In regelmässigen Abständen verspüre ich (29) eine "innere Hitze". Was könnte das sein?
C.H., CH-5035 Unterentfelden
Antwort: Die besten Erklärungen für das Phänomen der inneren Hitze der Körper erwärmt sich ungeachtet der Aussentemperatur findet man in den fernöstlichen Philosophien, in denen der Mensch als Energiewesen verstanden wird; denn im Prinzip ist alles Energie, auch die "tote" Materie solche gibt es nicht. Man ordnet Menschen wie Sie nach den Grundsätzen der altchinesischen Lebenskunde der Yang-Konstitution (Hitze-Konstitution) zu, im Gegensatz zur Yin- oder Kälte-Konstitution. Die Yang-Menschen frieren selbstverständlich auch bei Kälte weniger; ich zähle mich ebenfalls zu diesen. Demgegenüber haben wir bei hohen Temperaturen Mühe, das Wohlbefinden zu behalten. In tropischen Ländern schlafe ich miserabel, wenn der Raum nicht klimatisiert ist. Ich übergiesse mich laufend mit möglichst kühlem Wasser, wenn solches erreichbar ist, damit mir die für die Verdunstung benötigte Energie etwas Hitze entzieht. Das Schwitzen nutzt genau den gleichen Mechanismus.
In der tibetischen Yoga-Tradition (Yantra Yoga) gibt es spezielle Atem-Praktiken, um diese innere Hitze zu erzeugen, also um den eigenen Körper mit so genannter magischer Hitze anzureichern, die Tummo genannt wird. Man ist dann für die Kälte weniger empfänglich. Die innere Hitze ist dort durchaus erwünscht. Denn diese Hitze wird als Grundlage für Empfindungen und Wahrnehmungen verstanden. Ein inneres Strahlungsfeuer wird dort sehr geschätzt; es wird mit Lebensfreude in Zusammenhang gebracht. Wir sagen manchmal auch, jemand habe ein inneres Feuer für dieses oder jenes entwickelt. Das Gegenteil ist weniger gefragt: Nicht umsonst spricht man von kalten Menschen, womit in der Regel gefühlskalte Menschen gemeint sind.
Innere Hitzegefühle können durchaus etwas mit der Ernährung zu tun haben; denn Gewürze wie Chili, Curry-Mischungen, Pfeffer, Fenchel, Zimt, Muskatnuss, Nelken heizen zusätzlich an. Wenn ich an kalten Wintertagen im Freien arbeite, kocht mir meine Frau Hafermus oder ein Maisgericht wie Polenta; ich habe dann das Gefühl, einen kleinen Ofen verschluckt zu haben. Wenn man sich dazu auch noch etwas bewegt, spürt man überhaupt keine Kälte, ja man empfindet das winterliche Klima als ausserordentlich angenehm, je kälter desto lieber.
Falls Sie die innere Hitze senken wollen, würden Ihnen die Chinesen zu Salaten, Gurken, Tomaten, Wassermelonen, Wasserkastanien, Birnen und Tofu raten. Gerade bei Birnen spüren viele Menschen, dass sie "kälten" (Kälte erzeugen).
Über die innere Hitze kann man in Werken über den Schamanismus wie auch in germanischen Heldenmythen nachlesen. Einige Schamanen sollen es verstanden haben, den Geist des Feuers einzukörpern, d.h. in den Körper aufzunehmen, und dann durch Mund, Nase und den ganzen Körper Flammen auszusenden, ein schönes Bild, das man vielleicht in einem tranceähnlichen Zustand zu sehen glaubt. Und von einem irischen Helden berichtet die Sage, man habe ihn in einen Bottich gesetzt, worauf er das Wasser aus eigenen Kräften so heiss machte, dass Bretter und Reifen gesprengt wurden, und in einem weiteren Bottich soll er das Wasser gar zum Kochen gebracht haben. Ich finde es immer sympathisch, wenn die Übertreibungen so ausgeprägt sind, dass man sie gleich als solche erkennt.
Der Mensch braucht eine gewisse Betriebstemperatur, um voll funktionstüchtig zu sein; früher hat man jeweils sogar die Automotoren warmlaufen lassen, bevor man den 1. Gang einlegte und abgefahren ist. Allgemein haben Männer eine höhere Körpertemperatur als Frauen, die schneller frieren, was wir Männer manchmal gern ausnützen, indem wir Frauen an uns heranziehen, um ihnen warm zu geben...
Der Energiefluss ist bei höheren Temperaturen verbessert; die Organe arbeiten reibungsloser. Unser bekanntes Fieber ist nicht einfach Ausdruck einer inneren Hitze und auch keine Krankheit, sondern es bietet ideale Voraussetzungen, damit der Körper die Abwehrschlacht gegen krankmachende Erreger (wie Bakterien und Viren) bei ideal erhöhter Temperatur gewinnen kann. Plötzlich auftretende Hitzewallungen ihrerseits gehören zu den Beschwerden der Wechseljahre; sie werden manchmal als angenehm oder aber auch als unerträglich beschrieben. Doch dafür sind Sie noch zu jung.
Oder handelt es sich vielleicht um eine zu früh eintretende "Abänderung"? Im klinischen Wörterbuch "Pschyrembel" (benannt nach dem Autor Willibald Pschyrembel, 1901-1987) steht dazu: "Klimakterium praecox: Vorzeitiges Klimakterium inf. vorz. Erschöpfung der Ovarien (...). Finden sich klimakterische Ausfallserscheinungen bei jungen und jüngeren Frauen (als Grenze hat man das 43. Jahr festgelegt), so spricht man von K.p.". Es bräuchte gegebenenfalls also Abklärungen, um festzustellen, ob es sich bei Ihnen bereits ums Klimakterium praecox handelt, ob es an Ihren Eierstöcken (Ovarien) liegen könnte. Doch dabei besteht die Gefahr, dass dies einen schulmedizinischen Behandlungs-Marathon nach sich zieht. Sie müssen selbst entscheiden, ob Sie einen Arzt fragen möchten, in den Sie das nötige Vertrauen haben, falls es Ihnen daran liegt, von fachmännischer Seite beruhigt zu werden. Falls der Arzt eine eindeutige Diagnose gestellt hat, bleibt es immer noch Ihnen allein überlassen, wie Sie sich zu Ihren Eigenheiten verhalten wollen. Vielleicht wären Sie bei einem erfahrenen asiatischen Arzt gegebenenfalls an der richtigen Adresse.
Bitte beobachten Sie, ob es Faktoren gibt, die bei Ihnen die innere Hitze erzeugen können (bestimmte Lebensmittel, Gewürze, heisse Getränke, Alkohol, hohe Umgebungstemperaturen, Stress, nervöse Reaktionen usw.) oder ob diese Hitzeempfindung ungeachtet Ihres Lebensstils tatsächlich mit schöner Regelmässigkeit auftritt, wie Sie in Ihrer Frage angetönt haben. Es gilt, alles zu tun, um sich selber besser kennen zu lernen. Dann kann man seinen eigenen körperlichen Zustand steuern, beispielsweise seine eigenen Temperaturempfindungen beeinflussen, und den Körper auf das einstellen, was in einer bestimmten Situation erwünscht ist.
Zweifellos können Sie Ihre innere Hitze zur Verbesserung Ihres Wohlbefindens nutzen, wenn Sie die Entstehungsmechanismen einmal gründlich durchschaut haben. Beobachtung ist alles. Sie bringt uns auch in Temperaturfragen weiter.
wh.
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