Textatelier
BLOG vom: 21.03.2011

Salz-Diskussion: Natrium, Mineralstoff für Muskeln, Nerven

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
In seinem Blog vom 28.02.2011 (Wie uns die Behörden grundlos salzarmes Brot aufzwingen) berichtete Walter Hess über die amtlich veranlasste Salzreduktion in Brot. Laut dem Schweizer Bundesamt für Gesundheit (BAG) soll der Salzgehalt (Natriumchloridgehalt) des Brotes bis 2012 auf 8 Gramm und später sogar auf 5 Gramm pro Kilogramm reduziert werden. Zum Glück machen kleine Bäckereien diesen Unsinn nicht mit. Sie wollen schliesslich geschmackvolles Brot verkaufen (in der Schlossbäckerei Biberstein kommen 17 Gramm Salz pro Kilo ins Brot). Ich habe schon erlebt, dass Leute ihr salzarmes und geschmackloses Brot mit Kräutersalz oder einem anderen Salz nachwürzten (sie verteilten Salz auf die Brotscheibe).
 
Die Ernährungsexperten der US-Amerikaner und der EU begründen die Salzreduktion damit, dass zu viel Salz den Blutdruck in die Höhe schnellen lässt und damit langfristig ein Anstieg von Herzkrankheiten zu erwarten ist. Sie hatten mit ihren Empfehlungen die US-Fast-Food-Esser, die viel Kochsalz in sich hineinstopfen, im Visier.
 
Betrachten wir einmal, was Natrium bzw. Natriumchlorid (Kochsalz) im Körper bewirkt. Kritisch beleuchte ich auch Studien zum Kochsalzkonsum und Bluthochdruck.
 
Regulation des Wasserhaushaltes
Das Natrium reguliert im Organismus den Wasserhaushalt, den osmotischen Druck, den Säure-Basen-Haushalt, gewährleistet die Erregbarkeit von Muskeln und Nerven und aktiviert verschiedene Enzyme. Ohne Natrium gäbe es keine Muskelbewegung und keine Schmerzempfindung. Ohne Natrium wäre unser Körper nicht in der Lage, Wasser zu speichern.
 
Auch das Chlorid ist wichtig. Es reguliert zusammen mit Natrium die Aufrechterhaltung der Flüssigkeitsverteilung und des osmotischen Drucks im Organismus. Ferner ist Chlorid Bestandteil der Magensäure. Diese Säure (Salzsäure) wird in den Belegzellen des Magens produziert.
 
Zurück zum Natrium: Was die meisten nicht wissen, ist die Tatsache, dass 90 bis 95 % des resorbierten Natriums über die Nieren ausgeschieden werden. Starkes Schwitzen führt zu beträchtlichen Natriumverlusten (0,5 bis 1,0 g pro Liter Schweiss).
 
In meinem Buch „Mineralstoffe und Spurenelemente" (1996) wies ich auf Folgendes hin: Der Natriumhaushalt wird durch die Nieren reguliert. Diese stehen unter der Kontrolle von Drüsen und Hormonen. Die Hauptaufgabe leistet dabei die Nebennierenrinde, welche die für die Regulation des Na-Haushalts zuständigen Hormone produziert. Bei geringer Hormonausschüttung, wie dies z. B. bei einer Schwächung der Nebennierenrinde der Fall ist, verlässt zu viel Na die Nieren. Es entsteht ein Na-Mangel, der gravierende Folgen hat. Bei einer vermehrten Hormonausschüttung infolge Überfunktion der Nebennierenrinde wird demzufolge wenig Na ausgeschieden. Dies ist bei Krankheiten mit Ödembildung (beispielsweise Herzkrankheiten oder Nierenkrankheiten) gegeben, aber auch während der Schwangerschaft, bei Verletzungen und Angstzuständen. Chronisch erhöhte Na-Konzentrationen im Blutplasma führen zu Unruhe, Schwindel, Erbrechen, Übererregbarkeit der Muskulatur, Haut und Schleimhautaustrocknung, Benommenheit mit abnormer Schläfrigkeit und in besonderen Fällen zu Herzversagen.
 
Bei den erwähnten Krankheiten ist also eine Salzreduktion sinnvoll. Für einen Gesunden dürfte ein erhöhter Konsum keine Nachteile bringen.
 
Gibt es einen Natriummangel?
Tatsächlich muss gesagt werden, dass ein Natriummangel in unseren Breiten eine Seltenheit ist. Der grösste Teil der Bevölkerung führt sich nämlich genügend Na zu. Dennoch kann es fallweise zu Mangelerscheinungen kommen, beispielsweise durch eine Schwächung der Nebenniere oder eine extrem natriumarme Ernährung, durch starkes Schwitzen, harntreibende Medikamente, starkes Erbrechen und Durchfälle.
 
Wie äussert sich ein Mangel? Die betroffenen Menschen sind teilnahmslos; es fehlt ihnen die Antriebskraft, sie sind verwirrt, und es kann sogar Bewusstlosigkeit auftreten. Weitere Anzeichen eines Mangels sind Übelkeit, Erbrechen, fehlender Durst, Appetitmangel, niedriger Blutdruck, Kollapsneigung, Steigerung des Pulses, verminderte Harnausscheidung, Ermüdbarkeit und Muskelkrämpfe.
 
Das Ergebnis einer Studie: Dr. Maria Ruppert aus Bonn fand in einer Untersuchung an 20 gesunden Freiwilligen im Alter von 65 und 85 Jahren heraus, dass die geistige Leistungsfähigkeit nach einer Woche kochsalzarmer Ernährung absinkt. Insbesondere das Kurzzeitgedächtnis leidet. Die Konzentrationsfähigkeit war deutlich schlechter als unter salzreicher Kost.
 
Wie Prof. Dr. Klaus O. Stumpe, Bonn, betonte, kann eine Salzrestriktion besonders für ältere Menschen Folgen haben. Der ältere Mensch hat weniger Durst, er trinkt demzufolge weniger und hat in seinem Körper weniger Wasser gespeichert. Wird nun wenig Salz aufgenommen, verstärkt sich die Austrocknung (Salz bindet Wasser!). Kommen im Sommer noch weitere Wasserverluste durch Schwitzen, Fieber und Durchfall hinzu, treten die unter Natriummangel beschriebenen Störungen auf.
 
Wichtiger Hinweis: Die tägliche Kochsalzmenge sollte nicht verringert werden bei Fieber, gesteigerter körperlicher Aktivität, in heissen Klimazonen, bei Durchfall, Erbrechen, nässenden Hauterkrankungen und Mukoviszidose. Bei diesen Krankheiten gehen grosse Mengen an Natrium über den Schweiss verloren. Auch Diabetiker und geschwächte Patienten sollten auf eine Kochsalzreduktion verzichten, mahnt die Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks.
 
Hinweis zum Chlorid: Beim Menschen kann ein Chloridmangel durch ständiges Erbrechen entstehen, vor allem dann, wenn zusätzlich noch chloridarme Nahrung aufgenommen wird. Ein Mangel, der experimentell schwer zu erzeugen ist, äussert sich in Wachstumsstörungen und Muskelschwäche.
 
Treibt Salz den Blutdruck in die Höhe?
Früher wurde dies beobachtet: Es gibt Menschen, die salzempfindlich (salzsensitiv) sind. Man vermutet, dass diese Empfindlichkeit erblich bedingt ist. Seltsamerweise reagieren nur 15 % der Hypertoniker nach Salzreduktion mit einer leichten Absenkung des Blutdruckes (die Blutdrucksenkung lag bei 5 mm Hg).
 
Bisher zeigte sich in Studien kein kausaler Zusammenhang zwischen Salzkonsum und Bluthochdruck. Trotzdem hält sich der Mythos sehr hartnäckig.
 
Wie im Internet unter www.praxis-fuer-naturheilmedizin.de berichtet wird, waren wohl Untersuchungen in den 70er-Jahren an Ratten, die eine stark salzhaltige Nahrung erhielten und daraufhin an hohen Blutdruck verstarben, Auslöser der unsinnigen Empfehlungen. „Bei der Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen entstand eine Fehlinterpretation, denn umgerechnet entsprach die aufgenommene Salzmenge der Ratten beim Menschen einer Tagesdosis von 500 Gramm, was jeder wissenschaftlichen Verhältnismässigkeit entbehrt“, ist unter der angegebenen Internetadresse nachzulesen.
 
Auch kursierten schon in den 90er-Jahren falsche Verzehrsmengen. Es wurde allgemein ein Salzkonsum von 12 bis 15 Gramm angenommen. Berechnungen ergaben jedoch viel niedrigere Werte (Frauen: 6‒6,4 Gramm, Männer: 8,2‒8,5 Gramm). Heute dürften bei den Fast-Food-Essern wieder höhere Verzehrswerte vorliegen.
 
Entscheidend für die Ausbildung einer Hypertonie sind ganz andere Faktoren massgebend. Es könnte auch der Natrium-Kalium-Quotient eine Rolle spielen. Unsere ursprüngliche natürliche Nahrung hatte ein Verhältnis von Na zu K von 1:5 bis 1:10 (also 1 Teil Na auf 5‒10 T. K). Unsere heutige salzreiche Kost weist ein Verhältnis 3:1 auf (also 3 Teile Na auf 1 Teil K). Japanische Untersuchungen ergaben: Je grösser der Na-K-Quotient war ‒ also viel Na, wenig K ‒, desto höher der Blutdruck. Auch dieses Ergebnis sollte man näher unter die Lupe nehmen.
 
Wie wir gesehen haben, ist die Blutdrucksenkung sogar bei salzsensitiven Menschen gering. Wir können also getrost Salz in vernünftigen Dosen zu uns nehmen. Wir brauchen keine von Beamten verordnete Salzrestriktion.
 
Literatur
Elmadfa, Ibrahim; Leitzmann, Claus: „Ernährung des Menschen“, Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart 1988.
Ernährungsgesellschaften von A, CH und D: „Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr“, Umschau-Braus-Verlag, Frankfurt a. Main 2000.
Scholz, Heinz: „Mineralstoffe und Spurenelemente“, Trias Verlag, Stuttgart 1996.
 
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