Textatelier
BLOG vom: 30.08.2005

Der „Bra War“ (BH-Krieg) EU-China ist ausgebrochen

Autor: Emil Baschnonga

Was, schon wieder ein Krieg? Ja, ein solcher ist zwischen der EU und China ausgebrochen. Peter Mandelson, der nicht unbescholtene englische „Master of the Spin“ (Tatsachenverdreher in der Politik), bekam zum Lohn den Posten „Trade Commissioner“ (Bevollmächtigter für den Handel) und verursachte, wie er selbst zugab, diesen „glitch“ (Ausrutscher). Es geht um die durch ihn innerhalb der EU festgelegte Quote bezüglich der importierten Textilien aus China. Jetzt liegen in Schiffen in englischen Häfen und in Zolllagerhäusern 48 Millionen Pullis, 17 Millionen Herrenhosen, 4 Millionen T-Shirts und 3 Millionen BHs gestapelt.

Auf diese Importrestriktionen bestanden Frankreich, England, Italien, Spanien und Portugal aus Furcht, dass billige Bekleidung aus China die einheimische Textilindustrie in die Knie zwingen und die Arbeitslosigkeit vergrössern könnte. Nur England hat sich im Protest nicht hervorgetan, einfach, weil ohnehin herzlich wenig von der einstigen weltberühmten Textilindustrie übrig geblieben ist. Dennoch hat Peter Mandelson aus eigenem Antrieb auch seinem Land diesen Beistand erwiesen.

Das kommt für die Einzelhandelsketten wie Marks and Spencer Bhs and Jenners, Debenhams, Next und John Lewis höchst ungelegen; sie brauchen dringend Nachschub aus China. Wenn die bestellten chinesischen Textilien nicht mehr ausgeliefert werden, kommen gewiss andere Länder zum Zuge, worunter die Türkei, Rumänien, Sri Lanka und Bangladesch – also alles Länder, die spottbillig produzieren. Das könnte einen Textilweltkrieg auslösen und vieles blosslegen, das am besten verdeckt bliebe, begonnen mit dem Busen.

Die Presse hat geistesgegenwärtig den zugkräftigen Ausdruck „Bra War“ geprägt. Der Hinweis auf einen Textilkrieg hätte die Leser gelangweilt.

So verweile ich rund um den Aufmerksamkeit heischenden BH, mit oder ohne Inhalt, und beginne mit einem geschichtlichen Abriss vom Korsett übers Mieder bis zum „WonderBra“-Markenartikel. Zu den BH-Vorläufern gehört das von der Catherina de Medici anno 1550 eingeführte Korsett, ein mit Knochenstäbchen verstärktes Marterinstrument, womit sich die Frauen atemberaubend einschnürten. Allerlei Variationen kamen auf den Markt: Schnallenkorsett, S-Kurven-Korsett und das busenfreie Korsett. Die 1. moderne Brassière (taillenfreies Oberteil, nicht mit Brasserie = Bierlokal zu verwechseln) wurde 1913 von Mary Phelps in New York patentiert. Dieser BH befreite allmählich nicht nur den Busen aus den Hemmungen, indem er ihn mehr und mehr hoch- und blosslegte. Ab 1927 eroberte der „WonderBra“ den Markt in Form von trägerlosem BH, mit oder ohne Halb- oder Ganzschalen, als Sport-BH usw. Zuletzt kam die Mode auf, keinen BH mehr unter der Bluse zu tragen. Das stand jungen Mädchen mit straffen Brüsten wohl an, weniger jedoch älteren und wohlbeleibten Jahrgängen.

Wenn Weihnachten und Neujahr langsam näherrücken, schuldet jeder rechtschaffene Engländer seiner Frau ein apartes und reizvolles Dessous, das zum Sport im Bett aufwiegeln sollte. Allein der englische Gentleman hat den Sport lieber auf dem Bildschirm …

Die meisten Frauen sind nach wie vor auf den stützenden und hissenden BH angewiesen, besonders jetzt, nachdem so viele Busen mit Botox schwergewichtig aufgepäppelt worden sind. Damit gewinnen Frauen das Augenmerk ihrer Nebenbuhlerinnen auf Partys. Die Männer scheren sich wenig darum: Die Tranksame ist ihnen ungleich wichtiger.

Wenn immer ein Mangel aufkommt, müssen eben, wie immer, die Männer auf die Pirsch gehen – um in diesem Fall die letzten BHs zu erjagen. Dazu sind sie aber schlecht gerüstet, und sie erwischen zumeist die falsche Beute. Das kann ein schlechtes Ende nehmen, wie dies ein Jüngling erfuhr, der den Kauf eines Büstenhalters nach Augenmass tätigte. In der Abteilung „Damenwäsche“ sichtete er endlich eine Verkäuferin, die annähernd die mit seiner Freundin vergleichbaren Ausmasse hatte. „Genau das brauche ich in Hellrot“, bestellte er und ging freudig von dannen. Statt Vergnügen heimste er viel Ärger ein, als seine Freundin den BH anprobierte. Das Ding war voll gepolstert und nahm ihren fülligeren Liebreiz nicht auf. So schickte sie ihn stracks mit der rechten Nummer ausgerüstet zur „Damenwäsche“ im 2. Stock zurück. Das deckt auf, wie oft der Augenschein trügt.

Nachdem ich hier doch einiges aufgedeckt habe, sei mir erlaubt, den BH-Krieg als „nackter Protektionismus“ anzuprangern. Ich glaube, dass China inzwischen die erste Textilkriegsrunde gewonnen hat.

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