Textatelier
BLOG vom: 19.07.2013

Besuch aus Indien: Hemants Deutschlandtour per Fahrrad

Autor: Richard Gerd Bernardy, Dozent für Deutsch als Fremdsprache, Viersen/Niederrhein D
 
Seit vorgestern bin ich Besitzer einer Tasse des Lions Clubs aus Jaipur, Rajasthan, Indien. Sie zeigt neben dem Wappen des Clubs ein altes Bild der bekannten Sehenswürdigkeit in der Stadt, das Hawa Mahal, den „Palast der Winde“. Er besteht in der Hauptsache aus einer wunderschönen Fassade, hinter denen Räume für die Frauen der Maharadschas waren. Die Frauen konnten hinaus auf die Strasse schauen, aber niemand hinein.
 
Im März dieses Jahres 2013 war ich in Jaipur und habe den Palast selbst gesehen und bin durch die Räume gelaufen. Bei meinem Besuch dort habe ich eine Professorin für Germanistik an der Universität in Mumbay kennengelernt, die mich auf einen Deutschdozenten aufmerksam machte, der ebenfalls in Jaipur wohnt. Von ihm bekam ich eine Einladung, und ich hatte Gelegenheit, mit ihm, Hemant, ein paar Stunden zu plaudern. Er erzählte mir, dass er im Juli 2013 in Deutschland eine Fahrradtour machen wolle, und zwar von Frankfurt bis Hamburg. Es sei nicht seine erste Fahrt, und er übernachte bei Bekannten. Ich lud ihn ein, auch zu mir zu kommen.
 
Erst später erfuhr ich von ihm, dass er auf seiner Fahrt bei Lions-Club-Mitgliedern Station machte, die er auf früheren Kongressen kennengelernt hatte. Die Kongresse sind in jedem Jahr in einem anderen Land. Dieses Mal fand die „96. Lions Club International Convention“ in Hamburg statt.
 
Zuerst wollte Hemant auf der Hinfahrt nach Hamburg zu mir kommen, doch dann entschied er sich anders. Das Fahrrad gehörte einem Lions-Club-Mitglied, er hatte es sich in Frankfurt ausgeliehen, war von dort zuerst am Rhein entlang bis Köln und dann die gerade Strecke nach Hamburg gefahren, etwa 1000 km lang. Übernachten konnte er immer bei Mitgliedern des Lions Clubs. Die Freunde, die ihm das Rad geliehen hatten, traf er in Hamburg wieder, wo sie das Rad mit dem Auto nach dem Kongress wieder zurücknahmen. Deshalb kam Hemant mit dem Zug zu uns.
 
Wir hatten einen sehr unterhaltsamen Abend, Hemant erzählte von seinen Reisen, von langen Radtouren durch die USA und durch andere Länder. Dort, wie auch in Deutschland, benutzt er kein GPS und auch keine Landkarte, sondern fragt Passanten nach dem Weg. Dadurch bekommt er viele Kontakte, wird zum Kaffee eingeladen oder kann auch gelegentlich übernachten. Er erhält Hinweise und Tipps, welche Orte und Strecken sehenswert seien, die man unbedingt besuchen sollte. Auf dieser Tour lernte er kleine am Rhein gelegene Orte kennen, die ihn sehr beeindruckten.
 
Hemant erzählte vom Lions Club, dem er seit 30 Jahren angehört. Der Kongress in Hamburg war von 18 000 Mitgliedern aus aller Welt besucht worden. Es gab Vorträge, Seminare und Plenarsitzungen. Auf dem Lions-Markt am Jungfernsteg konnte sich jeder über den Club und seine vielfältigen Hilfsprojekte in aller Welt informieren. Den Abschluss bildete am 6. Juli 2013 eine prachtvolle Parade durch die Stadt.
 
Am nächsten Morgen zeigte ich ihm Düsseldorf. Wir gingen dem Rhein entlang, in die Altstadt, in die Prachtstrasse Düsseldorfs, die Königsallee, die von den Düsseldorfer einfach „“ genannt wird. Hemant erzählte, dass er in Indien Vorträge über seine Reisen halte, auch vor Deutschstudenten, und dass er sich überlege, das nächste Mal einen Vortrag zu halten, den er an einem Thema orientieren wolle. Er dachte an den Rhein. Auch in früheren Reisen war er an vielen Orten des Rheines gereist, hatte den Rheinfall gesehen und war von dort aus durch Süddeutschland geradelt.
 
In Düsseldorf fragten wir eine Passantin nach dem Weg. Es stellte sich heraus, dass sie aus dem Iran stammte, in Düsseldorf wohnte, und es ergab sich ein interessantes Gespräch über Iran und dessen Politik. Wir erfuhren, dass der Bevölkerung der Islam durch Eroberer aufgezwungen worden war und die Freiheiten unter dem Schah grösser waren als heute. Sie schob die Schuld für den Umsturz, die in die islamische Diktatur führte, nicht zuletzt dem politischen Einfluss von Frankreich und den USA zu, denen es um Öllieferungen gegangen war. Die Dame hatte übrigens auch 12 Jahre in Indien gelebt und dort studiert, zufälligerweise in derselben Universität wie Hemant. Kontaktdaten wurden ausgetauscht, sie lud uns zu einem Mahl ein, was aber von Hemant aus Zeitgründen abgelehnt werden musste.
 
Ich bin sicher, dass der Kontakt wird nicht vergessen wird. Es dürfte zu gegenseitigen Einladungen kommen, und beim nächsten Indienbesuch der Iranerin kommt es vielleicht zu einem erneuten Treffen. Meine Frau und ich werden ihre Einladung annehmen und werden sie und ihren Mann demnächst sehen.
 
Wir diskutierten noch darüber, ob dieses Zusammentreffen Schicksal, Zufall oder einfach ein Impuls auf dem Lebensweg sei. Die beiden entschieden sich für das Letzere.
 
Mittags wollte Hemant schon wieder weiter. Er hatte noch viel vor, Heidelberg, Baden-Baden und weitere Orte, in denen Lions-Club-Mitglieder wohnen, liegen noch auf seinem Weg, und in knapp einer Woche fliegt er wieder von München aus zurück in seine Heimat.
 
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