Liebe Bekannte und Nutzer des Text- und Blogateliers,
fast täglich und meistens mehrmals pro Tag gehen Rundbrief-Neuregistrierungen ein. Jede Anmeldung ist für mich ein Zeichen von Wertschätzung, die sich auf unsere Arbeit bezieht. Die Rundbrief-Empfänger sind zweifellos Freunde, die uns besonders nahe stehen und die gern auch etwas übers Innenleben des Textateliers erfahren möchten. Dafür möchte ich sie belohnen – und zwar nicht einfach mit Hausinterna, sondern darüber hinaus mit einen Geschenk, das jeder Person nützlich sein kann, die sich mit der Sprache und ihrer schriftlichen Wiedergabe befasst.
Dieses Geschenk besteht diesmal aus einer Abhandlung über die Anführungszeichen. Ich kam darauf, weil offensichtlich eine Unsicherheit darüber herrscht, ob man sie zum Beispiel am Satzende vor oder nach dem Schlusspunkt setzt – es kommt darauf an, wie Sie gleich sehen werden. Daraus ist eine längere Arbeit entstanden. Und ich gebe durchaus zu, dass ich bei deren Niederschrift selber einiges gelernt habe – denn ich musste immer wieder Fachliteratur beiziehen. Meine eigene Sprachausbildung wird nie abgeschlossen sein. Und unser Korrektor Hans Kurt Berner hat meine Ausführungen durchgesehen und gutgeheissen, so dass ich sie mit gutem Gewissen weitergebe.
Ich erlebe ununterbrochen, wie tückenreich die deutsche Sprache in Bezug auf Grammatik und Stil ist. Ich befasse mich seit über 60 Jahren damit – schon als Kind korrigierte ich die angekommenen Briefe und wunderte mich, wie viele offensichtliche Fehler darin zu finden waren –, und noch immer stosse ich auf Fragen, die ich nicht Aus Anhieb zu beantworten weiss. Viel dazu beigetragen hat die tölpelhafte Sprachreform, die bald einmal wieder reformiert werden musste. Ich habe einiges davon übernommen, was mir sinnvoll zu sein schien, Unsinn wie die Getrenntschreibung, wo sie den Sinn zerstört, aber mache ich nicht mit. Wer schreibt, muss an den Leser denken, und zuoberst steht die Verständlichkeit, die Eindeutigkeit der Aussage.
Die Innen
Auch in die Fänge der Frauensprache mag ich mich nicht werfen, obschon für mich die ehrenwerte Damenwelt ganz und gar nicht etwa zweitrangig ist – ich gestehe ihr sogar einige Privilegien zu: Ladies first. Korrekt im Sinne der sprachlichen Gleichstellung der Geschlechter ist dieser Text aus einer Verordnung des deutschen Bundeslandes Hessen, den ich im Buch „Deutsch!“ von Wolf Schneider gefunden habe:
„Sind die Schulleiterin oder der Schulleiter, ihre planmässige Vertreterin oder ihr planmässiger Vertreter und Abwesenheitsvertreterin oder der Abwesenheitsvertreter der planmässigen Vertreterin oder des planmässigen Vertreters gleichzeitig länger als drei Tage abwesend, ist die Schulaufsichtsbehörde ...“
Schneider fragte sich, ob da eine Logarithmentafel in die deutsche Stilistik eingezogen oder ob das ein Versuch sei, den Feminismus durch Albernheit zu töten. Würde man konsequent geschlechterspezifisch schreiben, müsste man/frau zusammen mit dem Sündenbock immer unbedingt auch von Sündenziegen reden, und Hampelmänner dürften nur zusammen mit Hampelfrauen vorkommen. Zudem müsste auch von der Hündinnen- und Hundesteuer reden, genau genommen.
Und ist es uns Männern gegenüber gerecht, wenn es die Person heisst, obschon darunter durchaus auch ein Mann verstanden werden kann? Ich betrachte Wörter wie Lehrer, Verkäufer, Arzt, Beamter, Dieb usw. als geschlechtsneutral – sie stehen immer für beide Geschlechter. Bis vor wenigen Jahrzehnten hat daran niemand Anstoss genommen. In der Rubrik „Glanzpunkte“ habe ich mich des seinerzeit plötzlich aufgetauchten Innen-Syndroms angenommen.
Das Schreiben und die Bilder
Das Schreiben ist im Prinzip ein Ordnen der Gedanken, ein ständiges Abwägen und eine Auflistung von Erkenntnissen, die zusammen eine klare Aussage oder klare Bilder ergeben. Wer an Urteilsschwäche leidet und keine klaren Kriterien kennt, wird nie gut schreiben können, mag er noch so viele Deutschstunden absolviert haben.
Man kann eine Landschaft zeichnerisch oder beschreibend wiedergeben. Ich kann die umstrittenen Mohammed-Karikaturen aus Dänemark abbilden oder mit Worten exakt beschreiben; grundsätzlich besteht da kein grosser Unterschied.
Oft geht es darum, Wortansammlungen ästhetisch zu präsentieren – etwa in Büchern, in Prospekten oder Drucksachen aller Art. Das Textatelier.com ist auch für solche Aufgaben personell erstklassig gewappnet. In erster Linie ist dafür Urs Walter zuständig, der auch die gesamte Internet-Technik im Griff hat. Und oft zieht er seinen Bruder Rolf Walter bei, der im Hintergrund wirkt. Rolf Walter ist ein begabter Maler und Zeichenlehrer, und ihm gilt ein ausführlicher Bericht in diesem 17. Rundbrief. Jene Arbeit vermittelt Einblicke in die Arbeitsweise des Textateliers, vor allem auch hinsichtlich der Bemühungen um ständige Qualitätsverbesserungen.
Ich wünsche Ihnen allen, den Damen und den Herren, den Bekannten und Unbekannten beiderlei Geschlechts, viel Erbauung bei der Lektüre, und natürlich freuen wir uns alle, wenn Sie möglichst oft ins Blogatelier hineinschauen und uns Ihre Kommentare abgeben. Wir verstehen das Schreiben nicht als Einbahnstrasse.
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„...“ – “...“ – »…« oder «...»?
Wo die Gänsefüsschen herumstehen dürfen
Fast unkontrolliert hühnern die Gänsefüsschen auf manch einem Manuskript oder auch in einem gedruckten Text umher. Viele Stunden meines Lebens als Redaktor und Lektor habe ich damit zugebracht, um diese Gänseaugen, Hasenröhrchen oder Hyphen, wie sie früher auch genannt wurden, an die richtige Stelle zu verweisen. Mit Anführungs- und Schlusszeichen (kurz: Anführungszeichen) schliesst man etwas wörtlich Wiedergegebenes (die direkte Rede) ein:
Die Mutter sagte zu ihrer Tochter Vreni: „Deine Schuhe könnten noch ein paar Bürstenstriche ertragen.“
Oft wird dabei der Fehler gemacht, dass die Reihenfolge von Punkt und abschliessendem Anführungszeichen (Schlusszeichen) verwechselt werden:
„... Bürstenstriche ertragen“. Was falsch ist.
Nach einem Zitat, das hinter einem Doppelpunkt folgt, steht das schliessende Anführungszeichen (das Wort Abführungszeichen ist nicht gebräuchlich), ganz am Schluss. Das ist sogar dann der Fall, wenn das Zitat aus keinem vollständigen Satz, sondern im Extremfall nur aus einem Wort besteht:
Er sagte nur ein einziges Wort: „Unsinn.“
Er zeigte auf die Uhr: „12.“
Unser Textatelier-Korrektor Hans Kurt Berner hat mich einmal darauf aufmerksam gemacht, dass alles, was hinter einem Doppelpunkt folgt, in Bezug auf die Anführungszeichen als vollständiger Satz zu betrachten ist, und seither weiss ich es.
Sind Satzzeichen (Fragezeichen, Ausrufezeichen) innerhalb des Zitats fällig, bleiben sie dort:
Sie fragte ihn: „Kann ich Dich übermorgen um 12 Uhr treffen?“
Allerdings findet sich das Zitat (die wörtliche Rede) nicht immer am Schluss eines Satzes, es kann eben so gut am Anfang stehen.
„Das Wetter könnte nicht besser sein“, sagte der Exkursionsleiter.
In diesem Fall wird zuerst „abgeführt“, und erst dann folgt das Komma. Doch die Positionierung der Satzzeichen bleibt unverändert:
„Brauchen Orangenbäumchen viel Wasser?“, fragte die Kundin den Gärtner.
oder:
„Das hätte gerade noch gefehlt!“, schrie sie ihn an.
Selbstverständlich kann das Zitat auch unterteilt werden:
„Auf jeden Fall“, konstatierte er, „lassen wir uns das kein 2. Mal bieten!“
Etwas knifflig wird die Angelegenheit, wenn sich eine Frage auf eine andere Frage bezieht:
Fragtest du: „Woher weisst du das?“?
In diesem Beispiel ist sozusagen eine innere in eine äussere Frage verpackt, mit den entsprechenden Satzzeichen-Folgen, bei denen offensichtlich keine Kompromisse gemacht werden.
„So ist es eben“, sagte der Lehrer. „Hat noch jemand eine Frage?“
Natürlich, Fragen türmen sich innerhalb dieser Interpunktionswelt schon auf. Eine davon könnte etwa sein: Was passiert mit Schlusspunkt eines angeführten Satzes innerhalb eines Ganzsatzes. Antwort: Er wird weggelassen.
Ein Beispiel erläutert das einfacher als komplizierte Erklärungen:
„Das Vertrackte an dieser Angelegenheit sind die vielen Fachbegriffe, mit denen ohnehin kein Mensch etwas anfangen kann“, tröstete er über sein Unvermögen hinweg.
Würde man mit Punkten am Satzende wie Ausrufe- und Fragezeichen verfahren, müsste also hinter „... anfangen kann.“ ein Punkt sein. Doch kann man offensichtlich auf einen Punkt leichter als auf ein Frage- oder Ausrufzeichen verzichten.
Werden innerhalb von Anführungszeichen weitere Anführungszeichen nötig, weil ein Zitat ins Zitat eingeschoben wird, verwendet man im angeführten Innern so genannte halbe Anführungszeichen. Das erste gleicht einem Komma, das zweite (hochgestellte) aber einen Apostroph.
Der Erzähler holte aus: „Der Morgen war kühl, und die Wetterprognose von Radio ‚DRS1’ sprach von einem ‚Herannahen einer Bise’, als an die Türe geklopft wurde.“
Anführungszeichen rahmen nicht allein wörtliche Zitate ein, sondern damit lassen sich auch einzelne Wörter eines Texts hervorheben:
Sein eindeutiges „Credo“ war Liebe zu „allen Lebewesen“, also nicht allein zu den Menschen.
In ihrem bemerkenswerten Artikel „Das ewige Religions- und Machtgerangel: Hans was Heiri“ schrieb Lislott Pfaff im „Blogatelier“ sinngemäss, es gehe überall um dasselbe.
Weisst du, was das heisst: „Quo vadis?“?
Namen von Gaststätten und dergleichen werden oft angeführt:
Er kehrte in den „Ochsen“ ein und trank ein „Rivella“.
Übrigens: Spricht man vom Restaurant Ochsen, braucht es kein Anführungszeichen, lässt man das „Restaurant“ weg, dann schon:
Zuerst besuchte er das Restaurant Bären und dann trank er noch ein Glas im „Jägerstübli“.
Auch ganze Sprichwörter können ohne Schlusspunkt in einen Satz verwurstet werden:
Die Redensart „Morgenstund’ hat Gold im Mund“ kann mir gestohlen werden; ich bin ein Nachtmensch.
Solche Anführungen von einzelnen Wörtern, Titeln oder längeren Zitaten unterstehen offensichtlich nicht dem gleichen Interpunktionskommando wie die Wiedergabe der direkten Rede.
Steht ein angeführtes Einzelwort oder Zitat am Schluss eines Satzes, kommt zuerst das Schlusszeichen und dann der Schlusspunkt.
Seinen Chef betrachtete er als einen „Hampelmann“.
Oft werden Anführungszeichen auch gebraucht, wenn ein Begriff ironisch gemeint ist:
Es war ja „rührend“, miterleben zu müssen, wie sie sich um jede Arbeit herumdrückte.
Ich arbeitete einmal mit einem Journalisten zusammen, der etwelche Mühe im Auftreiben der treffenden Wörter und Formulierungen hatte, meistens mit seinen Begriffen leicht daneben war und das offenbar selber spürte. Er setzte dann die leicht entgleisten Wörter oder Wortklitterungen in Anführungszeichen:
Er war ein „Intellektuell-sein-Wollender“, und das spürte man.
Der erwähnte Journalist war wahrscheinlich ein „Gut-Schreiben-Wollender“, der eigentlich gern gut geschrieben hätte, etwa so:
Er wäre gern ein Intellektueller gewesen, und das spürte man.
Wer die richtigen Worte nicht findet, hat mit den Anführungszeichen kein Allheilmittel zur Hand. So viel Einfluss haben sie beim besten Willen nicht.
Anführungszeichen-Variationen
Es gibt verschiedene Varianten von Anführungszeichen:
In der deutschen Sprache ist das öffnende, vorangestellte Zeichen auf Linienhöhe, das schliessende aber hochgestellt („...“). In der englischen Sprache sind beide oben (“...“).
Neben den deutschen Anführungszeichen oder Gänsefüsschen („...“) gibt es auch die französischen Anführungszeichen oder Guillemets ( »…« oder «...»). Die Letzteren trifft man vor allem im Buchdruck an.
Bei den mit besonderer Sorgfalt von Urs Walter gestalteten Büchern aus dem Textatelier.com-Verlag wird jeweils nach dem beziehungsweise vor das Anführungszeichen noch ein kleiner Zwischenraum eingefügt:
Die Redensart « Not kennt kein Gebot » wird zur Maxime (aus dem Buch „Kontrapunkte zur Einheitswelt“, Seite 39.
Wir haben uns für die einschliessenden Anführungszeichen, wie ich sie einmal nennen will (Pfeilrichtung nach aussen: «...» ), entschlossen, weil sich daraus unseres Erachtens ein harmonischeres Schriftbild ergibt und dies eher der Logik entspricht. Das Zitat wird eingefasst, umfasst, festgehalten. Im gepflegten Schweizer Buchdruck ist diese Lösung üblich, nicht aber im übrigen deutschsprachigen Raum. Dieselbe Anführungs-Lösung kennen auch andere Sprachen, etwa das Albanisch, Arabisch, Estnisch, Griechisch, Italienisch, Lettisch, Norwegisch, Russisch, Spanisch, Türkisch, Ukrainisch und Weissrussisch.
Die fliegenden Rhetorik-Zeichen
Bei vielen Gesprächen, auch bei Fernseh-Talks, muss man mit ansehen, dass die Erzähler beide Hände auf Augenhöhe positionieren, Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt. Ähnlich den Flügelschlägen markieren die sich auf und ab bewegenden Finger fast ununterbrochen Anführungszeichen links und rechts. Das erscheint mir jeweils wie eine mildere, rhetorische Variante der berühmten Vogelgrippe zu sein.
Daraus mag man die eminente Bedeutung dieser Zeichen erkennen, die gelegentlich auch eine mangelnde Ausdrucksfähigkeit zu verschleiern haben. Man sollte die Anführungszeichen gezielt dort einsetzen, wo sie eine Lesehilfe bedeuten und dürfte sie nicht missbrauchen.
Oder können die Gänsefüsschen vielleicht doch zu Höhenflügen verhelfen: „Setz dein Ich in Gänsefüsschen und nenne es Roman“, hat Hubert Fichte einmal vorgeschlagen. Er sprach damit wohl die Niederschrift dessen an, was sich aus der Selbstbeobachtung ergibt, wahrscheinlich weil die meisten Romane so etwas wie abgewandelte Autobiografien sind.
Doch die Rhetoriker, die ihr Ich immer mit Gänsefüsschen flankieren, erinnern mich eher an mitlaufende Teilnehmer an einem Gänsemarsch denn an Romanschriftsteller.
Walter Hess
Quellen
„DUDEN. Die deutsche Rechtschreibung 2004“, Dudenverlag, Mannheim 2004.
http://de.wikipedia.org/wiki/Anf%C3%BChrungszeichen
Gespräche mit Hans Kurt Berner und Urs Walter
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