Textatelier
BLOG vom: 12.01.2007

Detox: Körper entschlacken mit oder ohne Schlangenöl

Autor: Emil Baschnonga, London
 
Gestern besuchten uns die Jenkins, ein befreundetes Ehepaar, zum Morgenkaffee mit Küchlein. Er, Michael Jenkin, ist der ehemalige Musikdirektor des King’s College. Er hatte einst unsere Söhne sehr erfolgreich unter seine musikalischen Fittiche genommen, und er ist ausserdem ein anerkannter Komponist. Debbie, seiner Frau, gelang es, die heftigen Allergien ihrer 2 Töchter zu besiegen. Dieser Kampf dauerte Jahre. Dabei hat sie einen Wissensschatz erworben, von dem wir viel lernen konnten, auch gestern wieder: rund ums Thema „Detox“ (das als Entschlackungs-, Entgiftungs- und Entspannungsmittel angepriesen wird).
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Um diese Jahreszeit wollen, aus verständlichen Gründen, viele Leute ihren Körper entschlacken und von Giftstoffen befreien. Allerlei teure Zaubermittelchen werden dazu auch von Scharlatanen – lies „Gurus“ – angeboten, worunter von (Dr.) Gillian MacKeith. Ihren (übrigens nicht anerkannten) Doktortitel in „holistic nutrition“ (ausgewogene Ernährung) hat sie vom „American Holistic College“ gewonnen. Anerkannte Toxikologen nehmen sie nicht ernst.
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Ins gleiche Kapitel gehören viele Neuerscheinungen, wie Carol Vorderman’s „Mini Detox Bible“ oder Patrick Holford’s „New Optimum Nutrition Bible“. Auch die wohlbekannte „Madonna“ hält an diesem Bombengeschäft mit und behauptet, eine Behandlung zur Neutralisierung von „radiation“ (Strahlenbelastung) entdeckt zu haben. Das ist alles Humbug und entschlackt einzig den Geldbeutel der Leichtgläubigen. Ich habe von Leuten gehört, die noch immer an Schlangenöl glauben … „Mundus vult depici“ – die Welt will (halt) genarrt sein.
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Meine Frau bot Mike Jenkin eine Tasse Kräutertee (Twinings Mischung aus Johannisbeersaft, Ginseng und Vanille) an. Sie selbst trank eine Tasse Schwarztee (ohne Milch), während Debbie und ich „Gift“ in Form von Kaffee tranken. „Jeder nach seinem Pläsier“, meine ich. Die Heilkraft der Kräuter anerkenne selbst ich als ausgeprägter Skeptiker, und ich trinke davon notfalls, wenn auch nicht unbedingt aus Vergnügen. Am besten schmecken mir jedoch die Kräuter, wenn sie der Mahlzeit beigemengt sind.
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Wie kommt es, dass die bekömmlichste Kost arm an Kalorien sein soll? Ich brauche Kalorien als Energiezufuhr. Milchprodukte seien ebenfalls zu meiden, obschon sie unser Knochengerüst mit Kalzium stärken, heisst es. Wiewohl Mike Jenkin sein Cholesterin überwachen muss, genoss er das Fruchttörtchen mit Rahmhäubchen (Sahne) und spasste: „Die Früchte halten den Rahm in Schach …“ In diesem Zusammenhang frage ich mich als Laie, wie wirksam das Aspirin (BP 75 mg) ist? Mein Arzt hat mir empfohlen, davon täglich eine Tablette zu schlucken. Ich bin einer von jenen Dummköpfen, die sich nicht vieles vorschreiben lassen. Soll ich seine „Vorschrift“ einfach in den Wind schlagen oder doch lieber nicht?
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Zum Glück esse ich gern Früchte und Gemüse, bin jedoch nicht zu sehr auf Nüsse, Kürbiskerne und Samen erpicht, mit Ausnahme der gesalzenen Pistazien aus Persien. Ich überspringe hier das leidige Thema Salz und bleibe bei Persien. Heute geht meine Frau „persische Fertiggerichte“ im High Street Kensington, dem bevorzugten Quartier der Exil-Perser, einkaufen. Diese herrlich schmeckenden Gerichte werden „handwerklich“ in Kleinküchen zubereitet und anschliessend gefroren. Ich nehme schlicht und einfach an, dass sie keine – oder nur sehr wenige – Schadstoffe enthalten. Mitunter schleichen sich auch andere Fertiggerichte in unsere Küche ein, besonders dann, wenn uns die Zeit zum Kochen fehlt.
 
Wer seine Gesundheit wirklich todernst nimmt, darf nicht länger auswärts essen. Wenn sich die Leute daran hielten, müssten alle McDonald’s (das ficht mich nicht an) und die meisten Restaurants (dagegen hätte ich viel einzuwenden) schliessen. Ade meine Curry-Lieblingsspeise, ade auch die Rösti mit Zürcher Geschnetzeltem (Kalbsschnitzelfleisch an einer Weisswein-Rahmsauce mit Zwiebeln) oder mit Bratwurst.
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Wer sich einer einigermassen guten Gesundheit erfreut, kann sie weitgehend ohne grosse Opfer und erst noch gratis pflegen, indem er reichlich Wasser trinkt, seinen Bauch nicht überfüllt und nicht mit Kaffee oder Alkohol übertreibt. Wer erst noch biologisch abgesicherte Kost bevorzugt, mag damit ebenfalls zu seiner Gesundheit beitragen (was gewisse Kreise, worunter Stimmen innerhalb des englischen „Department for Food and Rural Affairs“ allerdings bestreiten). Auf alle Fälle gewinnt er dem Essen mehr Geschmack ab. Schliesslich essen wir nicht nur, um uns zu ernähren, sondern auch um zu geniessen.
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Das beste Detox ist zum Glück in unserem Körper eingebaut: unsere Leber und unsere Nieren. Sie sind unübertrefflich, arbeiten rasch und zuverlässig!
 
Nachsatz: Jetzt geht es dem „blauen Dunst“ (Zigaretten) an den Kragen. Ich werde noch vor Ende dieser Woche „Boots The Chemist“ aufsuchen, um meinen diesbezüglich schwachen Willen mit Detox-Mittelchen aufzurüsten.
 
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