Textatelier
BLOG vom: 17.04.2018

Die "Sultansschanze" als kaum bekannte osmanische Schlacht-Taktik - bis zum Hörn

von Werner Eisenkopf - Runkel/D.


Auch wenn man selbst hunderte eigene Bücher besitzt und die meisten davon auch komplett gelesen hat, enthält auch beim Autor dieser Zeilen, nur ein einziges Buch davon Details zu "Sultansschanze" im Osmanischen Reich. Diese war eines der Erfolgsgeheimnisse in den Schlachten dieser Grossmacht zwischen 1300 - 1922. Als man in Mitteleuropa militärisch noch auf die Wirkung schwer gepanzerter Ritter zu Pferd setzen, waren damals die Osmanen bereits darin moderner und erfolgreicher, als die damaligen Mitteleuropäer.

Das Prinzip der osmanischen Sultansschanze, war eine Art Defensivtaktik auch in einem Angriffskrieg. Sehr salopp geschrieben, wurde dafür an passenden Stellen, ein gut befestigtes osmanisches Lager, mit Palisaden. Erdhügeln, Artilleriegeschützen und sorgsam arrangierten Truppenteilen (v.a. Janitscharen) errichtet. Dann griffen leichte schnelle osmanische "Locktrupps" die gegnerischen Heere scheinbar planlos und zufällig an, liessen sich aber dann sehr schnell in die Flucht schlagen und flohen scheinbar panisch in Richtung der Sultansschanze. Die gerade vom schnellen Erfolg über die wenigen frechen Angreifer beflügelten Ritter, rannten dann auf ihren Pferden im empfundenen Siegesrausch, sinnlos gegen diese stark befestigten Stellungen an. Reiter also gegen Palisaden, Schusswaffen und Kanonen. Das endete für diese Ritter dann auch meistens mit Niederlage und Tod.

Der spätere preussische Militär-Lehrbuchschreiber Carl von Clausewitz (1780-1831), hat dann wohl auch aus der osmanischen Sultansschanze, seine Schlüsse gezogen, dass man "in einer starken und zweckmässig verschanzten Stellung, eines stärkeren Widerstandes fähig sei und dass, wenn an diesem die Kräfte des Feindes sich halb erschöpft haben, auch ein wirksamerer Rückstoss gegen ihn erfolgen könne."

In diversen Varianten, hat sich damit die Grundwirkung der osmanischen Sultansschanze, über alle Kriege hinweg, eigentlich bis heute gehalten. Sogar im virtuellen Cyberkrieg zwischen Angreifern und Angegriffenen in den Tiefen von Computern und Netzwerken, sind davon gewisse Ansätze erhalten. Eine scheinbar "leichte Beute" dient vorrangig dazu, einen längst erwarteten Angriff zu provozieren aber nur um dann selbst massiv zurückzuschlagen und die Angreifer möglichst zu vernichten oder zu blockieren.

Abschliessend sei noch die Ur-Herkunft des Hörnlis/Hörnchens/Kipferls etc. salopp erklärt, die ja mit der erfolglosen Belagerung von Wien durch die Türken 1683 begann. Als die türkischen Belagerer, durch die zur Hilfe der belagerten Wiener eingetroffenen Ersatzheere aus Polen, Bayern, Franken und Sachsen geflohen waren, blieben grosse Mengen Proviant zurück. Darunter gewaltige Mengen an Mehl. Daraus backten Wiener Bäcker dann erstmals als Verspottung der Türken gedachte Backwaren, in Halbmondform (wegen des Halbmondwappens der Türken) und so waren damit die heutigen "Hörnlis" sozusagen geboren. Sie wurden dann geschmacksbedingt, zu einem Teil unserer Frühstückskultur.

Somit können noch Jahrhunderte lang, ganze Heerscharen von Historikern, Soziologen und Ernährungsfachleute, darüber intensiv diskutieren und vehement untereinander streiten, ob das "Hörnli/Hörnchen/Croissant..." auch ohne den gescheiterten türkischen Feldzug gegen Wien 1683, überhaupt zu so einem, bis heute gebackenen, essbaren "Kulturgut" des Abendlandes geworden wäre? Rätsel über Rätsel! Ausserdem ist damit auch niemals auszuschliessen, dass sich irgendwann irgendwer sicherlich "diskriminiert" fühlen könnte, wegen ebendiesem "Gebäck-Halbmond" und dagegen womöglich vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, bittere Klage führen könnte. Die Welt ist ohnehin verrückt genug. Da ist auch sowas durchaus möglich. Warten wir es also mal in Ruhe ab und trinken erst mal einen Kaffee! Türkisch? Wiener Melange? Brauner mit Schlagobers? ...

 

Link zur Sultansschanze:
https://de.wikipedia.org/wiki/Kap%C4%B1kulu

Buch: Das Osmanische Reich 1300-1922 -  von Ferenc Majoros/Bernd Rill / Bechtermünz-Verlag/Weltbild 1999
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