Wir haben hier auf Cebu hie und da Insektenstiche - weniger als in Biberstein allerdings. Den schlimmsten „Biss“ hatte ich von einem „hairy caterpiller“, einer kleinen, haarigen Raupe, die man nicht einmal berühren muss - es genügt, wenn deren Haare durch die Luft (mit dem Wind) auf Deine Haut kommen. Wenn man dann kratzt, folgt ein massiver Ausschlag.
Die Filipinos wissen genau, was man gegen solche Dinge machen muss. Das Hausrezept ist:
1. Nicht kratzen
2. Babypuder aufstreuen, um die Haut zu trocknen
3. Gegen den Stich: Ammoniak.
So habe ich mir eine Flasche Ammoniak ("extra strength") gekauft, und als ich erfahren wollte, wie das wohl riecht, ist mir beinahe die Lunge explodiert, wie damals beim Wasserpfeifenrauchen mit dem Wetrok-Staubsauger…
Wenn man aber nicht einfach daran riecht, sondern an der frischen Luft die Flüssigkeit auf Stichwunden tut, gehen wirklich alle Folgen der Kontakte mit den Raupenhaaren und die meisten Probleme weg. Ist dem etwas entgegenzuhalten?
Rolf P. Hess, Coralpoint, Mactan, Cebu , Philippines
Antwort: Dem ist wenig entgegenzuhalten; denn das ist eine verhältnismässig gute Lösung für alle, auch für die Insekten. Sie werden ja nicht umgebracht.
Ich selber bin ein bekennender Insektenfan. Denn diese Tiere werden auch mit den schwierigsten Lebenslagen fertig und sind in diesem Sinne Vorbilder, ja sie haben sich in der letzten Zeit sogar enorm zu vermehren verstanden; die Entomologen (Insektenforscher) haben alle Hände und Lupen voll zu tun. Für die Souveränität, mit denen die Insekten auch schwierigste Lebensumfelder bewältigen, verdienen sie unseren Respekt.
Selbstverständlich fühlen wir uns in der wohnlichen Schweizer Gemeinde Biberstein am Jurasüdfuss mit Blick auf die Aare bevorzugt, wenn wir hier mehr Insekten als Ihr im Herzen der Philippinen haben. Selbstverständlich spielen dabei viele äussere Umstände mit, auch klimatische; aber ein Insektenreichtum ist ein Zeichen für ökologische Vielfalt. Demnächst werden im Aaretal (im Raume Aarau – Rohr AG – Biberstein – Rupperswil) die Voraussetzungen für eine Auenlandschaft, wie es sie hier früher einmal gegeben hat, geschaffen, und in diesem Zusammenhang dürfte es zu einer willkommenen zusätzlichen Belebung der Insektenfauna kommen. Das wird sich auf das ganze ökologische Gefüge belebend auswirken.
Man liest selten Gutes über die Insekten; sie werden mehrheitlich als Schädlinge und Ungeziefer verunglimpft (eine inakzeptable Form von üblem Rassismus) und mit allen Mitteln bekämpft, vor allem mit chemischen (mit Insektiziden = C-Waffen). Selbst in Bezug auf die Insektenstiche wird zu Bekämpfungsmassnahmen aufgerufen. Diese Stiche sind in der Regel vollkommen harmlos, jucken und brennen aber ein bisschen.
Meines Erachtens sind Insektenstiche durchaus ein Beitrag zur Förderung der Gesundheit: Sie sind eine Herausforderung für das Immunsystem, das hier seine Trainingsmöglichkeiten findet. Der Organismus wehrt sich gegen verschiedene Eiweissarten, welche im Speichel des Insekts enthalten sind. Zunächst bildet sich um die Stichstelle ein rötliches Mal. Eine weitere Reaktion, die manchmal mit mehreren Stunden Verzögerung eintritt, ist die Entstehung einer juckenden und geröteten Schwellung (Quaddel) um die attackierte Stelle. Diese Reaktion geht meist mit Juckreiz einher und wird als schmerzhaft bezeichnet, was ich allerdings nicht nachvollziehen kann. Wenn das Schmerzen sind! Erwähnenswerte Nebenwirkungen gibt es kaum, abgesehen bei Allergikern, deren Immunsystem desorientiert ist. Gewisse Insektenarten können Infektionskrankheiten übertragen. Zeckenstiche können in einzelnen Regionen die Frühsommer-Hirnhautentzündung (FSME) oder Borreliose (Lyme-Disease) verbreiten; doch die entsprechenden Gefahren werden masslos übertrieben dargestellt, um das Impfgeschäft anzukurbeln, die übliche Angstmacherei im Interesse des Medizinkonsums. In den Tropen ist die Anophelesmücke Überträger von Malaria; doch die dort ansässige Bevölkerung ist gewohnt, damit zu leben.
Ich selber freue mich immer aufrichtig, wenn ich von einer Biene oder einer Wespe gestochen werde. Mit einem Hornissenstich wurde ich erst einmal beehrt, weil ich mich für das Nest oberhalb der Kinderzimmer unseres Hauses allzu sehr interessiert habe. Das Nest wurde jedes Jahr wieder eingerichtet, und für unsere Töchter war das ein interessantes Erlebnis – man kannte sich ja mit der Zeit. Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen; das Recht zur Selbstverteidigung muss man ihnen wohl zugestehen. Ich habe den Hornissenstich als schmerzhaft empfunden; der Arm wirkte schwer und versteift; dennoch wusste ich dieses Ereignis wegen seines Gesundheitswertes zu schätzen.
Zu Stechmückenstichen kommt man häufig; denn sie sind auf etwas Blut angewiesen – sie betrachten uns als Blutspender, arbeiten aber nicht mit speziellen Ausweisen. Die höfliche Stechmücke (Culex pipiens autogenicus) verdankt die Blutspende mit dem Einbringen einer Speichelsubstanz in die Haut, damit das Blut nicht sofort gerinnt. Sie trägt sozusagen zur Blutverdünnung bei. Bei der Blutspende fürs Rote Kreuz gibts in der Schweiz manchmal Schinkenbrot, Kaffee oder Fruchtsaft. So haben alle Individuen ihre eigenen Sitten und Gebräuche.
Bei Übernachtungen in einer Hängematte in der Nähe des Rio Tapajos in Amazonien (Brasilien) benutzte ich das Moskitonetz, das uns abgegeben worden war, als Kopfkissen, liess mich in der ersten Nacht wohl über 100 Mal stechen – und in den nachfolgenden Tagen schien sich keine Mücke mehr für mich zu interessieren. Mein Immunsystem ist in einem Zustand, der Bewunderung abverlangt.
Was auf den Philippinen als Haarige Raupe bezeichnet wird, weiss ich nicht genau, zumal ja viele Raupen behaart sind. Es gibt eine Rothaarige Raupe (Red Hairy Caterpillar) , die offenbar die Rizinuspflanzen bedroht. Es wäre interessant, Näheres über dieses Tierlein zu erfahren, vor allem auch darüber, was es mit dem Verbreiten seiner Haare verfolgt. Vielleicht gibt es Textatelier-Nutzer, die uns ihr Wissen zur Verfügung stellen (E-Mail: walter.hess@textatelier.com ).
Immerhin erfreuen wir uns hier in Zentraleuropa ebenfalls einer Raupe mit giftigen Haaren: Jene des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processionea) , der auf Eichenbäumen lebt und Eichenblätter frisst, allerdings ohne grossen Schaden anzurichten. Die Raupenhaare sind mit Widerhaken versehen und enthalten das Nesselgift Thaumetoporin. Die Berührung dieser Haare kann pseudoallergische Reaktionen an Schleimhäutenund am Körper (Raupendermatitis) hervorrufen. Eine entsprechende „Raupenplage“ wurde im Sommer 2003 im Schwimmbad Pratteln BL, wo es bei Badegästen auch zu Asthmaanfällen kam. Laut Zeitungsberichten wurden 16 beherzte Feuerwehrleute mit Schutzanzügen und Atemschutzgeräten aufgeboten, um die „Nester auf dem umliegenden Bäumen mit Bunsenbrennern grossflächig abzuflammen“ („BZ“ vom 18. Juni 2003). Der Kampf wurde gewonnen.
Wie gefährlich aber ist der Ammoniak?
Nun zum Ammoniak (NH3) , beziehungsweise zur wässrigen Ammoniaklösung; unsere Eltern sagten dem jeweils Salmiak oder Salmiakgeist. Sie benutzten diese schwach alkalische Flüssigkeit zu Reinigungszwecken; sie ist ein gutes Lösungsmittel für viele organische und anorganische Stoffe. Aber ganz harmlos ist diese Lösung mit dem charakteristisch stechenden Geruch – einer Warnung – nicht, vor allem weil sich Ammoniumhydroxid (NH4OH) bildet.
Grundsätzlich sollte man nie die Nase in einen Flaschenhals stecken, sondern die Flasche mit wenig bekanntem Inhalt mit der einen Hand in einer sicheren Distanz vor sich hin halten und mit der anderen wedelnde Bewegungen über der Öffnung ausführen, so dass die Düfte in sehr verdünnter Form zur Nase gelangen; gegebenenfalls kann man sich der Flasche immer noch vorsichtig nähern. Beim Einatmen von Ammoniak kommt es zur Reizung der Bronchialschleimhaut und auch die Bindehäute der Augen können angegriffen werden. Das heisst, dass Du damit vorsichtig umgehen musst – ich würde nicht gleich eine extra konzentrierte Lösung einsetzen.
Feiner Ammoniakgeschmack ist nicht unangenehm: Es gibt auch spezielle Käse, die einen ganz schwachen Ammoniakgeruch verströmen: Gruyère (Greyerzer) und verschiedene Blauschimmelkäse – ich mag das gern.
Gegen Insektenstiche gibt es unendlich viele Hausmittel, etwa das Auflegen einer Scheibe einer rohen Kartoffel, von essigsaurer Tonerde oder den Gel aus einem Aloe-vera-Blatt. Wenn das Jucken fast unerträglich wird und einen am Einschlafen hindert, kann man sich auch mit einer kühlenden mentholhaltigen Salbe behelfen. Der Juckreiz verschwindet fast sofort.
So wünsche ich Euch viele Insektenstiche aller Art – und damit gute Gesundheit.
Walter Hess
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