Textatelier
BLOG vom: 09.09.2016

Ein Glöckchen ganz allein und still

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Dieses Glöckchen, knapp eine Handbreite lang, lag vergessen in einer Schublade. Kinder hatten einst mit diesem Glöcklein munter gebimmelt. Bimbam, Bimbam, immer der gleiche helle Ton, vom Klöppel ausgelöst. “Warum bin ich nicht eine grosse Glocke geworden”, klagte das Glöckchen, “wie jene im Kirchturm nebenan?”

Ein achtjähriger Bube hatte es entdeckt. “Aus dir wird eine Hausglocke”, beschloss er. Hochpoliert hing er das Glöcklein an einen Haken und befestigte es an der Haustüre im dritten Stock. Wie immer und überall, erschien der Vermieter als Spielverderber. “Laut Mietvertrag darf nichts an der Türe befestigt werden”, sagte er. So musste der Vater das Glöcklein entfernen. “Damit kannst du nur draussen spielen”, tröstete er seinen Sohn.

Etliche Kinder aus der Nachbarschaft suchten und fanden alsbald ihre Glocken, grössere und kleinere, da und dort in Schubladen vergessen und stillgelegt. Das Gebimmel störte, wie immer und überall, einige Nachbarn. Aber sie konnten nichts gegen diese Lärmquelle ausrichten.

Findig wie Kinder sind, entwickelten und übten sie ihr Glockenspiel, Klang auf und ab in rascher Folge. Die Amseln und die Blockflöten hielten mit. Im Gedankensprung luden sie die Erwachsenen zum Glockenspiel auf dem Spielplatz. Viele Grosseltern erschienen zum Konzert. Den Auftakt zum Glockenspiel lieferten Punkt sieben abends die Kirchenglocken.

Die musikalische Darbietung der Kinder fand Anklang und Beifall.

Zwei gute Damen brachten Kuchen, eine Kanne Tee und Tassen.

 


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