Ich bin schockiert über den Zustand einer maschinell "gepflegten" Hecke im Gebiet "Schachen" der Gemeinde Biberstein. Äste und Stämme sind gespalten. Darf man mit Pflanzen so umgehen. Ich habe mich geärgert und bitte Sie, etwas zu unternehmen.
G.O., CH-5023 Biberstein
Antwort: Sie will tatsächlich gar nicht so richtig zur Bio-Badi im Bibersteiner Schachen passen, die maschinell zerfetzte, übel zugerichtete Hecke zwischen Sportplatz und Landwirtschaftsgebiet in der Nähe des Schulhauses. Sie wurde also im März 2002 genau in jenem Bereich zu einem verkrüppelten Wrack geschlagen, wo hoffentlich und wahrscheinlich den Kindern etwas Ehrfurcht vor Lebensräumen, Pflanzen und Tieren beigebracht wird. Diese "Heckenpflege" war reiner Vandalismus. Da gab es nichts von einer sauberen, schrägen Schnittführung, um die Wunden klein zu halten. Früher wurden Pflanzenwunden noch liebevoll mit Balsamen und Wachsen bestrichen.
Es kann vorkommen, dass Hecken ausgelichtet werden müssen, besonders wenn Grosssträucher (wie Haselnuss und Weissdorn) und Bäume Oberhand gewinnen. Die Hecke verliert dann ihre typischen Eigenschaften; die Niederstrauchschicht und das Heckeninnere können unter einem dichten Blätterdach tatsächlich kahl werden. Eine schonende Massnahme ist das Zurückschneiden, die auch angewandt wird, wenn ausschweifende Äste das Allerheiligste beeinträchtigen, den motorisierten Verkehr nämlich. Wird der Rückschnitt aber maschinell und damit schematisch vorgenommen, sind solche regelmässig rasierten Hecken arm an Blüten und Früchten. Das Herausnehmen einzelner Äste mit Bedacht ist sinnvoller.
Eine weitere Möglichkeit einer wohlverstandenen Heckenpflege ist das Auslichten, wobei auch Stämme mit all dem Drum und Dran entfernt werden, meistens in Kombination mit dem Zurückschneiden. Diese Arbeit erfordert exakte Kenntnisse der einzelnen Arten und ökologisches Verständnis im weitesten Sinn, damit Lebensräume erhalten bleiben und die Hecke ein angenehmes Bild in der Landschaft ergibt.
In dieses Kapitel gehört auch das so genannte Auf-den-Stock-Setzen, wenn einzelne Sträucher zu gross geworden sind. Die Pflanzen werden etwa 30 cm über dem Boden abgesägt: Dabei muss darauf geachtet werden, dass die freigelegten Stöcke genügend Licht erhalten, damit sie sich erholen, das heisst wieder ausschlagen können. Begrüssenswert ist es, wenn nicht alle Pflanzen auf einmal zurückgesägt werden, sondern solche Massnahmen in längeren Zeitabschnitten (nach Jahren) abschnittweise mit der gebührenden Zurückhaltung erfolgen. So kann die Hecke einen Teil ihrer Aufgaben jederzeit wahrnehmen. Das Weidvieh muss vor stark eingekürzten Hecken selbstverständlich durch eine Abzäunung ferngehalten werden, sonst können sich die Sträucher nicht mehr erholen.
Aus den bisherigen Ausführungen ergibt sich von selbst, dass eine maschinelle "Heckenpflege" keine befriedigenden Resultate bringen kann; sie ist zu rudimentär, zu undifferenziert. Die verhältnismässig befriedigendsten Resultate können noch mit Mähbalken oder Heckenscheren, allenfalls mit Kreissägen, erzielt werden, wobei eine geschickte Handhabung der Geräte nötig ist und zusätzliche manuelle Eingriffe unumgänglich sind.
Die so genannten Schlegelmäher ein solcher kam in Biberstein irrtümlicherweise zum Einsatz wurden für das Mähen (die Mahd) entwickelt. In den Hecken haben sie aber nichts zu suchen, weil sie die Sträucher zerfleddern und die Äste oft der Länge nach einreissen, so dass grosse Wunden entstehen. Wer eine Hecke allmählich vernichten will, wird zu dieser Brachialmethode greifen...
Hecken und Gebüsche sind prägende Landschaftselemente (natürliche Zäune) und bieten vielen Tieren Unterschlupf; sie dienen ihnen auch als Brutstätte, Nahrungsquelle, Aussichts- und Orientierungspunkte. Zudem schützen sie vor Wind, Staub, Erosion. Zahlreiche Hecken fielen in den vergangenen Jahrzehnten der industrialisierten Landwirtschaft zum Opfer, weil sie den schweren Maschinen im Wege standen. Bei der Rückkehr zu einem naturorientierten Anbau werden sie zu imageverbessernden Aushängeschildern für bäuerliches Naturverständnis.
Im Auftrag der Aargauer Gemeinde Biberstein durfte ich vor Jahren als Mitglied einer Naturschutzkommission mitwirken, welche die Aufgabe hatte, die vorhandenen Hecken zu kartieren, zu fotografieren und zu beschreiben. Das war eine schöne, befriedigende Aufgabe, und wir spürten, dass dieser ehrenvolle Auftrag aus einem ehrlichen Bemühen heraus erteilt worden war, Biberstein weiter in einen lebenserfüllteren Lebensraum zurückzuverwandeln. Die chlorfreie Bio-Badi war ein weiterer Meilenstein in Richtung zu mehr Naturnähe. Solche Massnahmen werden von einer natursensibilisierten Bevölkerung freudig mitgetragen.
Ich nehme nicht an, dass die "Heckenpflege" im Schachen und in gleicher Art auch auf der Juraweide auf einem Grundstück, das dem Kanton Aargau gehört, eine Abkehr von der traditionellen Bibersteiner Politik zu mehr ökologischer Vielfalt und damit zu einer höheren Lebensqualität war. Viele Leute haben sich über die disharmonischen Holzhacker-Suiten aufgeregt; ich zähle mich zu ihnen. Wer Pflanzen als empfindsame Wesen versteht und die Funktionen einer Hecke kennt, wird sie nicht mechanisch brutal verstümmeln.
Die Bibersteiner Gemeindebehörde hat sich bisher in naturschützerischen Belangen vorbildlich verhalten: Absage an den Staffeleggzubringer, Einsatz für den Auenschutzpark im Rohrer Schachen, Bio-Badi usf. Das wird hoffentlich wohl auch in Zukunft so bleiben.
Walter Hess
*
* *