Textatelier
BLOG vom: 10.03.2007

Energiediskussionen im schwachen Glühlämpchen-Schein

Autor: Walter Hess, Biberstein CH
 
Das ist ja schon recht: Man spricht nach dem frühlingshaften Winter, der keiner war, wieder vermehrt von den gravierenden Schäden, die wir masslosen Menschen angerichtet haben. Und alle vernünftigen Parteien und Regenten überlegen sich, wie man den Kohlendioxidausstoss verringern könnte. Im Verlaufe dieses Werweissens ist sogar an den helllichten Tag gekommen, dass auch Kernkraftwerke, Windkraftanlagen und Solarenergiezellen mit CO2-Verschmutzungen verbandelt sind – bei der Herstellung nämlich, die Atomkraftanlagen auch noch beim Uranabbau. Je kleiner der Urangehalt des ausbeutbaren Erzes ist, desto höher der Energieaufwand mit dem entsprechend höheren CO2-Anfall. Die Sache spitzt sich allenthalben zu.
 
Auf einen einfachen Nenner gebracht: Eigentlich jede menschliche Tätigkeit ist mit einem Energieverbrauch verbunden, und das bedeutet, dass der umweltfreundlichste und damit umweltverträglichste Mensch möglichst nichts tun sollte. Aber allein zur Aufrechterhaltung seiner Lebensvorgänge verbraucht er Energie, allerdings weniger als wenn er sich gerade auch noch bewegt. Und selbst die Kremation wird wohl kaum klimaneutral verlaufen. Also sollte ich eigentlich dieses Blog hier abbrechen, weil meine Computer-Aussenstation im sonnenbeheizten Wintergarten ebenfalls Energie frisst, ebenso wie meine Fingerübungen. Ich tröste mich beim Weiterschreiben damit, vielleicht einige Gedankenanstösse in die Welt setzen zu können.
 
Wir sind also alle Umweltverschmutzer und haben einander im Prinzip nichts vorzuwerfen. Aber natürlich kann man über die absolut notwendige Grundlast hinaus mehr oder weniger Energie verbrauchen bzw. verschwenden. Das Ziel sollte sein, diesen Energieverbrauch herunterzufahren und zwar in erster Linie dort, wo es einschenkt. Dann wäre die Frage, ob man als Zwischenlösung vor weiteren Kernkraftwerken noch Gaskraftwerke bauen sollte, ebenso obsolet wie die Diskussionen über die schönen, angenehmen und hässlichen Seiten der Kernenergie. Die EU-Staats- und Regierungschefs einigten sich am Freitag, 9. März 2007, den Ausstoss von Treibhausgasen bis 2020 gegenüber dem Zustand von 1990 um ein Fünftel zu verringern. Jetzt können alle geduldig abwarten, ob daraus etwas wird.
 
Die grossen, ins Gewicht fallenden Ursachen der ständigen Energiezunahmen sind im weitesten Sinne planerischer Art: Man hat seinerzeit begonnen, das Arbeiten, Wohnen und Erholen weiträumig zu trennen, sagen wir einmal mit den Mitteln der Raumplanung zu gruppieren: Wenn ich wohne oder die Freizeit auslebe, möchte ich keine Fabrik anschauen, und wenn ich in einer Industriezone werktätig bin, sollten mich keine Naturschönheiten von der Arbeit ablenken. Selbst die katholischen Kirchen haben den Blick ins Grüne meistens verrammelt, damit das Augenmerk nicht abgelenkt wird, sondern sich nach oben richtet.
 
Diese raumplanerische Trennung war selbstverständlich der beste Nährboden für Pendlerströme; denn es mussten ja mehr oder weniger grosse Distanzen überwunden werden. Eine Folge davon war, dass ein Auto her musste, wenn nicht gerade zufällig ein öffentliches Verkehrsmittel die Punkte W (Wohnen), A (Arbeiten) und E (Erholen) verband. Die auf Dezentralisation bedachte Planung förderte also den Automobilismus. Das ist so sonnenklar, dass jede weitere Begründung eine glatte und verwerfliche Energieverschwendung wäre.
 
Nachdem dann jeder Mann und jede Frau 1 bis 2 Autos sein/ihr eigen nannte, sahen sich auch quartiereigene Institutionen in ihrer Existenz gefährdet; die Kunden fuhren ihnen davon. Stichwort: Lädelisterben. Grosse und immer grössere Einkaufszentren machten sich in irgendeiner grünen Wiese breit, weil es nur dort genügend Platz für genügend Parkplätze gab. Die Quartierinfrastruktur für den täglichen Bedarf wurde ausgedünnt, so dass auch von dieser Seite die Privatmotorisierung angeheizt wurde, immer mit Teufelskreiseffekten, ein eigentlicher Kreiselverkehr, der uns immer tiefer in den Strudel der Energieverschwendung hinab zog.
 
Und dann schlich sich die Globalisierung ein, diese amerikanisierte Ökonomie. Henry Alfred Kissinger, ehemaliger US-Aussenminister deutscher Abstammung, sagte einmal zutreffend: „Globalisierung ist einfach ein anderes Wort für US-Herrschaft.“ Diese Herrschaft der gewalttätigsten Nation, die es je gegeben hat, scheut logischerweise auch vor Naturzerstörungen nicht zurück, also nicht nur vor Kriegen gegen Unangepasste wie die Araber, die gern ihren eigenen Lebensstil pflegen würden, gegen die Terroristen (die sich aus allen unterdrückten Gesellschaften rekrutieren), gegen rohstoffreiche Länder, sondern eben auch gegen die Natur. Das Umweltbenehmen der Amerikaner wäre ein Fall für Kriminalisten, gäbe es noch so etwas wie Gerechtigkeit auf dieser sich aufheizenden Erde.
 
Die neoliberale Globalisierung (mit ihrem unbedingten Vorrang für Geld und Macht, wenn nötig unter fundamental-religiöser Verbrämung) wirkte sich im globalen Massstab genau so aus wie die Fehlplanungen auf regionalen und sogar nationalen Ebenen – aber eben weltumspannend. Damit wurde ein gigantisches, irrsinniges Herumschieben von Gütern und Menschen über Kontinente hinweg eingefädelt, das mit einer global tätigen Energievernichtungsdreckschleuder zu vergleichen ist. Wegen der zu billigen Energie und ein paar Dollars mehr Gewinn werden beliebige Transportwege in Kauf genommen – ein ständiges Hin und Her und Zurück und Weiter, bis ein Produkt endlich beim Konsumenten mit seiner Wegwerfmentalität landet.
 
Was mich immer erstaunt, ist der offensichtliche Umstand, dass man zwar über den Energieverbrauch der Glühlampen und der Stand-by-Einrichtungen diskutiert, nicht aber über den ganz grossen Unfug, mit dem die Hauptenergiemengen verloren gehen. Selbst die Fernsehplauderer sind aufs Stand-by-Lämpchen gekommen, aber keiner von Ihnen hat gefragt, was das für eine blödsinnige Energieverschwendung ist, wenn eine Million Schweizer stunden-, ja abendelang vor ihrem Stromfresser-TV-Kasten sich das amerikanisierte Schreien hoffnungsfroher junger Menschen, die Musicstar werden möchten, und das spannungserzeugende, hinhaltende Gelaver von Moderatoren anhören, die nichts anderes zu fragen haben, als wie es den Kandidaten wohl gehe, ob sie denn auch genügend nervös und emotionalisiert seien. Hier wären Ansätze für eine gewaltige Elektrizitätseinsparung mit Gewinn an Lebensqualität vorhanden, insbesondere wenn man sich den Luxus leisten würde, im warmen und wärmenden Licht einer Glühlampe nach Edison-Art ein schönes Buch zu lesen.
 
Aus dem engsten, energiebewussten Familienkreis bin ich kürzlich dahingehend angegangen worden, weshalb ich mich denn im Blogatelier nicht über den Streit zwischen KKW-Gegnern und KKW-Befürwortern eingelassen habe. Diese Auseinandersetzung sei mir zu oberflächlich, antwortete ich sinngemäss. Würde man die Diskussion auf diese segmentierte Zweiheit einschränken, ginge es um die Wahl zwischen der permanent garantiert vorhandenen Katastrophe (Klimaveränderung durch CO2) und jener einer zwar extrem unwahrscheinlichen, aber nicht unmöglichen Katastrophe. Im einen Fall wird die Permanent-Katastrophe als gottgegeben hingenommen, im anderen aber wird alles technisch Mögliche getan, um eine 100-prozentige Sicherheit anzustreben, die es halt nie geben kann. Nur der Tod ist 100-prozentig sicher; da weiss man, was man hat.
 
Die Hauptfrage ist anders: Soll man ständig neue Energie zur Verfügung stellen, um den globalisierten Lebensstil im Interesse der kriegerischen Übermacht USA noch auszubauen? Hat schon jemand darnach gefragt, mit was für einem Energieaufwand die ständige, auch atomare Aufrüstung Amerikas verbunden sei, was sie zur Uranverknappung beitrage – und das Elend ist, dass angesichts dieser rücksichtslosen Kriegsmacht alle übrigen Länder ebenfalls aufrüsten müssen, wenn ihnen am Gefühl gelegen ist, die Unabhängigkeit noch eine Zeitlang über die Runden zu bringen. Auch China rüstet auf, allerdings noch auf einem um Grössenordnung tieferen Niveau als die USA.
 
Was sollen da unsere Glühlämpchen-Diskussionen, wenn an den Schalthebeln der Macht keine Lichter aufgehen? Wäre es nicht allmählich an der Zeit, die von den Energiefressermedien ständig geschürte Verdummung der Menschheit zu beenden und sich auf Wesentliches zu besinnen, auf dass die Menschen ihre Stand-by-Position aufgeben, im Vollbetrieb aktiv werden und dafür sorgen, dass der Überbau des Unsinns, die Achse des Blöden und der Verblödung, in ihre Bestandteile zerlegt werden? Das würde den Blick und den Weg für fundamentale Diskussionen freigeben beziehungsweise ebnen. Er sollte nicht durch weitere Grossanlagen zur Energie-Massenerzeugung irgendwelcher Art verstellt werden.
 
Und wenn das Wort Dezentralisierung den Horrorbegriff Globalisierung ablösen würde, herrschte in einer friedlicheren Welt ein insgesamt komfortableres Klima.
 
Buchhinweis
Hess, Walter, und Rausser, Fernand: „Kontrapunkte zur Einheitswelt. Wie man sich vor der Globalisierung retten kann“, Verlag Textatelier.com GmbH, CH-5023 Biberstein 2005. ISBN 3-9523015-0-7. CHF 37.20, EUR 24.10.
 
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