Textatelier
BLOG vom: 30.06.2013

Sommergeschichten mit Blumen, Schnecken, Labyrinth

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Neuerdings dürfen kleinere Flächen Gräser und Wiesenblumen stehen bleiben, wenn die Hausverwalter der Wohnsiedlungen das Gras mähen müssen. Je nach Umfeld sind es kleine oder grössere Vierecke, die uns ansprechen. Eine feine Art der Grünflächengestaltung. Sie lockern die Ordnungsstrenge auf. Mich erinnern diese Flächen an die Kindheit auf dem Land, wenn ganze Felder so dastanden und die Pflanzen sich vom Wind bewegen liessen. Bei uns vor dem Haus wurde einer Gruppe von 7 Margeriten das Leben verlängert. Anfänglich standen sie da, wie man es von diesen Blumen gewohnt ist. Aufrecht und locker neben- oder hintereinander. Ich beobachte sie nun seit Ende Mai und erlebe, dass sie sich vermehren. Es sind 6 Kinder dazugekommen. Diese Kleinen sind der Erde noch näher. Und die Grossen wurden von Wind und Unwetter und vielleicht von mir nicht erkennbaren Strömungen etwas heruntergedrückt, so dass jetzt alle zusammen einen Kreis bilden. Wenn ein leiser Wind weht, tanzen sie einen Reigen. Vorhin gerade zum nachmittäglichen Glockengeläute aus dem Tal. Sie haben ihre Form oder Aufgabe gefunden, scheinen zufrieden, dass sie noch nicht geschnitten worden sind.
 
Da denke ich gleich an einen grossen Freund von ihnen. An den Blumenmärchen-Maler Ernst Kreidolf (1863‒1956). Seine Geschichten entstammen dieser Welt. Ich freue mich, dass die Schweizer Post 2 Briefmarken à je 1 CHF zu seinem 150. Geburtstag herausgegeben hat. Seit März 2013 sind diese im Umlauf. Die eine trägt den Titel Bei den Stiefmütterchen, die andere Herbstzug.
 
Eine weitere Geschichte liefern die Schnecken. Diese hatten die spät blühenden Pfingstrosen beim Hauseingang überfallen.
 
Die junge Frau, die sich erstmals um unsere Blumenrabatten kümmert, erschrak und wollte sofort eingreifen. Ich sah, wie sie mit einer Flasche Bier hantierte. Eine Methode, die Schnecken anzieht und ertrinken lässt. Als wir selbst noch einen Garten pflegten, wurde auch uns diese Methode empfohlen. Sie missfiel mir aber bald. So setzte ich nur noch Pflanzen, die von den Schnecken gemieden werden. Es wuchsen bei uns gleichwohl Blumen, aber nur solche der robusten Art. Keine, die wir mit Chemie hätten schützen müssen. Darum kannte Letizia, damals Primarschülerin, die Schneckenplage nicht. Im Nachbarsgarten aber wurden Körner ausgelegt. Da wurde sie aufmerksam und sehr traurig, dass ein Massenmord bevorstand. Sie sagte zu mir, sie möchte kein solches Leben haben, das andere Leben angreifen müsse. Sie sah, wie Pflanzen starben, weil sie von Schnecken angefressen worden waren. Aber es gefiel ihr auch nicht, wenn man jemand in eine Falle lockt und dann umbringt.
 
Einen ganz anderen Gedanke zu diesem Thema fing ich an einem Vortrag über Gärten auf. Da war auch eine der Frauen anwesend, die das Labyrinth im Zeughaushof/Kasernenareall in Zürich einmal im Monat betreut. Sie wurde gefragt, wie sie gegen Schnecken vorgehe. Ihre Antwort beeindruckte uns alle. Sie sagte, beim Gärtnern solle man nicht alles für sich beanspruchen. Man müsse teilen. Teilen, auch mit den Schnecken, die sich an gewissen Pflanzen verköstigen. Wir müssten auch die Ernte teilen, mit Freude andern davon etwas weitergeben.
 
Nun habe ich diesen Labyrinthplatz endlich einmal besucht. Er existiert schon 22 Jahre, wurde von Frauen erfunden und zum Leben erweckt. Das Labyrinth als Sinnbild unserer Lebenswege. Mit Umgängen, die nach und nach ins Zentrum führen. Es ist ein Ort von Frauen für Frauen geschaffen.
 
Hier sollen und dürfen sie öffentlich ihre Ideen und Meinungen, ihre Kreativität und ihre Aktivitäten leben. Sie zeigen und in die Welt bringen.
 
Für das Jahr 2013 sind über 50 verschiedene Veranstaltungen aufgelistet. Diese sind auch im Internet zu finden.
 
Im Logo für den Labyrinthplatz Zürich erkennen wir die weibliche Kraft als Tor zum Leben. Sie weist den Weg, der von ihr ausgeht und in diesem Irrgarten in 7 Umgängen zur Mitte führt. An üppig blühenden und auch an bereits verblühten Pflanzen vorbei. Hier leben unterschiedliche Gewächse friedlich nebeneinander. Hoch gewachsene, kleine mit Bodenhaftung, sperrige grossflächige, bescheidene und solche mit Darstellungsbedürfnis. Es scheint, dass da keine Platzstreitigkeiten aufkommen. Es müssen erfahrene Gärtnerinnen mitgewirkt haben, die sie verhindern konnten.
 
Der Weg zur Mitte wird links und rechts von diesen Gewächsen begleitet. Ich ging langsam, blieb wieder stehen, schaute auf die Farben einzelner Blumen, schaute vorwärts, rückwärts und durchs dichte Gebüsch. Die Sicht nach innen und nach aussen änderte ständig. Es mussten auch Entscheidungen gefällt werden. Oft zeigten sich kleine Steinplatten als symbolische Brücken, um in die nebenan verlaufene Wegschleife zu wechseln. Eine gewisse persönliche Freiheit ist damit gegeben. Doch liegt diesem Garten ein harmonisches Muster zugrunde. Wer ihm folgt, ist im Einklang mit ihm, muss nicht herumirren, kann die Schönheiten am Weg erkennen.
 
In der Mitte angekommen, erwartet einen das Steinlabyrinth. Ohne Blumen, ohne Grün. Es ist leicht zu gehen, leicht zu überschauen.
 
Beide haben ihren Charme. Beide können uns tiefsinnige Gedanken vermitteln.
 
Hinweise auf weitere besondere Stätten von Rita Lorenzetti
 
 
 
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