Textatelier
BLOG vom: 30.12.2011

Tiergeschichten (1): Sauglückliche Schweine mit Manieren

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
Kaum zu glauben, dass es sauglückliche Schweine und solche mit Manieren gibt. Aber es sind auch Schweinchen auf dieser Erde, die sich beim Schlachten wehren. Diese und andere kuriose Geschichten werde ich Ihnen in loser Folge  präsentieren.
 
Schweine mit Manieren
„Das hätte ich von den Schweinen nicht gedacht“, hörte ich von einer Nachbarin, der ich die folgende Geschichte erzählte: Wissenschaftler trainieren in einem Lernstall in Niedersachsen Schweine darauf, auf ihren Namen zu hören. Sobald von der Trainerin der Name der Sau ertönt, läuft sie zur Futterbox und bekommt als Belohnung eine Portion Nahrung (während der Fütterung wird immer wieder ihr Name genannt). Wie bei den Menschen gibt es auch bei den Schweinen lernwillige und lernfaule Tierchen. Die „Beate“ ist eine Streberin, sie hatte ihren Namen schon nach 4 Tagen intus.
 
Die Agrarwissenschaftlerin Jasmin Dannenbrink ist der Ansicht, damit würde die Aufmerksamkeit erhöht und Langeweile der Schweine reduziert. Ausserdem entfällt das Drängeln vor den Futterboxen. Die Schweine wollen nämlich alle zur gleichen Zeit fressen, und so kommt es vor, dass sich einzelne Schweine aggressiv verhalten und andere verletzten. Die Forscherin beobachtete schon in den ersten Versuchen eine Reduktion von Aggressionen und Verletzungen. Die Verletzungen haben sich halbiert und die Medikamentengaben verringert.
 
Ganz lustig finde ich die Namen der Schweine. Es eignen sich besonders Namen mit 3 Silben, wie zum Beispiel „Hil-de-gard“, „Brun-hil-de“ oder „Be-a-te“.
 
Die Schweine gehen dann zum computergestützten Futterautomaten (Kosten: 12 000 Euro). Ein Chip im Schweinsohr erfasst, wie viel die Säue bereits von ihren Tagesrationen gefressen haben. Ist die Tagesration erreicht, bekommt die Sau nichts mehr.
 
In einem Film bei www.3sat.de (Mediathek, „nano“-Sendung vom 16.12.2011) konnte ich auch ein besonders gerissenes Schwein sehen, das eine andere Sau zur Seite stiess und nochmals fressen wollte. Es schaute dumm aus der Wäsche, als es zwar in die Box kam, aber kein Futter erhielt. Die in der Box befindliche Futterklappe blieb zu. Es gibt nicht nur bei Menschen, sondern auch bei den Schweinen, solche ohne Manieren oder solche, die immer hungrig sind und zu viel fressen (essen) wollen.
 
Sauglücklich im Stall?
„Ein glückliches Schwein trifft flexiblere und schnellere Entscheidungen“, sagte US-Gehirnforscher Prof. Jaak Panksepp. Der Forscher betonte, dass Schweine Basis-Emotionen, genauso wie wir Menschen, und analoge Gehirnstrukturen haben. „Wir haben Schaltkreise tief in unserem Hirn, die mindestens 7 grundlegende emotionale Verhaltensmuster erzeugen wie Neugier und Freude“, betonte der Forscher in der erwähnten 3sat-Sendung. Das Verhalten der Schweine ist spielerischer Art. Sie reagieren auf Stress mit Laufen. Erfolgt der Reiz erwartet oder unerwartet, reagieren sie unterschiedlich, wie Forscher um Dr. Birger Puppe vom Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf herausbrachten. Damit könne man über Laute die Emotionen der Schweine messen.
 
Ich kann mir das gut vorstellen, dass Schweine, die artgerecht gehalten und liebevoll behandelt werden, glücklicher sind. Bei gestressten Schweinen lassen sich im Fleisch Stresshormone feststellen. Walter Hess gab mir seine Meinung in einer E-Mail vom 18.12.2011 bekannt. Er schrieb: „Es ist ja bekannt, dass Schweine ausserordentlich intelligente Lebewesen sind. Bei guter Haltung, angenehmen Stallverhältnissen und guter Fütterung bin auch ich viel gesünder und robuster gegen alle Angriffe.“ Walter hat Recht. Man kann also viel von den Schweinen lernen.
 
In dem Film kam auch Landwirt Johannes Buchner zu Wort. Im Bild waren seine schwarzen Deutschen Cornwall-Schweine zu sehen, die munter im Freien herumliefen und auch zum Bauer kamen und neugierig die Filmleute beschnüffelten und betrachteten. Er lässt seine Schweine das ganze Jahr im Freien. Seine Schweine sind neugierig, haben keine Angst. Der Bauer merkt sofort, wenn irgendein Schwein krank ist. Die Sau lässt dann die Ohren hängen, bewegt sich nicht so agil und ist nicht neugierig. „Neugierde ist ein Zeichen von Glücklichsein“, so Johannes Buchner.
 
Reinliche Tiere
Bei den erwähnten Filmen von 3sat wurde auch auf die Reinlichkeit der Tiere hingewiesen. Wenn Schweine in der Tierhaltung genügend Platz haben, dann suchen sie sich eine Ecke aus, in der sie ihre „Geschäfte“ verrichten. Das bestätigte mir auch unsere Gemüsefrau, die einmal in der Woche mit ihrem VW-Bus zu uns kommt. Sie hatte einmal 2 Jungschweine zur Aufzucht. Sie legte dann in einer Ecke des Stalls mehrere Zeitungslagen aus. Darauf fand sie am nächsten Morgen immer die Exkremente vor. Sie brauchte dann nur die Zeitungslagen einzurollen und entsorgen.
 
Einer Nachbarin, die auch diverses Obst und Gemüse kaufte, erzählte ich die Geschichte über die sauberen Schweine. Da bemerkte sie dieses: „Es gibt Menschen, die unsauberer sind als die edlen Tiere.“
 
Oft herrscht die Meinung vor, die Schweine seien unrein, da sie sich ja suhlen. Das gehört zum Schwein dazu. Sie suhlen sich im Dreck, um sich u. a. vor den Sonnenstrahlen zu schützen.
 
Und was machen die Menschen? Sie schmieren sich fette Cremen oder Lotionen mit vielen Zusatzstoffen auf ihre Haut. Kein Wunder, wenn die Haut dann allergisch reagiert.
 
Ist einer besonders unordentlich und ungewaschen, wird dieser gerne als „Dreckschwein“ und eine verdreckte Wohnung als „Saustall“ bezeichnet. Das Schwein hat es nicht verdient, mit Unreinheiten des Menschen in Verbindung gebracht zu werden.
 
Schwein geriet in Panik
„Wenn das (arme) Schwein am fettesten ist, so hat es den Metzger am meisten zu fürchten.“ Dieser Spruch von Abraham a Santa Clara bewahrheitet sich immer wieder. Die Schweine sind ja sensible Tiere, die es merken, wenn der Schlachter kommt.
 
Dazu eine Episode: Unvorsichtigerweise näherte sich ein rumänischer Schlachter einem Schwein mit dem gezückten Messer. Er wollte das Schwein anlässlich des Adventsschlachtfests töten. Als der Bursche zustechen wollte, trat ihn das Schwein gegen seine mit dem Messer bewaffnete Hand. Dabei rammte sich der „Schlachtmeister“ die Messerspitze selbst in den Hals. Der Mann verblutete.
 
Die Schlachterei zur Adventszeit hat in Rumänien Tradition. Freunde werden zum Fest eingeladen, um Würste und Pasteten zu konsumieren. Das Schlachten mit dem Messer ist seit 2007 (Jahr des EU-Beitritts) verboten. Aber der Brauch lässt sich nicht ausrotten.
(Quelle: dpa, „Badische Zeitung“ vom 07.11.2011)
 
Wilde Wildschweine
Wildschweine können ganz schön wild werden, besonders dann, wenn sie von Jägern verfolgt werden. Hier ein Beispiel: In Niedersachsen griff auf einem Feld bei Friedland in Niedersachsen ein Wildschwein 2 Jäger an und verletzte einen schwer. Der 2. Jäger war so überrascht, dass er einen Schuss mit seinem Gewehr abgab. Die Kugel schlug nicht in die Sau, sondern 200 m entfernt in einen vorbeifahrenden Lastwagen ein. Zum Glück blieb der Fahrer unverletzt.
 
In einem anderen Fall fungierte die wilde Sau als „Einbrecher“ in einem Wohnhaus im Landkreis Calw. Die 35 kg schwere Sau wollte wohl das Haus erkunden und wütete kräftig. Sie rannte ins Bad, dann ins Büro und machte sich auf dem Schreibtisch auf einem Laptop breit „und schaute verträumt zum Fenster hinaus“ (dpa-Meldung vom 17.03.2010). Die Hausbesitzer riefen die Polizei, die mit 2 Streifenwagen anrückte. Die arme neugierige Sau wurde dann leider erschossen.
 
Das Schwein in der Werbung
Ab und zu muss das Schwein auch für die Werbung herhalten. So gibt es das niedliche Zwergschwein oder „Glücksschwein“ (Schwein haben = grosses Glück haben).
 
Gerade um die Weihnachts- und Neujahrszeit werben Spiel- bzw. Lottogemeinschaften mit einem Kaminfeger, der ein kleines Schwein im Arm hält oder mit einem 4-blättrigen Kleeblatt. Diese Glückssymbole sollen die Spieler animieren, Lose zu kaufen oder einen Lottoschein auszufüllen. Die meisten warten dann vergeblich auf einen Gewinn.
 
In der neuesten Ausgabe von „Schrot&Korn“ (2012-01) entdeckte ich eine amüsante Annonce mit der Überschrift „Für richtig Spass am Leben muss man die Sau raus lassen.“ Darunter war ein grinsender Bauer zu sehen, der ein Schweinchen in den Armen hält. Daneben stand: „Georg Ohler hat Schwein – und umgekehrt.“ Es ist eine Werbung für einen Biohof bzw. für Biowurst (www.vorwerkpodemus.de).
 
Das Schwein in Redensarten
„Das kann kein Schwein lesen.“  Im 17. Jahrhundert gab es in Schleswig eine Gelehrtenfamilie namens Swyn (plattdeutsches Wort für „Schwein“). Zu dieser kamen des Lesens nicht mächtige Leute, um sich Briefe und Urkunden vorlesen oder Schriftstücke verfassen zu lassen. Wenn jedoch eine Aufzeichnung selbst für die Swyns unleserlich war, sagten die Bauern: „Dat kann keen Swyn lesen!“
 
Die Redensart „Schwein haben“ wurde im 16. Jahrhundert von einem Kartenspiel hergeleitet. Die „As“ war die höchste Karte und hiess „Daus“ oder „Sau“.
 
„Wir haben doch keine Schweine zusammen gehütet“ bedeutet eine Zurückweisung plumper Vertraulichkeit. Die Redensart entstand nach einer „Schildbürger“-Anekdote (Schwanksammlung des 16. Jahrhunderts). Ein Schweinehirt wurde in Schilda Bürgermeister. Als nun ein ehemaliger Kamerad aus der Schweinehirtenzeit ihn duzen wollte, verbat sich der Herr Bürgermeister diese Intimität (Quelle: „Deutsche Redenarten“ von Krüger-Lorenzen).
 
Zitate über Schweine
„Hunde blicken zu uns auf, Katzen schauen auf uns herab und Schweine behandeln uns als Gleichgesinnte.“
(Winston Churchill)
 
„Wer Eindruck machen will, kaufe sich ein Pferd, wer Reichtum ernten will, züchtet Schweine.“
(Unbekannt)
 
„Präsident sollte nur jemand werden dürfen, der auch Schweine versteht.“
(Harry Truman)
 
„Der Lebenskünstler und der Feinschmecker wissen, dass man ein Schwein sein muss, um Trüffel zu finden.“
(Marquis de Sade)
 
„Ich finde Schweine im allgemeinen sympathisch und halte sie für die intelligentesten Tiere, wobei ich den Elefanten und den menschenähnlichen Affen nicht ausnehme ...“
(W. B. Hudson)
 
„Schweine sind sehr schöne Tiere. Wer anders darüber denkt, der sieht nichts mit eigenen Augen, sondern nur durch die Brille von anderen. Die wahren Umrisse eines Schweines gehören zu den hübschesten und schwelgerischsten in der Natur.“
(G. K. Chesterton)
 
Internet
http://home.arcor.de (Zitate und Sprichwörter)
 
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