Textatelier
BLOG vom: 10.01.2008

Jugendkriminalität in D: „Warnschussarrest“ für Schläger?

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Kurz vor Weihnachten 2007 wurde der Rentner Bruno N. (76) von Serkan A. und Spiridon N. aus München im U-Bahnbereich übel beschimpft und dann zusammengeschlagen, nachdem er sich über das Rauchen der Jugendlichen beschwert hatte. Die Tat wurde mit einer Überwachungskamera aufgenommen und der Film dann in allen Fernsehkanälen und auch im Internet verbreitet. Einige Tage später wurden der Türke und der Grieche verhaftet. Das Opfer hatte Glück, weil es den brutalen Übergriff überlebt hat. Im Krankenhaus stellten die Ärzte einen Bluterguss in der rechten Augenhöhle und Frakturen im Gesichtsbereich fest. Die Schläger zertrümmerten mit Faustschlägen und Fusstritten das Schläfenbein, das Keilbein und das Jochbein. Es wurde eine traumatische Blutung im Hirnbereich festgestellt. Eine solche Blutung kann lebensbedrohlich sein.
 
Wenige Tage später folgten weitere Schlägereien in U-Bahnen von München und Frankfurt am Main. In Frankfurt wurde sogar ein Lokführer von 7 ausländischen Jugendlichen im Alter von 17 bis 21 Jahren krankenhausreif geschlagen. Er erlitt eine Gehirnerschütterung und Prellungen am ganzen Körper. Die Gewalttäter wurden bald darauf verhaftet. Unglaublich, was dann geschah: Die Staatsanwaltschaft liess die Schläger wieder laufen. Die fadenscheinige Begründung lautete: „Kein Haftgrund. Es war keine Tötungsabsicht vorhanden gewesen.“
 
Eine mir bekannte Frau aus München hat Angst davor, die U-Bahn auch am helllichten Tag zu benützen. Da sie kein Auto besitzt und in einem Aussenbezirk wohnt, ist sie auf die U-Bahn angewiesen. Sie wird jetzt ihre Fahrten reduzieren. Abendliche Fahrten hatte sie schon längst aufgegeben. Wenn sie einmal ins Theater gehen möchte, nimmt sie sich ein Taxi. In früheren Zeiten, als noch die „Schwarzen Sheriffs“ in den U-Bahnen waren, gab es erheblich weniger Straftaten. Wegen der Kosten wurden die Sheriffs wieder verabschiedet. Viele Leser der Münchner Zeitungen äusserten ihren Unmut darüber. Für zusätzliche Kontrollen haben die Münchner kein Personal übrig. Dafür schickt die Münchner Verwaltung jetzt Beobachter in die Wirtshäuser, um Verstösse gegen das Rauchverbot zu dokumentieren und zu ahnden. Das ist ihnen wohl wichtiger als das Wohl und die Sicherheit der Bevölkerung. Die Sicherheit ist selbst auf Friedhöfen in München nicht mehr gegeben. In der Vergangenheit gab es schon Raubüberfälle und Diebstähle von Grabschmuck.
 
Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) überwacht übrigens mit 800 Kameras die Anlagen flächendeckend. In den Waggons sind jedoch keine Überwachungskameras installiert. Die Züge werden erst 2010 nachgerüstet. Es sind bisher nur 6 Leute für die 800 Kameras zuständig.
 
Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler machte jetzt einen Vorschlag: Einsetzen von durchsetzungsfähigen Wachpersonen in den Waggons. Wenn die Stadt München kein Geld bereitstellen kann, dann könnte man einen Sicherheitsaufschlag auf jeden Fahrschein von 10 Cent erheben.
 
Was kann der Einzelne tun?
Der „Bayerische Rundfunk“ gab den U-Bahnfahrern einige vernünftige Verhaltenstipps mit auf den Weg: Wenn eine Straftat beobachtet wird, sofort die Polizei rufen (110 in Deutschland) und nicht den Helden spielen. Immer wieder werden Menschen, die anderen zu Hilfe eilen, selbst Opfer von brutalen Schlägern. Christian Pfeiffer sagte in einem Gespräch mit Radio Bayern 1 dies: „Die wichtigste Regel ist: Nichts auf eigene Faust machen. Stattdessen lieber aufstehen und sagen: ,Helft`s zusammen!´“ Man sollte auch die gewaltbereiten Täter nicht provozieren und sie, wenn nötig, mit „Sie“ ansprechen.
 
Da oft der Handy-Empfang nur in wenigen Zwischengeschossen oder Stationen möglich ist, sollten Beobachter von Schlägereien die Notruf-Knöpfe auf den Bahnhöfen und an den Wagen-Türen bedienen.
 
Übergriffe waren ein Tabuthema
Bisher waren Übergriffe dieser Art ein Tabuthema. „Jetzt, nach dem Überfall kurz vor Weihnachten auf den Münchner Renter Bruno N., wird offen darüber geredet, dass in unserem Land etwas schief läuft“, bemerken Jan Schütz und Christian Stenzel in der Online-Ausgabe von „Bild“.
 
Die Zeitung „Bild“ kürte kürzlich Deutschlands mutigsten Staatsanwalt, den Berliner Oberstaatsanwalt Roman Reusch. In einem Vortrag über Jugendkriminalität bei der Hanns-Seidel-Stiftung äusserte er etwas, was andere nicht zu sagen wagten, nämlich dies: Jugendliche Ausländer werden schon als Kinder in ihren Familien als Straftäter herangezogen. Als er in die ARD-Talkshow „Hart, aber fair“ von Frank Plasberg eingeladen wurde, bekam er ein Auftrittsverbot von seinem Chef. Der Chef wollte persönlich kommen, was jedoch von der ARD abgelehnt wurde.
 
Auch Mädchen schlagen und würgen
Auch bei uns im Landkreis Lörrach oder in der nahen Schweiz häufen sich in letzter Zeit die Schlägereien. Fast täglich stehen mehrere solcher Straftaten in der Zeitung. Als ich die „Badische Zeitung“ vom 07.01.2008 las, konnte ich folgende Überschriften lesen: „Zwei gegen drei“ (2 Brüder schlugen an einer Tankstelle in Geislingen grundlos auf 3 Menschen ein), „Mädchen gegen Mädchen“ (5 Mädchen haben in Schwetzingen zwei 13 und 14 Jahre alte Teenager geschlagen und gewürgt), „18-Jährige auf offener Strasse niedergestochen“ (die Jugendliche wurde von einem Unbekannten in Schwetzingen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt), „Zusammengeschlagen“ (in Warmbach wurde ein 26-Jähriger von mindestens 5 Personen verletzt), „Disco-Streit“ (in Sissach CH wurde ein Angestellter durch einen Faustschlag am Auge verletzt. Er wollte einen Streit schlichten).
 
Am 02.01.2008 wurde auf der Busfahrt von Bad Säckingen nach Schopfheim eine Frau sexuell von einem Jugendlichen belästigt. Einer aus der Dreiergruppe (Deutsche und ein „Südländer“) betatschte die Frau; dann verliessen sie den Bus in Wehr.
 
Auch in Frankreich (Anzünden von Autos, Überfälle, Morde. Auf dem Prachtboulevard Champs Elysées trauen sich jetzt immer weniger Franzosen oder Urlauber, am Abend dort zu flanieren), England (Morde unter Jugendlichen), Lateinamerika (in Mexiko soll es 50 000 Jugendbanden geben), USA (700 Jugendbanden in einem US-Bundesstaat) und in anderen Ländern häufen sich die kriminellen Übergriffe (in Südafrika gibt es 130 Mal mehr Morde als in Deutschland!). Die meisten Programme zur Reduzierung von Straftaten haben nichts genutzt.
 
Warum nicht ausweisen?
Ich finde es wichtig, dass die Wahrheit über die Straftaten schonungslos auf den Tisch kommen muss. Was mich stört, ist die Herumeierei der Politiker, die immer dann nach Lösungen schreien, wenn besonders brutale Straftaten vorliegen oder eine Wahl bevorsteht. Letzten Endes ändert sich doch nichts.
 
Das Volk denkt ganz anders. Bei allen meinen Gesprächen mit Bekannten aus München und Umgebung, aber auch hier in meinem Umfeld, kristallisierte sich heraus, dass alle für schärfere Massnahmen sind und bei Wiederholungstätern eine Abschiebung vonnöten ist. Ich frage mich immer wieder, warum mehrmals straffällige Migranten nicht abgeschoben werden können. Vor Jahren hatte Bayern erhebliche Mühe, den Türken Mehmet abzuschieben, obwohl er über 60 Straftaten auf dem Kerbholz hatte.
 
Auch in der Schweiz gibt es Tendenzen, solche Straftäter auszuweisen. Christoph Blocher von der SVP, der kürzlich als Justizminister überraschend aus der Regierung abgewählt wurde, ist ebenfalls für eine Abschiebung von straffällig gewordenen Ausländern. Blocher wurde darauf erheblich von anderen Parteimitgliedern kritisiert. Wie Walter Hess betonte, haben Abschiebungen von kriminellen Eingewanderten nichts mit Ausländerfeindlichkeit zu tun. Ich bin derselben Meinung. Wer irgendwo Gastrecht in Anspruch nimmt, soll sich bitte anständig verhalten.
 
Ministerpräsident fordert härtere Strafen
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) fordert härtere Strafen und eine schnelle Abschiebung krimineller Leute. Kaum gesagt, wurde er vom politischen Gegner scharf angegriffen, und er bekam zu hören, er „fische am rechten Rand“ und gehe „auf Stimmenfang im Wahlkampf“ (in Hessen findet demnächst die Landtagswahl statt). Es sind in der Tat „schwarz-rote“ Machtspiele („schwarz“ gilt für die CDU, rot für die SPD). Roland Kochs Vorgehen wird vom SPD-Vorsitzenden Kurt Beck als Rechtspopulismus bezeichnet. Der CDU-Generalsekretär Ronald Profalla sagte, die Vorwürfe seien absurd. Die SPD hätte aus rein ideologischen Gründen ein Problem mit der inneren Sicherheit. Thomas Hauser von der „Badischen Zeitung“ (08.01.2008) betonte im Tagesspiegel, Roland Koch greife in die „rechtspopulistische Blendwerkskiste“. Dann bemerkte der Journalist, dass die Vorschläge von Koch geeignet seien, die Volksseele zu beruhigen. Das Problem würde jedoch nicht gelöst.
 
Auch der bayerische Ministerpräsident Günter Beckstein wiederholte in der Talkshow „Anne Will“ am 06.01.2008 seine Forderung nach Abschiebung, wenn die Täter aus Migrantenfamilien stammen. In der Talkshow kam auch der Kriminologe Christian Pfeiffer zu Wort. Er behauptete, die Jugendkriminalität sei rückläufig, nur die Gewaltdelikte seien angestiegen.
 
Sind Haftstrafen wirksam?
Die Forderung nach schärferen Gesetzen ist nach Angaben der Juristen nicht notwendig, da die vorhandenen angeblich ausreichen. Wichtig ist, dass diese konsequent umgesetzt werden. Aber in der Praxis ist dies nicht immer der Fall. Da werden bestimmte Vergehen von Jugendlichen nicht geahndet, oder die Täter erhalten Bewährungsstrafen. Wie kann es sein, dass der im Anfang erwähnte Türke schon viele Straftaten auf dem Buckel hat und immer noch frei herumläuft? Vielleicht wurde er deshalb geschont, weil er ein Kind hat und als „liebevoller“ Vater gilt.
 
Immer mehr fordern jetzt den Aufbau von Erziehungscamps nach US-amerikanischem Muster oder Warnschussarreste (also 1 bis 2 Wochen Knastaufenthalt).
 
In der TV-Sendung „Anne Will“ kamen 2 ehemalige Schläger zu Wort. Der kurze Gefängnisaufenthalt war für beide eine einschneidende Erfahrung. Die Abschreckung hat bei ihnen gewirkt. Sie beendeten ihre kriminelle Karriere.
 
In der Sendung trat auch Petra Peterich, eine 63-Jährige Sozialpädagogin aus Lüneburg, auf. Sie hat schon viele straffällig gewordene Jugendliche vor Gefängnisstrafen bewahrt. Sie gab auch zu, dass sich ein Gefängnisaufenthalt gut auf die Entwicklung der straffällig Gewordenen auswirken könne. Der Gefängnisarzt Joe Bausch sagte: „Gewalttäter gleichen sich unabhängig der Nationalität. Sie stammen meist aus sozialen Randgruppen. Es ist ein soziales, kein ethnisches Problem.“
 
Erwiesen ist jedoch dies: Die Gewaltbereitschaft ist in ausländischen Randgruppen stärker als in der deutschen Unterschicht. Oft sind die späteren Gewalttäter Schul- und Ausbildungsabbrecher oder kommen aus chaotischen Familienverhältnissen. Ich frage mich: Warum kann man die Straffälligen nicht zu einem Schulabschluss oder zu einer Ausbildung verdonnern, damit sie auf neue Gedanken kommen?
 
Wenn alles nichts fruchtet, könnte man die Täter zu einer Arbeit zwingen. Es gibt nämlich genug zu tun im Sozialdienst, bei der Stadtreinigung, Müllentsorgung und in landwirtschaftlichen Betrieben (Erntehelfer) usw. Die Täter sollten solange arbeiten, bis der Schaden, der bei einer Sachbeschädigung angerichtet wurde, beglichen ist, oder sie müssten den angerichteten Schaden selbst beheben. Wird beispielsweise ein Grafitti-Schmierer erwischt, dann sollte er so lange schrubben und streichen, bis die Verunstaltung nicht mehr sichtbar ist. Bei Körperschäden sollte das Opfer entschädigt werden. Aber ein möglicher Arbeits- oder Ausbildungszwang ist in den Augen der Politiker schon Freiheitsberaubung. Den „armen“ Täter kann man doch nicht zur Arbeit zwingen ... Auch beim Strafmass werden viele Täter mit Samthandschuhen angefasst. So gibt es immer wieder milde Urteile mit folgenden Begründungen: „Gebt doch den Heranwachsenden noch eine Chance.“ „Er hatte doch eine schlechte Jugend.“ „Er trank vor der Tat Alkohol zur Frustbewältigung“ usw.
 
Härter als Knast – aber ohne Gitter
Die Online-Ausgabe des „Spiegels“ berichtete am 08.01.2008 unter der Schlagzeile „Härter als Knast – aber ohne Gitter“ über das sehr erfolgreiche Seehaus Leonberg. Es ist eine Einrichtung für straffällig gewordene Jugendliche und eine Alternative zum Knast und Eintrittskarte für ein geregeltes Leben. Und das ohne Drill. Alles wird strikt nach Plan durchgeführt. Tagsüber arbeiten die Burschen am Bau, besuchen die hauseigene Berufsschule. Bei Unpünktlichkeit gibt es Punktabzug. Der Tagesablauf sieht so aus: Frühsport um 5.45 Uhr, danach Frühstück, Putzen, ab 8.15 Uhr Arbeiten am Bau, um 22.00 Uhr geht es ins Bett. Die Jungs sind dann so müde, dass sie todmüde ins Bett fallen. Tagsüber kommt auch keine Langeweile auf. Da das ganze Areal nicht umzäunt ist, könnten die Jugendlichen jederzeit weglaufen, sie tun es aber nicht. Ich finde, solche Einrichtungen sollten vermehrt als Alternative aufgebaut werden.
 
Was Neurobiologen sagen
Werner Siefer, Focus-Redakteur und Buchautor, publizierte zusammen mit dem Neurowissenschaftler Hans Markowitsch das Buch „Tatort Gehirn“. Er betonte in der Online-Ausgabe von „focus“ (08.01.2008), die Neurowissenschaftler hätten schon längst eine Antwort auf die Frage „Wie verhindert man Gewaltkarrieren?“. Er plädiert für eine Prävention, die in Armutsvierteln angesetzt werden muss. Die Autoren betonten in ihrem Buch, dass die kriminellen Karrieren mit der Geburt beginnen. Spätere Gewalttäter wachsen nämlich immer in sozialen Brennpunkten heran. „Dort erfahren sie oft schon als Baby emotionale Vernachlässigung, schlimmstenfalls Misshandlungen. Statt fürsorglicher Eltern erleben sie als Rollenmodell nicht selten depressive Mütter und grundlos auf sie einprügelnde, alkoholkranke Väter. Ihnen fehlt folglich nicht die richtige Erziehung, sondern sie nehmen die unterlassene für die richtige. Das ist ein gewichtiger Unterschied. Denn im menschlichen Gehirn sitzen gleichsam Schaltkreise fürs Sozialverhalten, die nur darauf warten, mit Regeln gefüttert zu werden und daran auszureifen. Bilden körperliche Gewalt, Misstrauen, Lüge oder Diebstahl das tägliche Erleben, so wird dies ein Kind bald zur Basis des eigenen Verhaltens erheben.“ Siefer betonte noch, dass was bis zur Pubertät an Sozialverhalten nicht gelernt wurde, später schwer aufzuholen ist.
 
Die Autoren schlagen Betreuungseinrichtungen vor, welche die Normen und Werte der Gesellschaft dem Heranwachsenden vermitteln. Solche erfolgreiche Projekte gibt es bereits, aber es sind viel zu wenige. Sie leisten hervorragende Arbeit.
 
Private Initiativen erfolgreich
Und zum Schluss noch einige Auszüge von Leserbriefen aus der Online-Ausgabe des „Münchner Merkurs“ vom 07.01.2007:
 
Marcus Dannapfel aus Erding D schrieb: „In den letzten Tagen kann einem die Galle hochkommen, wenn man hören und lesen muss, welche Statements verschiedene Politiker in Bezug auf die Münchner U-Bahn-Schläger von sich geben. Medien- und publikumswirksam wird nach einer Verschärfung von Strafgesetzen geschrieen. Zugleich sind dieselben Politiker aber dabei, auf Biegen und Brechen eine Polizeireform durchzusetzen, welche die Dichte von Polizeibeamten im ganzen Land auf ein absolutes Minimum ausdünnen wird.“
 
Ein anderer Leser lehnt das Zeigen von Bildern im Fernsehen ab, weil dadurch gewaltbereite Jugendliche animiert werden, Taten zu begehen, damit sie sich brüsten können.
 
Franz Hottenroth aus Maisach D beklagt sich darüber, dass die Polizei keinen brauchbaren Hinweis publiziert hat, wie sich der clevere Mitpassagier richtig verhält.
 
Dr. Volker Rausch aus Seeshaupt D ist nicht für härtere Strafen, weil die Rückfallquoten auch dann sehr hoch sind. Dazu einige Zahlen: Bei den Besuchern von Erziehungscamps mit ihren gefürchteten Drillmethoden in den USA betrug die Rückfallquote etwa 66 %. Warnarreste brachten eine Rückfallquote von 71 %. Bei Jugendlichen mit Bewährungsstrafen betrug die Quote 55 %. „Wirklich erfolgreich sind bisher nur einige privat durchgeführte Projekte wie z.B. das Boxcamp von Lothar Kannenberg und ein Camp eines Deutschen auf einer kleinen Insel in Mittelamerika. Die Rückfallquoten liegen hier bei rund 20 %“, so der Leserbriefschreiber.
 
Der Schreiber bemängelte auch die lange Zeit bis zur Urteilsverkündung. Meist vergehen bis 200 Tage, da ist der Erziehungserfolg dahin. Das ist auch meine Meinung.
 
Dann schrieb er noch etwas ganz Wichtiges. Da bereits die späteren Intensivtäter schon im Alter von 10 bis 14 Jahren kriminelle Energien entwickeln, sollte man diese Altersgruppe besser therapieren. Des Weiteren schreibt Dr. Volker Rausch: „Um jedoch künftig den Anteil der jugendlichen Straftäter abzusenken, muss bereits frühzeitig mit der Erziehungseinwirkung begonnen werden, d. h. in den Kindergärten und Schulen. Hierzu ist freilich zusätzliches qualifiziertes Personal erforderlich. Dies ist aber immer noch erheblich billiger als teure Haftanstalten. Allerdings lassen sich damit keine schnellen Erfolge erzielen, die sich die Politiker dann zuschreiben können.“
Die ausführlichen Leserbriefe finden Sie unter http://www.merkur-online.de/876352 .
 
Die Leserbriefe sagen eigentlich vieles aus, was bisher schief gelaufen ist. Und es gibt in der Tat wirksame Alternativen. Sie sind jedoch kostspielig und dürften kaum den Politiker jenseits des Wahlzettels interessieren. Oder täusche ich mich da?
 
Eltern sollten Verantwortung übernehmen
Am 09.01.2008 wurden auch in der „Badischen Zeitung“ zum Thema eine ganze Reihe Leserbriefe abgedruckt. So schrieb Manfred Wernert aus Heiligenzell, dass Eltern ihre Verantwortung wahrnehmen sollen. „Vor dem Erfolg von Erziehung stehen Konsequenz, Überzeugungskraft und Zuwendung. So ist es! Allerdings, wenn es bei dieser Feststellung um härtere Strafen und Erziehungscamps geht, kommt diese Erkenntnis zu spät. Hier werden nur noch Symptome gesellschaftlicher Fehlentwicklungen kuriert und nicht den Ursachen entgegengewirkt. Engagierte und verantwortungsvolle Erziehung sollten die Eltern zuvor leisten.“ Der Leserbriefschreiber ist verheiratet und hat 4 Kinder. Er betonte noch, dass Kinder ein Geschenk seien und die Eltern den Willen haben sollten, ihre Kinder zu erziehen und diese nicht dem Zufall oder anderen Leuten zu überlassen. Auch der Staat sei gefordert, indem er Voraussetzungen schafft, dass dieses Eltern auch möglich ist.
 
Dr. jur. Dieter Rummler, Rechtsanwalt aus Merzhausen betonte, dass Bildung von Straftaten abhält. Er ist für eine Änderung des Jugendgerichtsgesetzes und schrieb dies: „Warum soll das allgemeine Strafrecht grundsätzlich erst auf Personen ab einem Alter von 21 Jahren anwendbar sein? Die Volljährigkeit beginnt mit 18 Jahren, zum Beispiel um zu heiraten, Auto oder Motorrad zu fahren, als Soldat eine Waffe tragen dürfen, voll geschäftsfähig, also ,erwachsen’ zu sein. Nur weil jemand zwischen 18 und 21 Jahren straffällig wird, soll er plötzlich unreif sein und der Schonung bedürfen? Das begreift niemand mehr. Hier ist eine Anpassung des JGG überfällig.“ Das finde ich auch.
 
Martin Albrecht aus Lörrach regte sich auf, weil ständig nach entschuldigenden Erklärungen gesucht wird. Hier sein Brief: „Wenn Ausländer einen Deutschen angreifen mit den Sprüchen ,Scheiss Deutscher!’ und diesen auch noch bespucken, dann wird dies als ein Einzelfall betrachtet und heruntergespielt, obwohl solche Szenen in Berlin, München und vielen Ruhrpottstädten längst Alltag sind. Sofort wird nach entschuldigenden Erklärungen gesucht. Wenn jedoch ein Ausländer von einem Deutschen verprügelt wird, dann ist dies sofort ein rechtsradikaler Übergriff.“
 
Jugendliche brauchen Hilfe zur rechten Zeit
Für Michael Neumann, Freiburg D, tätig im Kinderheim St. Raphael, ist eine Hilfe zur rechten Zeit vonnöten. Oft kommen Jugendliche, „die schon in den Brunnen gefallen sind“, die also keine rechtzeitige Hilfe erhielten, zu ihm. Im Heim bleiben diese Kinder kurze Zeit, dann werden sie wieder in die Ursprungsfamilie geschickt. Oft ist ein solches Vorgehen zum Scheitern verurteilt. Des Weiteren schrieb er: „Es ist dringend an der Zeit, dass die Kommunen den überforderten Jugendämtern genügend personelle und finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit ein Kind auch schon mal mit 10 Jahren zu uns kommen und vor allem bleiben darf. Denn Erziehungsarbeit ist Beziehungsarbeit. Beziehung baut auf Vertrauen auf. Vertrauen jedoch ist nicht mit einem Fingerschnipsen herzustellen, sondern benötigt Zeit. Jeder rechtzeitig und sinnvoll investierte Euro in ein Kind bekommt der Staat, also wir als Solidargemeinschaft, um ein Vielfaches zurück. Erziehungscamps, geschlossene Heime oder gar Gefängnis sind bedeutend teurer.“
 
Respekt lernen und sich durchboxen
Die Zeitungen sind zurzeit voll mit Vorschlägen, wie man die Gewalt eindämmen kann. So las ich in der Online-Ausgabe des „Spiegels“ vom 08.01.2008 sinnvolle Vorschläge, wie man aggressive Jugendliche zur Räson bringt. Es wurden Konzepte gegen Jugendgewalt an 4 Problemschulen getestet. Die wichtigsten Massnahmen: Null Toleranz, Streitschlichtung, Boxtraining und Tai-Chi. Die Konzepte haben sich hervorragend bewährt. Warum führt man solche Konzepte nicht in anderen Schulen ein?
 
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