Spital-Trilogie
Chefarzt-Visite
Weisses Rauschen,
Mäntelbauschen,
Türflügel schwingen ehrerbietig zur Seite,
um IHN, den Chefarzt-Gott, einzulassen,
gefolgt von den Halbgöttern der übrigen Ärzteschar.
Man flüstert leis': „Wie wunderbar, wie wunderbar, wie wunderbar…“ER, der Chefarzt, begibt sich ans erste Krankenbett.
Hier liegt man dritter Klasse, sechs in einem Saal
Bett an Bett.
Die Patientin findet: „Hier im Spital
sind alle so nett.“Das freut den Chefarzt,
und triumphierend geht er zum nächsten Bett.
Dort liegt eine, die wissen will, wies weitergeht mit ihr.
Das ist natürlich eine saudumme Frage, denn ER weiss es nicht.
Peinliche Situation also weist man die unbequeme Fragerin
erst einmal in götterhaftem Donnerton zurecht.
Sie muss sich gedulden, bis ER das Verdikt auszusprechen beliebt.Jetzt hat ER keine Zeit,
das ginge ja zu weit,
Einzelauskünfte zu erteilen in Sechsbett-Zimmern!
(Einzelauskünfte werden nur an Erstklass- oder Privatpatienten erteilt.)
ER sagt das zwar nicht, lässt es aber durchschimmern…
(In der ersten Klasse würde ER sich diesen Ton nicht erlauben,
meint eine erfahrene Pflegerin.)Nun ja, Ordnung muss sein:
Krankenkassen-
Klassen,
Klassen-Medizin,
Medizin-Mann
hält sich auch daran.
Als Chefarzt und als hoher Offizier
behandelt er die Kranken
nach hierarchischer Manier.
So ist das Leben,
das Sterben, das Leben
im Militär und im Spital
wie überall…Lislott Pfaff
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