Textatelier
BLOG vom: 31.10.2013

Fernand Raussers neues Werk: Ode an Schweiz-Eigenarten

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Die Schweiz – was ist das? Sie ist schwer in Worte zu fassen. Dem vielfältig-vielgestaltigen Land mit seinen widerstrebenden Kräften wird man aus einer einzigen Perspektive niemals gerecht – und mag es noch so überschaubar sein.
 
Als sich der heute 87-jährige Meisterfotograf und Verleger Fernand („Sepp“) Rausser anschickte, eben dieses Problem zu lösen, hatte er die zündende Idee, ein Art Blitzlicht: Er bot 32 Bekannte auf, aus ihrer persönlichen Sicht darüber zu schreiben. Sie erhielten keine inhaltlichen Vorgaben, wussten einfach den Buchtitel: „Trotz allem ist die Schweiz gut und schön“, wobei auf dem Buchumschlag das Wort „Schweiz“ durch das Wappen mit seiner Leuchtkraft ersetzt ist. Die Autoren wussten nicht einmal, wer auch noch schreiben würde, in welchem geistigen Umfeld sie sich bewegen würden. Natürlich bin ich stolz darauf, dass ich zum Kreis der auserwählten Schreiber gehöre; ich gebe dies hier auch aus Transparenzgründen bekannt, stehe zu einer gewissen Befangenheit, wenn ich das Werk als gut und schön lobpreise.
 
Der Buchtitel ist Programm: Die Schweiz ist gut. Die Schweiz ist schön. Und trotzdem gibt es das „Trotz allem“ ... eine Konjunktion, die 2 widerstrebende Aussagen verbindet. Sie ist ein klarer Hinweis auf Verbesserungsmöglichkeiten, um die sich vor allem jene Leute bemühen, die ihr Land lieben. Wahrscheinlich ist nicht einmal das Paradies makellos, es sei denn, es sei verloren (nach Marcel Proust).
 
Ursula Rausser, die ihren Mann in allen Lebenslagen aktiv unterstützt und den Festakt der Buchvorstellung auf ihre angenehm-zurückhaltende Art einleitete, relativierte im ähnlichen Sinne. Sie sagte, auch in der Schweiz sei nicht alles Gold, was glänze, aber vergleichsweise könnten wir doch sehr zufrieden sein. Tatsächlich: Auch aus dem Wegwarte-Buch geht eindeutig hervor, dass die Schweizer offensichtlich stolz auf ihr Land sind – je besser sie das Ausland kennen, umso mehr. Allerdings – so Sepp Rausser im Vorwort: „Auch wir sind keine Heiligen und produzieren Fragwürdiges, wie alle menschlichen Kreaturen. Bei der Politik jedoch, so scheint mir, ist unser Land weniger schlecht als andere.“
 
Christine Lauterburg, gross, schlank und mit einer Stimme voller jugendlicher Kraft, untermalte die Vernissage vom 24.10.2013 in der Schule für Gestaltung an der Schänzlihalde in Bern mit ihren Jodelgesängen, Juzzern und dem Zäulerlen. Solch wilde, archaische Gesänge würden im eigenen Land als exotisch empfunden, schrieb sie im Buch, die Jodlernation relativierend.
 
Verena Stalder, Lehrerin und Theater-Laiendarstellerin nach dem überzeugenden bernischen Muster, las treffende Sequenzen aus dem druckfrischen Buch vor, von jedem Autor 1 bis 2 Sätze, die ein anregendes Mosaik mit dem Duft einer bekömmlichen Mixtur aus Bewunderung und Kritik ergaben. Glockenzeichen trennten die einzelnen Quellen. So entstand ein patchwork-artiges Bild, ein Flickenteppich, der sich ungeachtet der widerstrebenden Tendenzen zu einem ordentlichen Ganzen fügte. Christine Marti Kühni traf den Grundton: „Die Schweiz – meine Heimat. Warum bin ich eigentlich in der Schweiz und nicht irgendwo sonst auf der Welt geboren worden? Zufall, Schicksal oder Glück? Ein Privileg, würde ich meinen.“ Der Einsatz dafür lohnt sich, eine kritische Begleitung muss sein. Fehlentwicklungen, wo immer sie sich abzeichnen, muss man entgegentreten.
 
Eine Bild gewordene Wucht waren die Fotos im Grossformat, die an die Wand der Aula projiziert wurden, meist Flugaufnahmen, welche die wunderbaren Seiten der Schweizer Oberfläche und dann wieder deren Banalisierung lebendig werden liessen. Diese Fotos von Sepp Rausser machen auch den Schwerpunkt des 120 Seiten umfassenden Buchs aus.
 
So anregend wie das neue Buch waren die Gespräche beim nachfolgenden Buffet mit Produkten des Landes. Dabei wurde immer wieder Bewunderung für den berühmten und bescheiden gebliebenen Fotografen Rausser laut, der zudem Verleger werden wollte und beides perfektioniert hat. Seine gewinnende, menschenfreundliche, zugängliche Art hat ihm alle Türen geöffnet. Seine Tätigkeit, die seine alten Tage mit Sinn und Tiefgang erfüllt, gewissermassen die Verwaltung seines enormen Lebenswerks, gehört neben der glücklichen Ehe zu seinen Elixieren.
 
An einer Aufgabe hält er besonders inbrünstig fest: am Aufzeigen der Schönheiten der Schweiz, seiner Schweiz. Als Chronist mit der Kamera schwebte er während Jahrzehnten darüber hinweg, betrachtete, beobachtete, suchte nach Verbindendem, nach Gemeinsamkeiten und Besonderem. Er fand das alles und erkannte dessen Wert, der das zeitlich beschränkte Dasein heutiger Generationen überdauern soll.
 
 
Anhang: Inhaltsverzeichnis
Fernand Rausser: Zu diesem Buch.
Marianne Jacobi: Zehn Gründe, warum ich trotz allem gerne Schweizerin bin.
Roland Jeanneret: Jammern auf hohem Niveau ...
Hans Flück: Fernweh – Heimweh – Heimatliebe.
Anna Aebischer-Imfeld: Wenn mich jemand ...
Walter Hess: Demokratie – ein intensiv pflegebedürftiges Kunstwerk.
Felix Furrer: Eine Schweiz zum Staunen.
Susanna Fankhauser-Pérez de León: Mon arrivée à Berne ...
Eugen Götz-Gee: „Kein schöner Land ...“
Rainer-Peter Meyer: Die Schweiz von A bis Z.
Margret Kiener Nellen: Vom armen zum reichen Land.
Fred Zaugg: Meine Schweiz ist nur bei ihr – oder: Das „Trotz allem“ loswerden.
Christine Meinhardt: Die Schweiz ist ...
Emanuel Berger: Für uns Hoteliers ...
Anke Maggauer-Kirsche: Unter einem „eigenen Völkchen“.
Peter Marti: Ich hatte einen Traum.
Gian Joray: Ein kleiner Bitz Land.
Käthi Koenig: Wenn alle so wären wie ich.
Walter Ludin: „Weil die Schweiz deine Heimat ist ...“
Christine Lauterburg: 5.4. Moskau 2013.
Horst Pitzl: Eine Begegnung.
Emma Racheter: Schon als Zehnjährige ...
Elizabeth Neuenschwander: Ich bin eine alte Schweizerin ...
Heinrich Plüss: Trotz allem ... ist unsere Schweiz ein gutes, schönes Land.
Ruth Zoss: Die Schweiz ist zum Auswandern.
Ruth Schneider: Sich Zeit zu nehmen ...
René Salathé: 3.5.2013.
Christine Marti Kühni: Hin- und hergerissen.
Fritz Rothen: Die Schweiz umfasst ...
Thomas J. Müller: Trotz allem nicht schön?
Verena Stalder: Oh doch, ...
Hans-Ruedi Schwarz: Ownership – Voraussetzung zum Erfolg.
Walter Kälin: Gute Nacht Schweiz.
 
Bibliographische Angaben
Rausser, Fernand et al.: „Trotz allem ist die Schweiz gut und schön“, Verlag Wegwarte, Bolligen BE (E-Mail: wegwarte@solnet.ch, Telefon: +79 247 19 20 und +31 921 28 63).
Format 23 × 21 cm, 120 Seiten, ISBN 978-3-9524088-0-3. Preis: CHF 67.– /€ 55.–.
 
Hinweis auf weitere Blogs über Raussers und den Wegwarte Verlag
 
 
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