Textatelier
BLOG vom: 14.11.2011

Die schöne, neue Brücke bei der Suhre-Mündung in Aarau

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein AG/CH (Textatelier.com)
 
Brücken werden allgemein gelobt, weil sie etwas Verbindendes haben; sie überbrücken das Trennende – einen Bach, einen Fluss, einen See, einen Meeresarm, eine Schlucht. Und viele Brücken sind ihrer Schönheit wegen zu loben. Die meisten Brücken sind schön, weil sie richtig konstruiert sein müssen – wären sie es nicht, würden sie früher oder später einstürzen. Das Musterbeispiel eines grandiosen, perfekt in die felsige Landschaft eingepassten Bauwerks ist der leicht gebogene Landwasser-Viadukt (bei einem Viadukt besteht das Tragwerk aus mehreren Bögen). Er ist ein Bestandteil der Albulastrecke der Rhätischen Bahn (RhB), ein handwerkliches Meisterstück. Auch kleinere Brücken können einen erfreulichen Anblick bieten, wenn sie in Bezug auf Konstruktion und Materialwahl in die Umgebung passen.
 
Genau das ist bei der verhältnismässig kleinen, neuen Brücke bei der Einmündung der Suhre in die Aare der Fall. Die Holzkonstruktion mit den beiden seitlich verlaufenden Tragbögen wertet den Mündungsbereich der Suhre und die umgebende Landschaft, die Aarauer Telli, auf. In der Nähe sind unter anderem die Kläranlage und die Telli-Hochhäuser, die wie eine Staumauer quer im Aaretal sehen, ebenso ein Einkaufszentrum und das Aargauer Polizeikommando. Befindet man sich am Zusammenfluss von Suhre und Aare, bilden die Brückenbögen einen angenehmen Rahmen über die Welt aus Stahl, Beton und Glas; sie mildern die Härte des Hochgebauten im Hintergrund. Ein Gewinn.
 
Die Brücke über die Suhre hat eine Spannweite von 29 Metern und kommt ohne Pfeiler aus; die beiden Widerlager nehmen die Kräfte auf. Die von der Holzbaufirma Max Fischer aus Lenzburg konstruierten Tragbögen bestehen im Kern aus verleimtem Fichtenholz und sind mit dem wetterresistenteren Lärchen-Leimholz verkleidet. Die Oberseite des Holzbogens schützt eine Kupferabdeckung. Der Fussgängersteg seinerseits ist aus massiver Eiche. Er wurde mit einigen leicht schräg geneigten Metallverstrebungen an den Bögen befestigt, das heisst aufgehängt. Die ganze Brücke hat ein Gewicht von rund 20 Tonnen und wurde am 25.10.2011 von einem Kran am Stück auf die Widerlager aufgesetzt. Die Projektleiter vom Stadtbauamt Aarau waren Felix Fuchs und Thomas Pfister.
 
Obschon die naturnahen Uferbefestigungen und Dämme noch im Stadium einer Baustelle sind, ergab sich am sommerlich warmen Herbstsonntag, 06.11.2011, eine kleine Völkerwanderung zur neuen Sehenswürdigkeit, für welche die Stadt Aarau rund 550 000 CHF hingeblättert hat. Man kann das Bauerwerk als so etwas wie eine zusätzliche Anbindung der mit Aarau am 01.01.2010 fusionierten ehemaligen Gemeinde Rohr empfinden.
 
Zweifellos ist der untere Suhrenlauf ein wichtiges Erholungsgebiet insbesondere für die Ost-Aarauer. Für Naturfreunde ebenso wichtig ist der Umstand, dass hier ein Laichplatz für die vom Aussterben bedrohten Nase (Blaunase, Näsling, Chondrostoma nasus) ist und bleibt. Der Wasserfluss über dem Sand- und Kiesgrund ist genau das, was das Wohlgefallen der raren Nasen erweckt. Alle Nasen verdienen des Schutzes.
 
Durch Renaturierungen und Aufweitungen hat der Unterlauf der Suhre in den vergangenen Jahren viel an Attraktivität gewonnen, so dass sich Spaziergänger über wesentlich mehr als nur über die neue Brücke freuen können, die anstelle eines ausrangieren, baufälligen Stegs montiert wurde.
 
Wer sich vom Suhredelta aareabwärts begibt, erreicht sogleich die junge Autobrücke, die zum Staffeleggzubringer gehört. Auch in jenem Bereich gibt es grössere Flächen, die im Rahmen des Auenschutzparks Aargau an die Natur zurückgegeben werden, teilweise eine Kompensation für die Eingriffe durch das Strassenbauwerk.
 
Dass das stadtnahe Gebiet am Fluss von einer ausufernden Tätigkeit weitgehend verschont werden konnte, ist schon erstaunlich, besonders deshalb, weil die Aarauer die Schönheiten der am Rand der Altstadt vorbeifliessenden Aare bis in jüngster Zeit eher mit Vernachlässigung straften. Ein Ingenieur in Aufbruchstimmung, Dr. Gottlieb Lüscher, plante in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts dort einen 3,5 km langen und etwa 1 km breiten Aare-Stausee für die Elektrizitätserzeugung und die Personen- und Güterschifffahrt. Der Aufstau hätte vorab das Rohrer Schachengelände zwischen Rupperswil und der erwähnten Suhremündung bei in der Telli bis hin zur Böschung, die das Strassendorf Rohr auf der Nordseite begleitet, überflutet. Die Aarauer Telli aber hätte trocken bleiben müssen, wofür hinter einem wasserdichten Aaredamm ein tiefer Binnenkanal nötig gewesen wäre, der sein Grundwasser einem kleineren Weiher nahe dem Stauseeufer zugeführt hätte, von wo es mit Pumpen in den See hinauf gebracht worden wäre (Quelle: „Aarau am See“ von Robert Wullschleger in „Telli-Post“ Nr. 11.2010). Daraus wurde nichts. Das Suhre-, Aare- und Grundwasser mit den Giessen (Grundwasseraufstössen) im Rohrer Schachen wird diskreter bewirtschaftet und wenn immer möglich sogar in Frieden gelassen.
 
Statt Motorboot-Enthusiasten können sich nach wie vor Spaziergänger an der dortigen Landschaft erfreuen – und an der neuen Brücke. Es wird immer besser.
 
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