Alles aus dem Internet
Ich staune immer wieder, wie dem Internet begegnet wird. Es ist ein Glaube an dieses Medium entstanden, von dem Religionen nur träumen können. Was dort publiziert vorliegt, ist für viele Mitmenschen eine Art Evangelium.
Das Internet ist aber nur ein Feld, auf dem sich Wissen und Angebote tummeln und Menschen Kontakte herstellen können. Die Qualität der Informationen ist nicht grundsätzlich gesichert. Es sind immer noch Menschen, die diese bereitstellen. Nicht alles ist zugeschnitten auf persönliche Bedürfnisse. Es braucht nach wie vor den eigenen Verstand, der Brauchbares vom Unnützen unterscheiden kann.
Dazu ein erlebtes Beispiel: Ein Chef wird 60 und hat grösste Mühe, dieses Alter zu akzeptieren. Am liebsten möchte er dieses Geburtsdatum ignorieren. Aber die Mitarbeitenden wollen ihn feiern und beschenken ihn. Den schriftlichen Glückwunsch haben sie aus dem Internet geholt. Zwar wurde er handschriftlich abgeschrieben, doch inhaltlich blieb er fremd. Die Wellenlänge stimmte nicht. In der Du-Form abgefasst, schockierte er den kultivierten Geschäftsmann. Die Hinweise auf Alter und Gebresten, in scheinbar humoriger Formulierung, verdoppelten die unguten Gefühle, die schon vorher vorhanden waren. Was Freude auslösen sollte, brachte beinahe eine Depression hervor.
Gut vorstellbar, dass ein einfacher Satz, ganz auf den betreffenden Mann bezogen, echte Glücksgefühle ausgelöst hätte.
Rita Lorenzetti
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