Gespräch am Begrüssungsapéro
Es sind junge Leute ins Mehrfamilienhaus eingezogen. Sie laden zu einem Umtrunk ein, wollen sich vorstellen.
Auch die Hauswartin ist eingeladen und schaut kurz in die versammelte Runde. Eine ebenfalls junge, aber schon längere Zeit hier wohnende Mieterin benützt die Gelegenheit, der Frau wieder einmal für ihre Arbeit zu danken. Sie schätze das immer frisch duftende, saubere Treppenhaus. Die Angesprochene ist erfreut, dankt und geht wieder weg.
"Wieso hast Du dieser Person speziell gedankt?" wird gefragt. "Die ist doch angestellt, macht ihren Job gegen Bezahlung."
"Ja, auch sie bekommt Lohn für ihre Arbeit, wie du und ich. Freut es dich nicht, wenn dir jemand für eine Leistung dankt? Wir können doch froh sein, dass diese Frau uns eine krisenanfällige Arbeit abnimmt. Müssten wir sie gemeinsam erledigen, würde ich mich wohl über euch ärgern, weil einige es verstünden, sie einfach zu ignorieren."
"Undank ist immer eine Art Schwäche", soll Goethe gesagt haben. Er habe nie gesehen, dass tüchtige Menschen undankbar gewesen wären. Undank ist auch Herzenshärte und Mangel an Einfühlung in die Bedürfnisse von uns allen.
Rita Lorenzetti
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