Perplexionen: Apostroph auf Wanderschaft
Ein Apostroph eilte von Wort zu Wort, von Zeile zu Zeile, durchwanderte Gedichte. Umsonst. Kein Wort nahm ihn auf. “Die Reime sind schon vergeben” , meinten sie bei Mörike. In der modernen Versfabrik lachten sie ihn aus: “Wir brauchen doch keine Nägel, wir nieten!”
Verzweifelt suchte er weiter nach Unterschlupf bei Autoren, die noch nichts veröffentlicht hatten. „Ein gutes Wort wäre mir lieber“, sagte der erste bedächtig. „Komm doch wieder, wenn mein Gedankenfach gefüllt ist.“ Der Zweite lehnte barsch ab: „Keinen einzigen Buchstab' gebe ich für dich her.“ Verängstigt scharten sich seine Worthennen um ihn. Der letzte, bei dem der Apostroph anklopfte, antwortete: „Wegen eines Lümmels wie dir fehlt mir das Ausrufezeichen in der Schreibmaschine.“
Kurz nach Mitternacht und todmüde verkroch sich der Apostroph in einer Mauerritze. „Was wäre die Mauer ohne Ritz'“, seufzte laut der Apostroph. „Eine Katastroph'!“ erwiderte die Spinne in der Ritze nebenan. Da räkelte sich der Apostroph getrost und ringelte sich zum Schlusspunkt.
Emil Baschnonga
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