausserdem gibt es auf Zypern ein Esel-Reservat und 2 Arten Meeresschildkröten. Auch diese sind streng geschützt. Während der Eiablage werden die von den Schildkröten ausgesuchten Strände gesperrt.
 
Höhepunkte der Veranstaltung
Das Programm der Gesellschaft konnte sich sehen lassen. Am 1. Tag wurde ein privater Garten in Delikipos und das Olympiahaus in Nicosia besichtigt. Am 2. Tag stand der Besuch der Aggi Anargyri Primary School in Larnaca auf dem Programm. Am darauf folgenden Tag besuchten die Teilnehmer die letzte authentische Verarbeitungsanlage für Johannisbrot. Am 4. Tag waren die Besuche einer mittelalterlichen Burg in Kolossi und einer Zuckermühle angesagt. Auch lernten die Gäste viel über den Wein der Insel kennen, und sie begaben sich ins Weinmuseum in Erimi. Am letzten Exkursionstag wurden die Teilnehmer mit den Aufforstungsarbeiten  im Troodos National Park konfrontiert. Ein besonderer Höhepunkt war der Besuch eines Bildhauers, der sein Atelier in einem Steinbruch hat. Er gestaltet grossartige Skulpturen aus Stein.
 
Ich stellte Frau Elsbeth Stoiber einige Fragen, die sie mir bereitwillig und ausführlich beantwortete.
 
Das Interview
Würden Sie einmal kurz schildern, welche Ziele sich die „Mediterranean Garden Society“ gesteckt hat?
 
Die Ziele der Gesellschaft sind Folgende: Erfassung von guten Gärten an Orten mit Mittelmeerklima; Vermeidung von Wasserverschwendung durch die Wahl einheimischer Pflanzen und durch Bodenbearbeitung (Hacken) und Bodenbedeckung (Mulch). Entsprechende Anleitungen erfolgen durch Veranstaltungen, Vorträge, das Bulletin und über die Hompage (hier können Fragen an das wissenschaftliche Team gestellt werden). Infos bekommen die Mitglieder zur Gestaltung neuer Gärten, aber es werden auch Besitzer von Gartenbaubetrieben motiviert, einheimische und besonders endemische Pflanzen anzubauen.
 
Weitere Aufgaben der Gesellschaft: Verbreitung biologischer Methoden zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen, Austausch von Pflanzen und Samen im Kreis der Mitglieder, Anleitung zur Bodenverbesserung mit natürlichen Mitteln (Fruchtschalen, Mineralien, Trester, Häckselgut von Opuntien, Vermiculit u. v. a. m.).
 
Sie besuchten auch die Agii Anargyri Primary School in Larnaca. Was wird in dieser Schule vermittelt?
 
An dieser Schule hat uns alle begeistert, dass die Schüler unter Anleitung selbst den Schulgarten mit einheimischen Pflanzen gestalten und auch pflegen. Nur so kann man eine echte Beziehung zur Umwelt und den drohenden Gefahren erreichen. Viele unsere Mitglieder wollen diese Methode in ihren Ländern anwenden.
 
Für Sie sicherlich interessant war der Besuch der letzten authentischen Verarbeitungsanlage für die Früchte des Johannisbrotbaums (Ceratonia siliqua). Würden Sie uns einmal Ihre Eindrücke in dieser Mühle beschreiben und aufzeigen, welche Produkte dort hergestellt werden?
 
Der Besuch der letzten Johannisbrotmühle hat Kindheitserinnerungen geweckt. Damals war das Johannisbrot ein sehr teures und seltenes Naschwerk. In den Ursprungsländern diente es als Futter für Huftiere, vor allem für Pferde und Esel. Auf Mallorca gibt es heute noch einen Likör (Palo), der nach altem Rezept aus Johannisbrot hergestellt wird. Die Bäume sind sehr gross, immergrün und sehr prächtig. Die Früchte fallen ab und werden meistens nicht einmal mehr eingesammelt. Das Carob- und Carobkernmehl findet man als Kakaoersatz in unseren Reformhäusern.
 
In der Verarbeitungsanlage konnten wir sehen, wie der dickflüssige Saft aus den Früchten gepresst und als Sirup in Flaschen abgefüllt wird. Wenn er vollkommen eingedickt wird, entstehen gelbliche Stücke, die man wie Bonbons lutschen kann.
 
Bekannt ist die Merkwürdigkeit, dass die Samen ein konstantes Durchschnittsgewicht haben (Gewichtsunterschiede nur 5 %). In der Antike dienten die Samen als Wägeeinheit für Diamanten. Daran erinnert noch heute die Bezeichnung Karat (1 Karat ist 0,2 g).
 
Sie besuchten auch ein Weinmuseum in Erimi, eine Olivenölmühle und ein Museum in Anogyra. Würden Sie mir Ihre Eindrücke schildern? Was wurde zum Mittagessen (Lunch) in der Olivenölmühle geboten?
 
Im Weinmuseum waren wir erstaunt, wie viele verschiedene Traubensorten angepflanzt und zu Wein verarbeitet werden. Mein Lieblingswein war der ,Commandaria’, dessen Trauben am Fuss des Troodos-Gebirges wachsen und der schon von den Kreuzrittern gekeltert wurde. Er ist ein sehr kräftig-herber Dessertwein. Die Reben sind auf Terrassen zusammen mit Sträuchern der Rosa damascena trigintipetala gepflanzt. Aus den Rosen wird in einer kleinen Destillerie Rosenwasser produziert.
 
Die Olivenmühle ist aufgebaut wie die meisten solcher Mühlen, die ich in Spanien und Italien gesehen habe. Zum Lunch gab es das wunderbare griechische Essen mit Salaten, gebratenem Gemüse, Fleischbällchen, Joghurt mit Gurken, Tomaten, Spinat, Kichererbsenbrei und Wein von der Insel. Dazu wurde dunkles Weizenbrot und sanftes Olivenöl mit ein wenig Meersalz gereicht.
 
Zypern ist die waldreichste Insel im gesamten Mittelmeerraum. Das Troodos-Gebirge wird ja als der „Schwarzwald“ von Zypern bezeichnet. Stimmen diese Aussagen? Wie ich hörte, gab es durch Waldbrände eine Verminderung der Waldflächen, aber auch durch Rodungen der Engländer, die Platz schafften für den Asbestabbau (es wurden von 1904 an 130 Millionen Tonnen Gestein abgebaut und 1 Million Tonnen Asbestfasern gewonnen). Welche Anstrengungen zur Wiederaufforstung wurden bisher getroffen?
 
Es gab und gibt noch schreckliche kahlweisse Hänge. Nach der Einstellung des Asbestabbaus 1988 wurde erst jetzt mit der Aufforstung begonnen. Wir sahen die Anzucht von einheimischen Baumarten, hauptsächlich der immergrünen Erlenblättrigen Eiche (Quercus alnifolia), der Kiefer (Pinus brutia) und einer einheimischen Zedernart. Es sind wunderschöne Bäume. Es werden terrassenförmige Anpflanzungen vorgenommen. Mitarbeiter der Gesellschaft schützen die jungen Pflanzen durch eine intelligente Mischung von Pflanzenfasern und einem organischen Leim. Wir waren beeindruckt von der grossen Mühe, die angewendet wird. Die Aufforstungen werden von der Inselregierung bezahlt.
 
Was waren für Sie die Höhepunkte der Veranstaltung? Konnten Sie einige Tipps für Ihren eigenen schönen Garten „Rosenstöckli“ auf dem Albis-Pass mitnehmen? Wie war die Resonanz der anderen Teilnehmer zu den Exkursionen?
 
Zu den Höhepunkten der Veranstaltung zählten der Besuch des riesigen Grundbesitzes eines wohlhabenden Zyprioten, der sein Gelände mit nur einheimischen Pflanzen gestaltet hat und viele Haustiere, wie u. a. Pferde, Esel, Schafe, Geflügel, in vorbildlicher Haltung pflegt.
 
Höhepunkte waren natürlich auch die Schule und die Wiederaufforstung des Troodos-Gebirges. Grossartig war der Vortrag der Präsidentin der Sukkulentengesellschaft von Zypern, Mary Michaelides, über die Verwendung wasserspeichender Sukkulenten, die wenige Ansprüche stellen und sehr schön sind. Alle Teilnehmer der Exkursionen waren begeistert und konnten viele Anregungen und Ratschläge für ihre eigenen Gärten mitnehmen.
 
Für meinen eigenen Garten Rosenstöckli im nordalpinen Klima konnte ich viele Tipps mitnehmen als Warnung, was zu tun ist, wenn auch bei uns Wassermangel herrschen sollte.
 
Frau Stoiber, ich bedanke mich sehr herzlich für das Interview.
 
Internet
de.wikipedia.org/wiki/Zypern
 
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