Man hört und liest immer wieder, die Ziele der UNO seien Friedenssicherung und der Kampf gegen den Terror. Ich bin mir da nicht so ganz sicher. Was halten Sie davon und vom Begriff Schurkenstaat'?
E.Ch., CH-2000 Neuchâtel
Antwort: Schön wärs, wenn die UNO tatsächlich Kriege verhindern und Frieden stiften könnte. Leider wird diese Illusion von der Realität Lügen gestraft.
Denn gerade jener Staat, der die Menschenrechte aufs Gröblichste verletzt und dessen Politik am stärksten vom Terror geprägt ist, hat im UNO-Sicherheitsrat das Sagen: Ich spreche von den USA. Denn diese Weltmacht bestimmt im Sicherheitsrat, welche Länder als "Schurkenstaaten" zu behandeln sind, und lässt ihre entsprechenden kriegerischen Taten von den übrigen Mitgliedern dieses Gremiums sanktionieren, ja sogar besonders von Grossbritannien, Deutschland und Russland unterstützen.
Eine kleine Auswahl der Terrorattacken, die Amerika bisher ungestraft gegen andere Länder ausüben konnte: 2001 Bombardierung Afghanistans, auch zivile Ziele; 1998 Zerstörung einer Chemiefabrik im Sudan; 1993 Cruise Missiles gegen Bagdad; 1991 Golfkrieg; 1989 Invasion von Panama; 1986 Bombardierung von Tripolis und Bengasi in Libyen. Nach der amerikanischen Invasion in Panama verurteilten sowohl der UNO-Sicherheitsrat als auch die UNO-Generalversammlung mit Resolutionen "die schamlose Verletzung des internationalen Rechts und der nationalen Unabhängigkeit, Souveränität sowie der territorialen Integrität dieses Staates". Daraufhin legte Washington gegen diese Resolutionen das Veto ein und verhinderte so Massnahmen gegen seine Schandtaten so einfach und "demokratisch" geht es in der UNO bei der weltweiten "Friedenssicherung" zu und her...
Der amerikanische Philosophieprofessor und Schriftsteller Noam Chomsky zählt auch sein eigenes Land zu den "Schurkenstaaten". Während beispielsweise Kuba als führender "Schurkenstaat" abqualifiziert worden sei, "fallen die USA selbst nicht unter diese Kategorie trotz ihrer Terrorattacken gegen Kuba während fast 40 Jahren", schreibt Chomsky in seinem im Jahr 2000 erschienenen Buch "Rogue States" (= "Schurkenstaaten"). "Die Kriterien sind ziemlich klar: Ein 'Schurkenstaat' ist ein Staat, der die Befehle der Mächtigen nicht befolgt - während diese selbstverständlich von dieser Kategorisierung ausgeschlossen sind", führt Chomsky aus. Die USA können sich also so schlecht benehmen, wie sie wollen im Rahmen der UNO waren sie, jedenfalls bisher, vor Kritik und Opposition geschützt.
Da ich verhindern wollte, dass mein Land (Schweiz) einer Organisation beitritt, die vor den kriminellen Aktionen einer selbstherrlichen Weltmacht die Augen verschliesst und extreme Ungerechtigkeiten untertänigst toleriert oder gar befürwortet, habe ich am Abstimmungs-Wochenende vom 3. März 2002 zusammen mit 1 236 000 anderen Stimmenden zum UNO-Beitritt der Schweiz ein Nein in die Urne gelegt. Leider war eine knappe Mehrheit von Volk und Ständen (Kantonen) anderer Meinung.
Wäre die Schweiz eine UNO-ähnliche Staatengemeinschaft, so würden nun die Mächtigen unter den eidgenössischen Neinsagern so wie die USA dies unter anderem zu den Panama-Resolutionen taten zu diesem Ja ihr Veto einlegen und damit mühelos eine wichtige Änderung unserer Verfassung verhindern. Da aber die Schweiz eine echte und nicht nur eine Pseudo-Demokratie ist, akzeptieren die Verlierer den Entschluss der Mehrheit, ohne zu murren.
Bleibt zu hoffen, dass auch die USA aus dieser terrorfreien Politik etwas lernen und dass das neue UNO-Mitglied Schweiz kein Blatt vor den Mund nehmen wird, wenn im UNO-Sicherheitsrat künftig wieder die alten Tricks einer selbstherrlichen Weltmacht ausgespielt werden. Man kann nur hoffen...
Lislott Pfaff
Der Tag nach der Schweizer UNO-Abstimmung Am Morgen nach dem Schweizer Uno-Abstimmungs-Wochenende vom 2./3. März 2002 fuhr ich im Auto von Liestal über die Anhöhe von Giebenach zu den altrömischen Ruinen von Augusta raurica hinunter. Dichter Nebel verwehrte die Sicht auf die noch nicht verbetonierte Kulturlandschaft, auf die sanft ansteigenden Matten mit einzelnen Bäumen und Baumgruppen und auf die dahinterliegenden bewaldeten Hügel. Keine spektakuläre, aber doch eine reizvolle Landschaft. Ich wusste, das sie vorhanden war, ohne sie zu sehen. Auf dem höchsten Punkt der wenig befahrenen Strasse drängten sich die Nebelschwaden so beängstigend nahe an die Autofenster, dass ich meinen Fuss häufiger auf dem Brems- als auf dem Gaspedal ruhen liess. Der silbergraue Nebel, der sich besänftigend auf die Welt legte, erzeugte eine symbolhafte Stimmung nach dem Ja zur UNO, das dank der Vernebelung der politischen Tatsachen durch unseren Bundesrat zustande gekommen war. "Die Welt will betrogen und belogen sein und nur mit Wahn geäfft und regiert werden...", heisst es schon in Sebastian Francks 1533 erschienenen "Paradoxa". Mit einem eindeutigen Ja zur UNO hatte die Region, die ich eben durchfuhr, ihr Plazet zu einer Vernebelungsstrategie gegeben, die ebenso undurchsichtig war wie die feuchten Schwaden, die mich beim Autofahren umwogten. Wohin die eingeschlagene Strasse führen würde, war dabei völlig unklar. Mahnend reckten die Bäume, welche die Strasse begleiten, ihre nackten Zweige in das Grau, während eine Reihe geköpfter Weiden nicht einmal mehr traurig den Kopf hängen lassen konnte. Sie sahen jedoch so schon traurig genug aus. Auf der Hauptstrasse angekommen, die sich dem Rhein entlang zieht, rollte ich am Chemiekomplex von Schweizerhalle vorbei bis nach Basel, wo der breite Strom unter dem grauen Nebel seine braungrünen Wellen ungerührt vor sich her schob. Unberührt von der politischen Entscheidung der Menschen, die an seinen beiden Ufern wohnen, wälzte er sein mehr oder weniger gereinigtes Wasser nordwärts dem Meer zu. Es regt ihn weder an noch auf, den Rhein, was in der Stadt geschieht, die er unablässig durchströmt. Ein unnennbares Etwas treibt ihn weiter, immer weiter er nimmt seinen Lauf wie das Schicksal der Millionen von Menschen in den Ländern, die er berührt. In der Hauptgeschäftsstrasse der Basler Innerstadt flatterte vor einem traditionsreichen Damenkonfektionsgeschäft triumphierend die "Stars and Stripes"-Flagge. Auch ein Symbol für den Tag danach? Als ich eine Stunde später nochmals dem Rhein entlangfuhr, glitzerte er hoffnungsfroh unter den Strahlen der Sonne, die inzwischen den Nebel besiegt hatten. Man darf die Hoffnung nie aufgeben, dachte ich, so wie der Rhein mitten in der Stadt Basel seinen Lauf abrupt ändert und zielstrebig nordwärts fliesst, kann auch der Lauf unseres politischen Schicksals eine unvorhergesehene Wendung nehmen eine Wendung zum Besseren. Lislott Pfaff |
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