Schweizer Jäger knallten u.a. 588 Birkhühner ab
Am 24. August 2004 hatte ich die Schweizer Jagdstatistik 2003 im Mailkasten. Unglaublich, was in einem einzigen Jahr an ohnehin bedrängten Vögeln abgeschossen wurde! Die Lektüre hat meine Ansicht, die Jagd habe in ihrer heutigen Ausprägung bei den gegebenen Voraussetzungen keine Existenzberechtigung mehr, erneut bestätigt.
Ich sandte nach eingehendem Studium der Jagdstatistik die folgende E-Mail an die zuständige Stelle im Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) in Bern wald@buwal.admin.ch :
Sehr Geehrte,
ich möchte Ihnen zur heute veröffentlichten Jagdstatistik 2003 eine Frage mit prinzipiellem Charakter stellen, die mir bisher noch niemand beantworten konnte:
Wieso war es nötig, im Jahr 2003 in der Schweiz
588 Birkhühner
65 Haubentaucher und
617 Blässhühner
abzuschiessen?
Die oberhalb der Waldgrenze lebenden Birkhühner sind meines Wissen keine Bedrohung für den Menschen, sondern sie werden in ihrem Lebensraum durch den ausufernden Skitourismus arg bedrängt und im Endeffekt auch dezimiert.
Haubentaucher kommen zur Überwinterung in der Schweiz; und als gastfreundliches Land schiessen wir ja auch keine ausländischen Gäste oder Passanten ab.
Zum Blässhuhn habe ich einmal gelesen, die Jäger würden dieses (an sich nicht bedrohte) Tier aus eigener Verantwortung schonen. Ist diesen schiessfreudigen Gesellen vielleicht gerade die Verantwortung abhanden gekommen?
Ich wäre Ihnen für eine Stellungnahme sehr dankbar. Ich schätze das Buwal als umweltbewusste Institution und weiss auch, dass Sie als Institution nicht auf wehrlose Tiere schiessen. Aber mussten Sie vielleicht vor der Jägerlobby kapitulieren?
Eine ausführliche Antwort würde mich sehr interessieren. Ihre Bemühungen verdanke ich Ihnen im Voraus.
Mit freundlichen Grüssen
Walter Hess
Der Tierschutz bleibt auf der Jagdstrecke
Am 26. August 2004 rief mich Edy Holenweg , Inhaber des Jagdpatentes seit 1977, Jagdplaner und Organisator der Wildhüterkurse von der Forstdirektion, prompt an und machte mich in freundlicher Art mit den Verhältnissen vertraut; ich gebe unser Gespräch sinngemäss wieder:
Das geltende schweizerische Bundesgesetz über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG) vom 20. Juni 1986 erlaubt den Abschuss der erwähnten Tiere, wobei es den Kantonen allerdings möglich ist, ein für ihr Gebiet geltendes Verbot zu erlassen; sie können also die jagdbaren Tierarten einschränken. Der Fachbeamte teilte meine Auffassung im Prinzip, dass es keine Gründe für den Abschuss der erwähnten Vogelarten gibt. Der Abschuss für einzelne davon wie die Birkhühner werde bei der nächsten Jagdgesetzrevision zweifelsfrei untersagt, fügte Holenweg bei.
Zudem dürfe man nicht vergessen, dass es unter den rund 33 000 Schweizer Jägern eben auch schwarze Schafe gebe; bei der Jagdprüfung könne die ethische Gesinnung eben nicht der Prüfung unterzogen werden, erklärte Holenweg zutreffend. Er fügte allerdings bei, es gelte zu berücksichtigen, dass am Aussterben einzelner Arten nicht die Jagd schuld sei, sondern vor allem die intensiv betriebene Landwirtschaft mit ihren Landschaftsausräumungen und der zunehmende Verkehr.
Ich erlaubte mir dazu einzuwenden, dass die Bundespolitik der Schweiz seit Jahrzehnten unverändert auf eine Landwirtschaftsrationalisierung mit allen Folgen für die Umwelt hinaus laufe, diesen Unsinn mit allen Mitteln fördere und dass sich die Lebenssituation für Wildtiere tatsächlich bedrohlich verändert habe. Ihre Lebensräume werden durch Landwirtschaft, Verkehrsanlagen und den Tourismus, kaum noch einen Lebensraum verschont, zunehmend beschnitten und beeinträchtigt. In Bezug auf den Artenschutz hat die im Übrigen recht umweltbewusste Schweiz einen grossen Nachholbedarf. Auf diese sich verschärfende Situation, so sagte ich, müssten die Jäger aus eigenem Antrieb unbedingt Rücksicht nehmen und nicht unentwegt weiterschiessen, als ob nichts geschehen wäre; irgendwo hat es mit der Lustigkeit der Jägerei ein Ende. Man müsste von allen Jägern erwarten können, dass sie die Voraussetzungen zulassen, die es für eine allfällige Erholung der Tierbestände braucht, wenn die Umstände zufällig einmal günstig sein sollten. Sie müssten in den eigenen Reihen für Einsicht und Ordnung sorgen, wenn sie nicht in ein zunehmend schiefes Licht geraten möchten.
Holenweg seinerseits machte auf die Gesetzgebung aufmerksam, die eben den Abschuss von Arten wie die erwähnten zulasse. Dem Buwal seien die Hände gebunden, wenn Jäger keine Einsicht zeigen. Und mir kam in diesem Zusammenhang in den Sinn, dass die Buwal-Beamten nach der neuen Sparrunde auf Bundesebene und der allmählichen, schleichenden Abschaffung des Umweltschutzes eigentlich ebenfalls zu den bedrohten Arten gehören…
Bei all dem Elend bat mich Holenweg inständig, nicht für die Abschaffung der Jagd zu plädieren; denn es sei zu berücksichtigen, dass die Jagd unbedingt nötig sei, weil es zum Beispiel zu viele Wildschweine und Rehe gebe; ein Indikator seien auch die zunehmenden Verkehrsunfälle mit Wild. Dahingestellt blieb bei unserem Gespräch, ob es vielleicht nicht einfach zu viele Motorfahrzeuge gibt, die ja zum gleichen Resultat führen können.
Es gibt auch zu viele Vögel, allerdings solche, die an sich fluguntauglich sind. Und so lange manche Jäger auf alles schiessen, was sich bewegt und dessen Abschuss nicht ausdrücklich verboten ist, belasten sie ihr Image zunehmend negativ. Eine Jagd, die sinnlos dezimierend eingreift, wird zur zusätzlichen Naturbedrohung, verliert die letzte Sympathie und muss sich eben gefallen lassen, dass man ihre Abschaffung fordert.
Nach dem Studium der Jagdstatistik 2003 tue ich dies weiterhin aus Überzeugung, da mir der Tierschutz weit mehr bedeutet als die Befriedigung überbordender Schiesslüste bei einer noch immer viel zu grossen Zahl von einsichtslosen Jägern auf Kosten bedrängter Tiere. Davon kann mich nicht einmal ein ehrenwertes Bundesamt abhalten.
Walter Hess
Hinweis
Die Jagdstatistik 2003 kann über diesen Link aufgerufen werden:
http://www.umwelt-schweiz.ch/buwal/de/fachgebiete/fg_wild/dienstleistungen/jagdstatistik/
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