Textatelier
BLOG vom: 28.07.2006

Wie „G6“-Egoisten auch die Globalisierungsidee umbringen

Autor: Walter Hess
 
Das unsäglich schäbige Verhalten der US-Politik gegenüber den armen und wegen der Globalisierung noch zusätzlich verarmenden Länder geht weiter: Die Amerikaner, die überall auf der Welt unter Einsatz ihres Globalisierungswerkzeugs WTO als Saubermänner auftreten und Millionenstrafen verhängen, wenn etwas nicht in ihrem Sinn und Geist zugeht, zeigten bei der Fortsetzung der soeben gescheiterten Doha-Runde in Genf nicht die geringste Bereitschaft, ihre Milliarden-Subventionen an ihre eigene Landwirtschaft abzubauen und damit die Markteintrittsbarrieren für die so genannten Entwicklungs- und Schwellenländer zu verbessern oder gar zu beseitigen. Mit anderen, weniger diplomatischen Worten: Die Ärmsten dieser Erde werden weiterhin ausgehungert.
 
Die Weltbank hatte geschätzt, dass durch eine Öffnung der Agrarmärkte für Entwicklungsländer etwa 66 Millionen Menschen hätten aus der Armut geholt werden können. Dazu hätten die reichen Industrieländer ihren mörderischen Eigennutz über Bord werfen müssen. Seit November 2001, als die entsprechende WTO-Verhandlungsrunde in Doha, der Hauptstadt von Katar, begann, wurde das versucht und insbesondere von den USA hintertrieben. Die USA und auch die EU nehmen für sich in Anspruch, wettbewerbsverzerrende Staatsbeigaben (Subventionen) an ihre Landwirtschaft auszurichten, so dass die Bauern in armen Ländern keine Chance haben, etwas verkaufen zu können, und mögen sie noch so günstig produzieren – und auf einen angemessenen Lohn verzichten. Der Agrarprotektionismus murkst sie ab. Die Vernichtung der mittleren und kleinen Bauern gehört zur Globalisierungsstrategie. Grössere Produktionseinheiten lassen sich besser zentral beherrschen. Die ständigen Fusionen in der Wirtschaft (inkl. Medien) haben die gleiche Ursache und stehen im Dienste des gleichen Ziels.
 
In Genf hatte die „Gruppe der Sechs“ (G6) aus USA, EU, Indien, Brasilien, Japan und Australien verhandelt, die zusammen 75 % des Welthandels beherrschen und ihre Pfründe gegen die mittel- und hilflosen Kleinproduzenten verteidigen. Angeblich haben sich bei der letzten Tagung zwar alle zugunsten der unterdrückten Länder mehr oder weniger bewegt, nur die auf einen blödsinnigen Eigennutz bedachten USA nicht. Ihre von einer sturen Einsichtslosigkeit geprägte Politik übersieht,  dass dadurch gerade ihre brutal eingesetzte Waffe Welthandelsorganisation (WTO), diese eigentliche Weltregierung, weiter an Glaubwürdigkeit verliert und geschwächt wird. Das allerdings ist ein höchst an sich begrüssenswertes Resultat.
 
Ebenso wie der Reichtum ist die Macht unregelmässig verteilt. Präziser: Die Macht liegt bei den Reichen, und diese können ihren Besitz nur auf Kosten der Armen, der Hungernden und Verhungernden vermehren. Der Neoliberalismus als philosophische Globalisierungsgrundlage lässt kein moralisches Handeln zu, weil sonst Geschäfte gestört würden. Wenn die Globalisierung als Chance verherrlicht wird, dann weiss man genau, aus welchem Lager der Lobgesang kommt.
 
Das klägliche Scheitern der jüngsten Doha-Runde ist ein weiteres Indiz für das Scheitern der Globalisierungsidee.Die „Börsen-Zeitung“ kommentierte am 24. Juli 2006 zutreffend: „Die Globalisierung, die durch die vielen Welthandelsrunden überhaupt erst möglich gemacht worden war, hat ihren Zenit offenbar überschritten.“ Das habe sich zudem an der Klein-Klein-Mentalität bei den Verhandlungen und am wiedererstarkten Hang zum Protektionismus (Schutzzölle, Einfuhrbeschränkungen) gezeigt. Und es geht noch weiter, laut „Börsen-Zeitung“: „Staaten wie China und die USA etwa sichern ihren künftigen Energiebedarf ab, indem sie den Lieferländern handelspolitische Sonderangebote unterbreiten.“ Von Handelsliberalisierung also keine Spur.
 
Über ihre Milliardensubventionen an die einheimischen Industriebauern vergrössern die USA den Einfluss der eigenen Industrielandwirtschaft. Bauern in aller Welt können zusammenpacken (selbst die Schweizer Landwirtschaftspolitik fällt darauf herein und will die Landwirtschaft globalisierungstauglich und für die Gentechnologie zugänglich machen – täglich werden mehrere Kleinbauern wegrationalisiert). Mit der Überschwemmung der Welt mit subventionierten und ökologisch kriminell produzierten Landwirtschaftsprodukten und durch das rücksichtslose Vorgehen der Gentechfirmen streben die USA die Beherrschung der gesamten Welternährung an, ein Machtmittel wie die Beherrschung des Trinkwassers.
 
Schneidet man Menschen von Wasser- und Nahrungszufuhr ab und verhindert man Versorgungskorridore, können auf elegante Weise Massenvernichtungen von Menschen herbeigeführt werden. Übungsobjekte für solch einen Holocaust light durch Zerstörung der Infrastruktur und Nahrungszufuhr sind gerade Gaza und der Libanon durch Israels Militär, wo im Rahmen eines flächendeckenden Massakers ungestraft selbst Uno-Soldaten abgeschossen werden; nötigenfalls können noch Streubomben gegen die Zivilbevölkerung etwas nachhelfen, wenn zu wenig schnell gestorben wird. Am Donnerstag, 27. Juli 2006, bombardierten die Israelis konsequenterweise auch einen Hilfskonvoi. Die Sache hat Stil. Und damit ihnen nichts passiert, untersuchen die Täter ihre Untaten gleich selber. Warum denn setzt Uno-Chef  Kofi Annan keine eigene Untersuchungskommission ein, wenn seine Leute zur Zielscheibe geworden sind? Er gibt wieder einmal eine schwache Figur ab.
 
Eine Libanon-Konferenz in Rom verlief, wie von Emil Baschnonga im Blog vom 26. Juli 2006 vorausgesagt, ergebnislos, entsprechend den Doha-Runden: Weiter kämpfen, noch mehr Bomben abwerfen, nur keinen Waffenstillstand! Die USA und Israel wiesen entsprechende Ansinnen, die Kriegsmaschine zu stoppen, entschieden zurück. Es lebe der Krieg mit seinem Eskalationspotenzial!
 
Und bewährte Landwirtschaftsstrukturen sollen weiterhin zerschmettert werden. Für mich als Konsument gilt unter solchen Randbedingungen die Devise: Neben den einheimischen Produkten solche aus armen Ländern bevorzugen und hochsubventionierte Schurkenware, insbesondere solche aus den USA und ihren Vasallen, konsequent in den Regalen stehen lassen. Ich beachte bei einheimischen verarbeiteten Lebensmitteln auch die Herkunft der Zutaten. Das ist eine wichtige Einkaufshilfe und eine Möglichkeit, als Konsument ein bisschen in die Politk einzugreifen..
 
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