In unserem Garten wächst das rote Geissblatt. Kann man die roten Früchte verwerten?
W. Hä., CH-4600 Olten
Antwort: Die Gemeine (im Sinne von Gewöhnliche) oder Rote Heckenkirsche ist die Lonicera xylósteum (französisch: Le lonicéra camérisier), ein Geissblattgewächs (Caprifoliaceae), deren paarweise erscheinende, aber nicht verwachsene Beeren für uns Menschen giftig sind. Die Hauptinhaltsstoffe der roten Beeren sind der kaum erforschte Bitterstoff Xylostein, ferner Xylostosidin und andere Alkaloide, Saponin und cyanogene Glykoside. Die Beeren können Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall, Apathie, Herz-Kreislauf-Störungen, Fieber und Krampfanfälle verursachen, also sehr unterschiedliche Auswirkungen haben. Die Informationszentrale gegen Vergiftungen der Universität Bonn http://www.meb.uni-bonn.de/giftzentrale, deren Homepage einige Angaben zur Giftigkeit entnommen sind, empfiehlt die Einnahme von Kohle (Aktivkohle), um die Gifte zu binden.
Dafür sind die Heckenkirschen eine wichtige Nahrungsgrundlage für Schmetterlinge und Vögel. Das ruft uns in Erinnerung, dass die Früchte dieser Erde nicht allesamt einfach für die Menschen bestimmt sind.
Im Büchlein "Wildfrüchte"“ von Robert Quinche und Eugen Bossard (Ott Verlag, Thun, erschienen 1978) liest man eine poesievolle Beschreibung des Roten Geissblatts (Beinholz): "In den Dörfern am Fuss des Waadtländer Jura ist dieser Strauch unter dem Namen Besenstaude bekannt; mit seinen verästelten, elastischen Zweigen erfüllte er diese Aufgabe aufs beste. Das rote Geissblatt wird 150 bis 300 Zentimeter hoch und trägt ein dekoratives, gleichmässiges Blätterkleid, wie geschaffen für Ziergebüsche und Hecken. In der Natur bevorzugt der Strauch nicht zu schattige Standorte, Waldränder, Waldlichtungen und lockeren Hochwald in der Ebene wie im Gebirge bis 1600 Meter. Im Mai-Juni spriessen aus den Blattachsen die gelblich-weissen Blüten, duftig wie Schmetterlinge, zu zweit am gleichen Stengel. Auch die erbsengrossen Früchte reifen paarweise, unten zusammengewachsen, glänzend rot und durchscheinend bei der Reife. Jetzt neigen sich die Zweige unter ihrem reichen Schmuck."
Die Pflanze hat flaumig behaarte, ganzrandige und rundlich-elliptische Blätter. Sie liebt lockeren, etwas steinigen und kalkhaltigen Boden und ist deshalb im Jura häufig anzutreffen. In meinem eigenen Garten am Jurasüdfuss ist nahe beim Hauseingang durch einen gestalterisch begabten Vogel genau am richtigen Ort ein Rotes Geissblatt gepflanzt worden, das als Türsteher einen hohen Dekorationswert hat.
Es gibt zahlreiche andere Heckenkirschenarten wie das Schwarze Geissblatt (Lonicera nigra), die Alpen-Heckenkirsche (Lonicera alpigena), die Blaue Heckenkirsche (Lonicera coeurulea) und das Waldgeissblatt (Lonicera periclymenum). Auch Gartenformen wie die Lonicera tatarica (Tatarische Heckenkirsche), maacki und involucrata ledebourii (nach C. F. von Ledebour [1785-1851], Direktor des Botanischen Gartens Dorpat [Estland]), sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Die zuletzt genannte seltene Art wird auch als Kalifornische oder Grossblättrige Heckenkirsche bezeichnet. Es handelt sich um einen sommergrünen Strauch, der auch in schattiger Lage wächst und bis 2 m hoch werden kann.
Sie alle blühen im Mai und Juni, wobei die Gartenformen in der Regel eine etwas länger dauernde Blütezeit haben.
W.H.
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