Textatelier
BLOG vom: 10.08.2006

Arzneienzulassung: Im Schlepptau der Food and Trug Agentur

Autor: Walter Hess
 
Früher war alles einfach: Wenn man in der Umgebung seines Wohnbereichs bei Erkältungskrankheiten zum Beispiel Holunderblüten, Lindenblüten, Kamille oder Salbei sammelte, daraus einen Tee zubereitete und diesen langsam und genüsslich trank, brauchte es dafür keine Zulassung. Als Arzneimittel diente, was sich während Jahrhunderten bewährt hatte, und das wurde mündlich und später auch schriftlich überliefert. Heilkundige nahmen sich der schwierigeren Patienten an.
 
Und dann übernahm die Pharmaindustrie das Zepter. Sie isolierte und kombinierte Inhaltsstoffe aus den Pflanzen, zerstörte das naturgegebene Gefüge, mischte die Isolationsprodukte, um die Wirksamkeit zu erhöhen. Zudem wurden und werden immer neue abenteuerliche und aggressive chemische Arzneistoffe synthetisiert – und damit erhöhten sich auch die Gefahren in Bezug auf unerwünschte Nebenwirkungen. Die Medikamente müssen heute ständig von Warnhinweisen begleitet werden. In der Regel stellt sich die Frage, wie viel an Nebenwirkungen hinzunehmen sei, um eine gewünschte Wirkung zu erzielen. Es ist eine Frage des Abwägens, und damit ist das Prinzip des Nichtschadens durch ärztliche Tätigkeiten nicht mehr haltbar.
 
Bei diesem Sachverhalt ist es nötig, dass die auf den Markt drängenden Medikamente (für Menschen und Tiere gleichermassen) durch eine unabhängige Institution überprüft werden, um die Bevölkerung vor Medikamenten zu schützen, die nur dem Kommerz, nicht aber der Heilung dienen. In der Schweiz ist die Heilmittelbehörde Swissmedic dafür zuständig, die Nachfolgerin der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel IKS. Die Zuständigkeit für die Zulassung der Heilmittel lag vorher bei den Kantonen, und so war es zum Beispiel den naturverbundenen Appenzellern, denen meine Zuneigung gilt, noch möglich, ihr überliefertes naturheilkundliches Wissen weiterhin zu praktizieren – mit dem Nebeneffekt, dass sie die geringsten Krankheitskosten haben oder mit anderen Worten: die gesündesten Schweizer sind. Aber auch die vom kommerziellen Standpunkt aus uninteressantesten.
 
Die überforderten nationalen Kontrollstellen
Praktisch jedes Land hat eine solche Kontrollstelle, angeblich um die Bevölkerung vor schädlichen und ungeeigneten Medikamenten zu schützen. Da aber Heilmittelprüfungen ausserordentlich aufwändig, zeitraubend und damit kostenintensiv sind, wäre es ein Unsinn, wenn alle Medikamente in jedem Land dieselben zeitraubenden Tests durchlaufen müssten. Eine vernünftige Zusammenarbeit ist zweifelsohne zweckmässig, und so sind viele dieser Behörden reine Verwaltungs- oder Nachvollzugseinheiten.
 
Drug oder Trug?
Die mächtigste Arzneimittelbehörde der globalisierten Welt ist zweifellos die US-amerikanische FDA (Food and Drug Administration), die sich auch mit dem menschlichen Futter befasst, wie ihr Name sagt. Vor ihrer Macht zittern selbst die mächtigen Pharmafirmen; denn sie entscheidet über die Zulassung eines Produkts und darüber, ob noch eine weitere Forschung nötig ist. Falls der Verdacht von Nebenwirkungen aufkommt, spricht die FDA Warnungen aus oder zieht ein Medikament ganz aus dem Verkehr. Ihre Entscheidungen können eine Firma reich machen oder aber in den Ruin treiben, zum Beispiel wenn sie vor einem Medikament warnt oder die Überprüfung hinauszögert; jeder Tag, an dem ein patentgeschütztes Medikament nicht auf den Markt kommen kann, kostet den Hersteller ein Vermögen. Zudem sind ihre Entscheide wichtige Signale für alle Mitläufer-Länder. Es braucht ja an dieser Stelle wohl kaum näher begründet werden, dass alles, was aus den USA kommt, global meist kritiklos nachvollzogen wird. Auch der viele Bocksmist.
 
Die Frage ist nun, wie objektiv und zuverlässig denn die wegweisenden FDA-Entscheide seien, zumal man ja aus allen möglichen Bereichen weiss, dass in den USA die Geschäftemacherei allfällige Regungen von ethischem Verhalten unterdrückt. Falls Beispiele gefragt sein sollten, so erwähne ich hier nur die masslose Subventionierung der industrialisierten US-Landwirtschaft und die Überschwemmung der Welt mit den daraus resultierenden Billig-Schundprodukten (Schurkenprodukten), womit auch in den ärmsten Ländern die kleinbäuerlichen Strukturen zerstört werden. Der Handelskrieg zeigt auch andere lukrative Schauplätze: Das Aufdrängen der Gentechprodukte von Monsantos Gnaden an alle Welt und von US-Hormonfleisch via WTO (Welthandelsorganisation), diesem verlängerten Arm der US-Welteroberer und -Beherrscher.
 
Unter solchen Rahmenbedingungen ist wohl kaum zu erwarten, dass FDA bei ihren Entschlüssen in selbstloser Art der Wahrheit und nichts als der Wahrheit verpflichtet ist. Deren Schlaumeiereien ist nun neuerdings die Union of Concerned Scientists (UCS), ein unabhängiger Zusammenschluss kritischer US-Forscher, auf die Schliche gekommen. Diese kritischen Wissenschaftler – auch das gibt es zum Glück noch – verteilten an knapp 6000 Fachleute, welche für die FDA arbeiten, einen Katalog mit 38 Fragen über deren interne Erfahrungen mit der Behörde. Der Rücklauf von etwa 1000 Fragebögen zeichnete kein gutes Bild von der Integrität des Amtes; denn es wurde bestätigt, dass politische und finanzielle Interessen die Arbeit der FDA „ganz erheblich“ beeinflussen (Quelle: „Focus online“ vom 5. August 2006). Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass die ins Prüfsystem eingebundenen übelsten Gestalten wohl kaum die ganze Wahrheit herausgerückt haben dürften.
 
Immerhin gab 1 von 5 FDA-Wissenschaftlern zu Protokoll: „Ich wurde schon einmal aus nicht-wissenschaftlichem Grund dazu aufgefordert, meine Daten oder die Rückschlüsse daraus in einem FDA-Dokument zu verändern.“ Und das ist alarmierend genug. Mehr als 60 % der Befragten wussten von Fällen, in denen sich politische Stellen unangemessen in die Arbeit der FDA eingemischt hatten. Ebenso viele hatten bereits die Erfahrung gemacht, „dass kommerzielle Interessen beim Widerruf einer bereits getroffenen Entscheidung eine wichtige Rolle gespielt hatten“.
 
Entsprechend gering schätzen die FDA-Wissenschaftler ihren eigenen Nutzen für die Öffentlichkeit – und das schlägt dem Fass den Boden aus: Nur die Hälfte glaubt daran, dass ihr Arbeitgeber FDA die Volksgesundheit effektiv schützt und uneingeschränkt über Gesundheitsgefahren informiert. Darüber hinaus ist nur die Hälfte der Wissenschaftler der Meinung, „dass die Führung der FDA der Produktsicherheit ebenso verpflichtet ist wie dem Wunsch, diese Produkte auf den Markt zu bringen“. Das ist also eher eine Food-und-Trug-Agentur.
 
Diese Insider-Zweifel basieren auf konkreten Erfahrungen, wie Focus online berichtete: Jeder Fünfte „wurde schon einmal von einem direkten Vorgesetzten dazu aufgefordert, unvollständige, falsche oder irreführende Informationen an die Öffentlichkeit, Industrie oder Presse weiterzugeben“. Ein Viertel glaubt sogar, dass ein solches unehrliches Verhalten generell bei der FDA von ihm erwartet würde. 40 % sind überzeugt, dass sie Nachteile in Kauf nehmen müssten, wenn sie ihr Wissen über eine öffentliche Gesundheitsgefahr preisgeben würden – ein Drittel glaubt sogar, innerhalb der FDA darüber schweigen zu müssen.
 
Die Mehrheit der Forscher bei der FDA (70 %) hält die Ressourcen der Behörde für zu gering, als dass sie ihren Auftrag erfüllen könnte, „die Gesundheit der Bevölkerung durch korrekte, wissenschaftliche Informationen über Medikamente und Nahrungsmittel zu schützen“. Weniger als die Hälfte (44 %) glaubt, die FDA-Führung sei „integer“ oder „professionell“. Entsprechend trüb ist die Stimmung in der FDA-Wissenschaftsabteilung: 40 % bezeichnen ihre Moral als „schlecht oder extrem schlecht“ und mehr als die Hälfte sehen die Befriedigung in ihrem Beruf seit Jahren auf dem absteigenden Ast.
 
Die FDA ist bereits in den Büchern „Der Pharma-Bluff von Marcia Angell und „Trojanische Saaten von J. M. Smith stark kritisiert worden. Hier ein Auszug aus dem Buch „Der Pharma-Bluff“:
 
„Vor 40 Jahren waren Neutralität und Strenge der FDA weltweit geachtet. Sie war die einzige Behörde einer Industrienation, die dem Schlafmittel Contergan die Zulassung verweigerte, dem Mittel, das allein in D 10 000 Kinder im Mutterleib schädigte. Inzwischen hat der Ruf der FDA vor allem durch die wiederholte Zulassung durchaus bedenklicher Medikamente gelitten. FDA-Mitarbeiter geben in einer internen Studie zu, unter dem grossen Zeitdruck häufig den Zulassungsanforderungen bezüglich Sicherheit, Qualität und Effektivität nicht gerecht werden zu können. Ein weiteres Problem ist, dass die meisten klinischen Studien von der Pharmaindustrie bezahlt und kontrolliert werden, auf deren Basis die FDA wiederum ihre Entscheidungen fällt. Verflechtungen zwischen FDA und der Industrie bestehen auch personell, dadurch dass zahlreiche leitende FDA-Mitarbeiter von der Pharmaindustrie abgeworben wurden. Experten kritisieren weiterhin, dass eine wichtige Aufgabe der FDA, nämlich die Kontrolle von Produkten, die schon auf dem Markt sind, vernachlässigt wird.“
 
Dieses Zitat bestätigt und rundet die neuesten Erkenntnisse ab. Der Sachverhalt passt nahtlos ins Gesamtbild des eigennützigen wirtschaftlichen Verhaltens im Zeichen des Neoliberalismus: Überall sind die USA tonangebend. Sie rangieren das Filmschaffen, bewerten die Banken, geben die Börsenkurse vor und bestimmen den Inhalt der Medien, entweder über CNN oder über Agenturmeldungen an die Medien, die im Voraus mitteilen, worüber die New York Times morgen berichten wird ... auf dass alle wissen, was aus US-Sicht wichtig ist. Der Gipfel ist, dass die ganze Welt seit Jahrzehnten auf alle die plumpen Tricks voll hereinfällt. Die wahren Idioten sind also ausserhalb der USA, welch letztere ihre permanenten Chancen nutzen und das Lügen und Verdrehen zur Kunstform perfektioniert haben. Auch solch ein vertrotteltes globales Dorf ist auf dem absteigenden Ast.
 
Die Verhältnisse in Europa und in der Schweiz
Die Europäische Arzneimittelagentur heisst EMEA (European Medicines Agency) mit Sitz in London. Die Abkürzung weist daraufhin, dass sie auch weit über den europäischen Raum hinaus tätig ist: Europe (Ost- und Mitteleuropa), Middle East (Mittlerer Osten) und Afrika. Sie arbeitet eng mit internationalen Stellen zusammen, das bedeutet im Klartext zweifellos mit der FDA.
 
Für die Schweiz ist, wie gesagt, die Swissmedic für die Arzneimittelsicherheit zuständig. Nach ihren eigenen Angaben orientiert sie sich bei der Zulassung von neuen Arzneimitteln an den international geltenden Zulassungskriterien. Sie nimmt gelegentlich die Gelegenheit wahr, neue Kreationen von schweizerischen Pharmafirmen zuzulassen, bevor das die EMEA und die FDA getan haben, zum Beispiel das Brustkrebsmittel Glivec von Novartis, im Sinne einer Ehrung einheimischen Schaffens. Diese nationale Zulassung ist auch die Voraussetzung für eine Zulassung in 80 weiteren Staaten. Die Swissmedic ist nicht an die EMEA oder gar an die FDA gebunden, aber dass viele Vorgaben von dort übernommen werden, steht ausserhalb jeden Zweifels. Sie steht im Ruf, kleine Produzenten und insbesondere die Hersteller von bewährten naturheilkundlichen Mitteln durch übermässige bürokratische Schikanen zu benachteiligen. Sie ist jetzt dabei, etwas mehr Vernunft in ihre Tätigkeit einfliessen zu lassen.
 
Auch auf politischer Ebene wird man gut daran tun, kritisch zu verfolgen, was sich in Bezug auf den Arzneimittelmarkt tut und wo wirtschaftliche Interessen auf Kosten der Volksgesundheit gehen. Für das Volk, das schlucken muss, was ihm vorgesetzt wird, empfiehlt es sich dringend, sich mit besten, frischen Lebensmitteln zu ernähren, die Gesundheit zu pflegen und Schurkennahrung konsequent sowie chemische Medikamente wenn immer möglich zu meiden. Bei Gesundheitsschäden hat jeder Einzelne das Leiden zu ertragen. Höchstpersönlich.
 
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