Descartes und Till Eulenspiegel
Descartes sitzt im Zug, der ihn nach Paris zu einer Philosophen-Tagung bringt. Mehrere, mit schnell hingeworfener Schrift beschriebene Blätter liegen links und rechts neben ihm. Der Bleistift zwischen seinen Fingern ist infolge scharfen Nachdenkens bis zur Hälfte zerkaut. Einmal stützt er seinen Kopf in der Pose eines Denkers auf seine Hand, dann wieder blickt er nach oben zur Decke, als erhoffe er sich Hilfe von dort. Rodin steht auf dem Gang und macht eine Skizze in sein Malheft.
Die Türe des Abteils öffnet sich und Till Eulenspiegel tritt ein. Nachdem er sich aus Höflichkeit erkundigt hat, ob die anderen Plätze noch frei seien, setzt er sich Descartes gegenüber. Er zieht die Zeitschrift „Pardon“ aus seiner Tasche und beginnt zu lesen.
Während er des Öfteren in Lachen ausbricht, sitzt Descartes weiterhin da und zermartert sich sein müdes Gehirn über ein Weltproblem. Öfters erhebt er sich und wandert mit hinter dem Rücken verschränkten Armen hin und her. Dann setzt er sich wieder und blickt mit entrückten Augen in eine imaginäre Welt.
Doch plötzlich springt er auf und schreit, als wäre er nicht ganz bei Sinnen: „Ich habs. Ich habs!“
Er schwitzt und keucht. Und dann: „Ich denke, also ich bin!“
Er blickt Till Eulenspiegel mit geröteten Augen an. „Verstehen Sie? Ja? Ich denke, also ich bin.“ − Descartes setzt sich schwer nieder. Für einen Augenblick herrscht Stille. Dann unterbricht Till Eulenspiegel das Schweigen mit den Worten: „Ich denke, also ich bin, macht nicht immer Sinn.“ − „Was!“, schreit Descartes, „Sie zweifeln an meiner Erkenntnis?“ − „Bei allen Toren, nein!“, beschwichtigt ihn Till Eulenspiegel.
Doch viele denken nie und sind dennoch irgendwie.
Manfred Schröder
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