Wie wirkt sich kohlensäurehaltiges Mineralwasser für den Menschen in gesundheitlichen Belangen aus?
Alice Liu, 11 Thurloe Place, London GB
Antwort: Jedes Lebewesen hat einen Kohlensäurehaushalt beziehungsweise Kohlendioxidhaushalt, auch die Pflanzen und der Organismus Erde; für die Pflanzen ist CO2 ein vorrangiges Nahrungsmittel. Alle diese Haushalte können durcheinander gebracht werden: Der menschliche durch falsches Atmen, wie das bei Asthmapatienten die Regel ist, und durch das Trinken von Getränken, die stark kohlensäurehaltig sind.
Das CO2 (genau genommen: Kohlenstoffdioxid) ist ein farb- und geruchloses, schwach säuerlich schmeckendes Gas, das auch natürlich vorkommt. In Show-Veranstaltungen liefert es den unnötigen Nebel (Trockeneis ist auf -78°C abgekühltes CO2). Das Kohlendioxid wird meistens als Kohlensäure bezeichnet, obschon dies die wässrige Lösung dieses Gases ist: chemische Formel H2CO3. Auch hier wird sprachlich etwas vernebelt…
Der Mensch hat seit Beginn der industriellen Revolution durch all die Verbrennungsaktionen, die über jedes vernünftige Mass hinausgehen, besonders gravierend in den Kohlendioxidhaushalt unseres Planeten eingegriffen; das CO2 wirkt als Treibhausgas, wenn es im Übermass vorhanden ist. Etwa 13 t CO2 werden pro Jahr und Mensch in den Industrieländern produziert, vor allem wegen Mobilmachung (Betrieb von Verbrennungsmotoren) und der Globalisierung mit dem damit verbundenen weltweiten Herumschieben von Gütern aller Art. Die Natur kann wegen der Dezimierung von Wäldern und Pflanzen im weitesten Sinne immer weniger Kohlendioxid aufnehmen. Der Mensch scheint es auf Gleichgewichtsstörungen geradezu abgesehen zu haben, in der Atmosphäre und hienieden auf der Erde.
Betrachten wir den menschlichen CO2-Haushalt genauer, um der Antwort auf die Sprudelwasser-Frage auf die Spur zu kommen: Die Atmung (Einatmung und Ausatmung) dient der Versorgung der Zellen mit dem lebenswichtigen Sauerstoff und gleichzeitig der Ausscheidung des Kohlendioxids, dem Endprodukt des Energiestoffwechsels.
Der Mensch atmet also Sauerstoff (O2) ein. Dieser wird über den Blutkreislauf ins Gewebe abgegeben er gelangt in die haarfeinen Kapillaren zwischen dem arteriellen und venösen Teil des Blutkreislaufs und schliesslich in die Zellen. Den Gasaustausch zwischen Blut und Zellen bezeichnet man als innere Atmung. In den Zellen findet die biologische Oxidation statt (Zellatmung); dort ist die Anwesenheit von Sauerstoff die wichtigste Voraussetzung für die Energiegewinnung aus den Nährstoffen; auch Verbrennungen funktionieren schliesslich nur bei Sauerstoffzufuhr. Das Blut nimmt das dabei anfallende Kohlendioxid auf und transportiert es weiter. Der umgekehrte Gasaustausch findet dann im so genannten Kleinen Lungenkreislauf statt. Hier sind die Gefässwände ausgesprochen dünn, und das Blut fliesst sehr langsam. Das Kohlendioxid wird am Ende über die Atmung ausgeschieden.
Die Atmung wird im verlängerten Mark (Medulla oblongata) unbewusst gesteuert, das heisst der O2- und der CO2-Gehalt des Blutes müssen dort ständig erfasst und ausbalanciert werden, damit auch der pH-Wert (bzw. das Säure-Basen-Gleichgewicht, das auch von Nahrungskomponenten beeinflusst wird) in engen Grenzen bleibt. Die Werte dürfen in keiner Richtung wesentlich überschritten werden. Steigt der Kohlendioxid-Gehalt plötzlich an, z.B. weil wir uns kohlensäurehaltige Getränke zugeführt haben, muss der Atemantrieb verstärkt werden bis hin zur Hyperventilation, bei welcher der Sauerstoffbedarf des Körpers nicht mehr richtig gedeckt werden kann, und umgekehrt ist auch die CO2-Ausscheidung ungenügend, eine bedrohliche Lage. Das bedeutet mit anderen Worten, dass die Atemintensität vom aktuellen Kohlendioxidgehalt des Blutes bestimmt wird.
Daraus ergibt sich zwingend, dass eine plötzliche massive CO2-Zufuhr über Getränke unerwünscht ist, dass diese die Stoffwechselprozesse stört. Pro Liter Mineralwasser sind bis 8 Gramm davon enthalten. Die Perlen sind zwar schön anzusehen und wirken erfrischend. Aber diese Frische ist eine Vorspiegelung falscher Tatsachen: Ein quellfrisches, lebendiges Wasser, das in Tat und Wahrheit aber nur ein kohlensäurehaltiges Wasser ist, abgestanden und durch technologische Prozeduren gequält.
Einen Teil des unerwünschten Kohlendioxids kann der Körper über Aufstossen (Rülpsen) loswerden; denn im sauren Milieu des Magens wird der grösste Teil der Kohlensäure als Kohlendioxidgas freigesetzt. Das ruckartige Verlassen des Magens durch die Speiseröhre verursacht den "Gorps", wie man in der Schweiz sagt. Man fühlt sich aufgebläht, und der Appetit nimmt ab, weil im Magen erhöhte Druckverhältnisse herrschen.
Allerdings hat die unliebsame Kohlensäure eine konservierende Wirkung; das Wasser bleibt länger keimfrei als stilles Wasser. Und wir streben ja schliesslich ein Leben in Sterilität an...
Der verbleibende CO2-Rest muss dann eben über die beschleunigte Atmung entfernt werden. Deshalb ziehen immer mehr Menschen stille Wasser vor, wobei anzumerken ist, dass Spuren von CO2 in jedem Wasser von Natur aus vorhanden sind, aber niemals in der erwähnten Menge. In den vergangenen Jahren hat die Mineralwasserindustrie, wohl aufgrund von Konsumentenbedürfnissen, den Kohlensäureanteil auffallend reduziert. Auch die auf den Markt gekommenen Sprudelwassergeräte als Haushaltapparate, mit denen aus dem "Hahnenburger" ein perlendes "Blöterliwasser" gemacht werden kann, sind heute wohl kaum mehr der Renner wie ehedem. Der Sprudel-Boom legt sich allmählich.
Abgesehen davon existieren verschiedene Systeme, um verschmutztes und lebloses Wasser zu reinigen, zu energetisieren und durch Verwirbelung wieder zu beleben.
Wasser ist das ideale Getränk, und ohne dieses geht wirklich nichts; das Lebewesen verdurstet, verdorrt. Wenn es knapp wird, brauchen wir Alarmsignale: Der Durst entsteht im Zwischenhirn, wobei bestimmte Sensoren auf die Wasserabnahme im Blut und in der intrazellulären Flüssigkeit reagieren, weil es zu einem Anstieg des Salzgehaltes kommt. Erste Durstgefühle äussern sich normalerweise bereits bei einem Verlust von 1 bis 2% des Wassers im Körper (4 bis 8 dl). Doch viele Menschen kennen kaum noch Durstgefühle, welche die Aufgabe hätten, einen Wassermangel anzuzeigen. Sie haben vor lauter rituellem Drauflostrinken nach Programm verlernt, darauf zu achten und vergessen dann das Trinken gerade auch noch. Wenn ein Wassermangel vorhanden ist, werden Hormone ausgeschüttet, welche die Wasserausscheidung in den Nieren herabsetzen; sie besorgen das Einschalten des Spargangs.
Der Wasserbedarf des Menschen ist je nach Individuum, Jahreszeit, körperliche Betätigung, Nahrung usf. unterschiedlich. Es ist deshalb ein blühender Unsinn, einfach gewisse, von der Mineralwasserindustrie vorgegebene Flüssigkeitsmengen in sich hineinzuschütten. Man muss den Durst erkennen lernen, mit ihm zusammenarbeiten und kommt dann zur richtigen Flüssigkeitsmenge zur richtigen Zeit. Und bei der tatsächlich nötigen Menge kommt es darauf an, woraus sie besteht: Möglichst reines, naturnahes Wasser, das heute weltweit immer rarer wird. Wo es dieses aber noch gibt, muss es wie ein kostbarer Schatz gehütet und rein behalten werden.
Dann braucht es kein Getränke-Design in Form von kohlensaurem Prickeln. Es geht um die Rückkehr zum Wahren.
Walter Hess
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