Seelenschmerzen zufügen?
In seinem Vorwort zu „Der letzte Tag eines Verurteilten“, einem glühenden Plädoyer zur Abschaffung der Todesstrafe, beschrieb Victor Hugo bis ins letzte Detail 2 Hinrichtungen mit der Guillotine, bei denen die Verurteilten vom Fallbeil mehrmals nur „angeschnitten“, aber nicht getötet und daraufhin auf unvorstellbar brutale Weise umgebracht wurden. „Man muss den Frauen der königlichen Staatsanwälte Seelenschmerzen zufügen. Eine Frau ist manchmal ein Gewissen“, so Victor Hugo zu seinem Guillotine-Bericht.
Der Chefredaktor einer Zeitschrift, wo ich gerne meinen Bericht über ein Laborexperiment mit einem Hund publiziert hätte, fand, diese meine Geschichte sei „zu stark“. Ist denn der Leser einer Geschichte, die hautnah einen Tierversuch oder eine Tierschlachtung beschreibt, nicht auch manchmal ein Gewissen, muss man ihm nicht ebenfalls Seelenschmerzen zufügen, wie es Victor Hugo mit seiner Erzählung beabsichtigte? Werden denn die Seelen der Versuchstiere, der Nutztiere, der Pelztiere geschont? Wer das Leiden anderer nur auf Distanz erträgt, nützt eben nicht den Leidenden, sondern nur sich selbst.
Lislott Pfaff
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