Textatelier
BLOG vom: 06.12.2009

Woher kommen Redensarten? „Das geht auf keine Kuhhaut."

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Vor einigen Tagen kam mein 9 1/2-jähriger Enkel Manuele zu mir und wollte wissen, was die Redensart „Nicht von schlechten Eltern sein“ bedeutet. Nun, ich gab ihm eine etwas eigenwillige und von mir nicht ganz korrekte Erklärung. Ich fragte ihn noch, woher er diesen Spruch gehört habe. Er antwortete: „Von einem Videospiel.“
 
Da ich ja ein besonders schlaues Buch von Krüger-Lorenzen mit dem Titel „Deutsche Redensarten – und was dahinter steckt“ in meinem Bücherregal an vorderster Front habe, sah ich nach und konnte die folgende Erklärung finden:
 
Die Redensart bedeutet: Das lässt nichts zu wünschen übrig. Der Spruch wird jedoch niemals gesagt, dass eine Person aus einem guten Elternhaus stammt. „Aber es soll freilich bedeuten, dass das Angesprochene von bester Abstammung sei.“ Es gibt auch die Redewendung „Der Witz ist nicht von schlechten Eltern“ oder, wenn ich an meine Schulzeit denke, da bekamen wir Ohrfeigen, die nicht von schlechten Eltern waren. Nach einer Party oder Weinverkostung wird so mancher vielleicht sagen: „Der Wein war nicht von schlechten Eltern“, also besonders kräftig oder feinschmeckend.
 
Der Berliner hat einen ganz amüsanten Tipp: „Man kann in der Wahl seiner Eltern nicht vorsichtig genug sein“. Nun, da man seine Eltern ja nicht aussuchen kann, jedoch seine Freunde, hat der Berliner folgende Erklärung parat: Ein gut situierter Mann, der schon bei der Geburt günstige Voraussetzungen gehabt hat, war bei der Wahl seiner Eltern sehr vorsichtig. Dieser kann sich „in ein gemachtes Bett legen“.
 
Macht ein Jüngling, der in ärmlichen Verhältnissen geboren wurde, seinen Eltern einen Vorwurf, dann ist der junge Bursche „seinen Eltern über den Kopf gewachsen“. Dies bedeutet, dass die Eltern keine Macht mehr über den Sohn haben. Dies beobachtet man heute immer mehr.
 
Der Sinn der meisten Redensarten ist den Gebildeten und auch Nichtgebildeten bekannt. Nur über die Herkunft weiss kaum jemand Bescheid. Das geht mir auch so. Viele Redensarten stammen aus dem Mittelalter, haben aber auch 2 oder mehrere Deutungen. Es ist so, dass manche Redensart ständig neuen Wendungen ausgesetzt ist. So haben sich besonders in der Seemanns-, Teenager- und Gaunersprache neue Redewendungen oder Abwandlungen davon etabliert. Aber das ist eine andere Sache. Wir wollen einige bekannte Redensarten näher unter die Lupe nehmen.
 
„Einen in den Sack stecken“
Auch tauchte immer wieder die Frage auf, was denn die Redensart „Einen in den Sack stecken“ bedeute. Diese ist hergeleitet vom mittelalterlichen Ringkampf, bei dem der Sieger den Besiegten zur Volksbelustigung in den Sack steckte.
 
Nun diese Redensart hörte ich schon in der Schule. Da brüstete sich der eine oder andere vermeintliche Mathematikgenie: „Da stecke ich Euch in den Sack.“ Peinlich war es dann, wenn die anderen doch bessere Noten schrieben. Oder in Betrieben wird manchmal gesagt: „Unser Abteilung steckt die Anderen in den Sack.“
 
„Einem den Garaus machen?“
Woher stammt eigentlich die Redensart „Einem den Garaus machen?“ Hier die Erklärung: Die Redensart hatte früher eine mildere Bedeutung als heute. Wollte man im Wirtshaus den Zechbruder zum Austrinken veranlassen, prostete man ihm mit den Worten „Gar aus!“ zu. Daher der Sinn „Schluss machen“, „etwas zu Ende bringen“. In einigen Schenken wurde die Polizeistunde mit dem „Garaus-Ruf“ angekündigt.
 
„Das geht auf keine Kuhhaut“
Unbeschreiblich ist das, wenn man an die Grenze des Unzumutbaren geht. Die dazu passende Redensart heisst: „Das geht auf keine Kuhhaut“.
 
Auch diese Redensart entstand im Mittelalter. Verbrecher wurden auf einer Kuhhaut zur Richtstätte geschleift. Ehebrecherinnen wurden sehr hart bestraft. Sie wurden in eine Kuhhaut genäht und in einem Fluss oder Teich ertränkt. „Was auf eine Kuhhaut geht, erscheint schlimmer als übelster Rechtsbruch“, wie Kurt Krüger Lorenzen erwähnt.
 
Aus dem Leben eines Politikers
Der Politiker ist glatt wie ein Aal. Sobald er mit unangenehmen Sachen aus seinem Privatleben konfrontiert wird, windet er sich wie ein Aal. Stellt ein Reporter eine für ihn unangenehme Frage, dann lässt er ihn abblitzen (das passierte kürzlich bei der Vorstellung des neuen Aussenministers Guido Westerwelle, als ein englischer Reporter eine Frage nicht in Deutsch stellte). Parteifreunde meinten später, er sei ein abgebrühter Kerl.
 
Dann gibt es Politiker, die einem über die Achsel ansehen, und manche haben sogar einen Affen. Wiederum andere sind so gewieft, dass sie etwas aus dem Ärmel schütteln können. Und Silvio Berlusconi und diverse andere Politiker bändeln gerne mit jemand an. Und was macht die Opposition? Hier wird der eine oder andere Staatsdiener versuchen, jemandem etwas anzuhängen.
 
Im vorangegangen Text sind 9 verschiedene Redensarten versteckt. Hier die Erklärung:
„Glatt wie ein Aal“  bedeutet aalglatt, schlüpfrig, listig, schlau, gerieben, diplomatisch, durchtrieben, raffiniert, doppelzüngig. Es ist ein Mensch, der immer wieder entschlüpft, wenn man ihn gefasst zu haben glaubt.
 
„Sich winden wie ein Aal“: Es ist ein Mensch, der sich aus einer peinlichen Lage herauswindet oder Schwierigkeiten entkommt.
 
„Einen abblitzen lassen“ bedeutet, jemanden schroff abweisen oder eine scharfe Antwort geben. Herkunft: „Bei den alten Schiessgewehren blitzte das Pulver auf der Gewehrpfanne ab, ohne dass der Schuss losging. Dieser Vorgang wurde zum Bild für die unvermittelte Abfuhr“ (Krüger).
 
„Ein abgebrühter Kerl“ ist ein kaltschnäuziger, empfindungsloser, zynischer Mensch. Also ein Mensch, der sich nicht aus der Ruhe bringen lässt.
 
„Jemand über die Achsel ansehen“ bedeutet, einen Menschen geringschätzig anzusehen, zu verachten.
 
„Einen Affen (sitzen) haben“ bedeutet, dass derjenige betrunken ist. Herkunft: „Das seltsame Wesen eines Menschen wird nach altem Volksglauben durch einen Dämon oder ein Tier verursacht, das in den Wunderlichen hineinschlüpft. Dass es beim Trunkenen der possierliche, spassige Affe ist, kann man leicht einsehen“ (Krüger).
 
„Etwas aus dem Ärmel schütteln“ bedeutet, dass etwas vermeintlich Schwieriges leicht, mühelos und spielend überwunden wird.
 
Herkunft: „Der Ausdruck erklärt sich aus der spätmittelalterlichen Mode der weiten, taschenförmigen Ärmel, aus denen manchmal Überraschendes zutage gefördert wurde“ (Krüger).
 
„Mit jemand anbändeln“ bedeutet, eine Liebelei beginnen. Die Redensart entstand wohl nach der einstigen Sitte, als sich Verliebte als Symbol für Freundschafts- und Liebesbande gemalte Bänder schenkten. Wer also anbändelt, möchte sich dem anderen nähern.
 
„Jemand etwas anhängen“ bedeutet Nachteiliges erzählen, verleumden.
 
Herkunft: „Im Recht des Mittelalters waren sinnfällige, oft drastische Strafen üblich. Dem Rechtsbrecher wurde, beispielsweise ein anschauliches Zeichen seines Strafanlasses um den Hals gehängt. Dem Dieb der gestohlene Gegenstand, Trinkern ein Flasche (jedoch eine leere!), zänkischen Weibern ein Besen und Buhlerinnen Steine von obszöner Form. Während aber damals den Missetätern etwas `angehängt` wurde, was auf ihr Vergehen deutete, so wird heute mit der Redensart gerade der gemeint, dem zu Unrecht etwas ,angehängt’ wird“ (Krüger).
 
Der gute Esser
Ich kenne in meinem Bekanntenkreis ganz gute Esser. Die haben einen unbändigen Appetit. Man könnte auch diese mit einer Redensart beglücken, nämlich so: „Essen wie ein Scheunendrescher“. Diese Redensart bedeutet, dass jemand einen grossen Hunger hat, gierig und hastig isst. Die Redensart entstand so: Früher mussten Landarbeiter die nicht leichte Arbeit des Dreschens verrichten. Sie wurden auch als Scheunendrescher bezeichnet. Und nach getaner Arbeit hatten die Burschen einen gehörigen Hunger.
 
Schuster, bleib bei deinen Leisten
Die Redensart „Schuster bleib bei deinen Leisten“ besagt, dass jemand von Dingen spricht, von denen er nichts versteht. Man solle sich auch an nichts heranmachen, was man nicht gelernt hat. Erst kürzlich sprachen wir über Politiker, die ein Ministeramt übernehmen, von denen sie nichts verstehen. Aber die haben ja ihre Berater.
 
Die Redensart geht auf den griechischen Maler Apelles (4. Jahrhundert v. u. Z.) zurück. Der Freund Alexander des Grossen hatte einen Schuster gemassregelt, der auf einem seiner Gemälde die Schuhe und sich auch über andere Dinge abfällig geäussert hatte.
 
Dies war nur eine kleine Auswahl von Sprüchen. Aber vielleicht achten wir in Zukunft mehr auf Redensarten im deutschen Sprachgebrauch. Man wird sich wundern, wie viele kursieren und welchen Ursprung sie haben.
 
Internet
 
Literatur
Krüger-Lorenzen, Kurt: „Deutsche Redensarten – und was dahinter steckt“, VMA-Verlag, Wiesbaden 1960.
 
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