Textatelier
BLOG vom: 05.02.2010

Über den Hauenstein via Buckten nach Böckten zum Patron

Autor: Walter Hess, Publizist, Biberstein/AG CH (Textatelier.com)
 
Nichts Langweiligeres, als wenn täglich die Sonne scheint – Widersprüche nehme ich gelassen hin. Selbst eine Morchelterrine (siehe unten) und weisse Trüffel würden einem verleiden, müsste man sie Tag für Tag essen. Da haben wir es am Übergang vom Jurasüdfuss zum Mittelland einigermassen besser. Zwar sind da viele Nebeltage durchzustehen, die einem ebenfalls den Verleider anhängen können. Immerhin sind sie für Raureif besorgt. Wenn dann die Sonne auf die verzuckerte Landschaft scheint, wie das am Samstag, 30.01.2010, der Fall war, sind das grandiose Stunden mit dem erhöhten Wert von Raritäten. Unbezahlbar.
 
Ich musste an jenem Samstag eine Besorgung in Olten machen. Auf der Reise von Biberstein westwärts erlebte ich den Jura-Hügelzug in seiner ganzen winterlichen Ausdruckskraft. Die Wälder, deren Dunkelgrau sich durch den Raureifbehang in zarte Schraffuren zerlegt hatte, zeichneten sich von den uniform weissen Flächen der Wiesen ab, und gelegentlich schien es, als ob ein grosser Sack voll geschliffener, funkelnder Diamanten über die südliche Jurakette ausgeschüttet worden sei. Besonders fielen mir der Dottenberg (872 m ü. M.) und der Stellichopf (667 m) nördlich von Olten auf. Sie lassen die von Norden frontal gegen sie fliessende Aare abprallen und weisen ihr den Weg nach Osten, wieder dem Aargau zu.
 
Nachdem ich meinen Einkauf in Olten getätigt hatte, riss es mich förmlich Richtung Trimbach und hinauf auf den Unteren Hauenstein („Unter Hauenstein“ lautet die Schreibweise gemäss Landeskarte 1:25 000, Blatt 1088, das den Namen „Hauenstein“ trägt). Die Strasse, die zwischen dem Januar 1827 und dem April 1830 nach den Plänen des Solothurner Geologen Amanz Gressly (1814‒1865) anstelle des steilen, teilweise in Fels gehauenen mühevoll befahrbaren Wegs aus römischen Zeiten gebaut wurde, war ein Teil der ehemals wichtigsten Nord-Süd-Verbindung, zu der im Wesentlichen auch der Gotthard gehört. Der Unter Hauenstein und der Gotthard wurden zur ähnlichen Zeit ausgebaut, so dass anschliessend Kutschen und Wagen zwischen Italien/Tessin und Basel bequemer zirkulieren konnten.
 
Der Hauenstein-Südhang wurde durch eine grosse Schleife im Ifenthaler Graben entschärft. Die Strecke von Trimbach (Kanton Solothurn) bis auf den Höhepunkt des Gebirgskamms (691 m ü. M.) ist 5045 Meter lang, und im anschliessenden Kanton Baselland geht es über Läufelfingen bis Buckten 4544 Meter weiter. Der Pass hat also verhältnismässig bescheidene Dimensionen, und inzwischen ist er durch den Belchentunnel der A2 bedeutungsmässig zurückgefallen.
 
Die nur wenig befahrene Strasse war über weite Strecken teilweise vereist, wahrscheinlich eine Auswirkung des Streusalzmangels, was aber keine besonderen Fahrkünste erforderte, zumal ich mich bei der Wahl der Winterreifen nicht lumpen lasse. Herrlich traten die rundum mit weissen Kristallen bestückten Baumäste in Erscheinung; ich fühlte mich wie in einer Allee, in einem mit ziseliertem Silber ausstaffierten, geschlossenen Korridor, getragen von hellrindigen Buchenstämmen.
 
Wo die Strassenschlaufe im Hauensteiner Bodenfeld den Wald verlässt, ist ein Parkplatz eingerichtet, der von Schneemahden umgarnt war. Ich musste durch den etwa 20 cm hohen Schnee stapfen, um an die Krete zu gelangen und zwischen Hegiberg und Ban das Dorf Trimbach und dessen Umgebung aus der Vogelschau zu sehen. Den Vordergrund bildeten eingeweisselte Äste von Sträuchern und eine weiss ummantelte Fichte. Trimbach lag am späteren Vormittag gerade wieder etwas im Schatten unter vorbeiziehenden Wolkenbändern, mit denen sich der Dampf aus dem Kernkraftwerk Gösgen vermengte, und linkerhand, an der Geissflue, zeichnete der Schnee den Verlauf der nur leicht abfallenden Kalkschichten nach.
 
Wenig weiter oben, im Dorf Hauenstein mit seinen Gasthäusern und Parkplätzen an den Abhängen des 807 m hohen Liechtbergs mitten im zerfurchten Solothurner Kettenjura, schoben Eingeborene den Schnee beiseite. Im Norden verläuft die Gemeindegrenze von Hauenstein-Ifenthal im Wesentlichen entlang der Wasserscheide; sie trennt, dem Jurahauptkamm folgend, das Wassereinzugsgebiet der Aare im Süden von dem der Ergolz im Norden.
 
Auf der Baselbieter Seite war, entgegen des Normalfalls, der Himmel dunkelgrau verhangen, und es bedurfte einiger Überwindung, ins Homburgertal (Bezirk Sissach BL) zwischen Wisenberg und Belchengebiet hinunterzufahren, das ich mir gern einmal näher ansehen wollte.
 
Das zuerst auftauchende, abgelegene Dorf Läufelfingen erlebte seinen Aufschwung mit dem Bau des Hauensteintunnels 1857/58; seither kann das Eisenbahnzentrum Olten leicht erreicht werden, das gute Arbeitsplätze bot. Das Bauerndorf wandelte sich in ein Arbeiterdorf. Um 1900 liess sich hier die Gipsindustrie nieder. Von Läufelfingen sind es nur etwa 2 km nach Buckten, der zweitobersten Gemeinde im Homburgertal. Der Hauensteinpass ist dort definitiv überwunden – und in diesem Buckten wurden früher zusätzliche Pferde ein- oder ausgespannt. Gasthäuser und Handwerker waren im Interesse des Passverkehrs tätig – heute spürt man kaum noch etwas davon.
 
Und noch einmal etwa 2 km talabwärts folgt Rümlingen: Das Dorfbild hat wegen der spätgotischen Kirche und des Pfarrhauses vor dem 25 m hohen Bahnviadukt mit den 8 Steinbögen, ein Bestandteil der alten Hauensteinlinie, seinen besonderen Reiz, sein unverkennbares Merkmal.
 
Le Patron
Am Ende des Homburgertals landete ich über Diepflingen, das 1833 während 9 Tagen eine eigene Republik war, und Thürnen in Böckten (nicht zu verwechseln mit dem erwähnten Buckten) im mittleren Ergolztal bei Gelterkinden. In diesem Böckten, wo einst die Burg Bischofstein (heute eine Ruine) den Unteren Hauenstein sicherte, konnte ich der Versuchung, dem Fleischhersteller Le Patron kurz vor Mittag einen Besuch abzustatten, nicht widerstehen. Der Fabrikladen war noch offen. Zuerst einmal beeindruckte mich, dass man selbst Teigwarengerichte vorgekocht kaufen kann – was ich noch nie übers Herz brachte. Teigwaren, meist als Halbprodukt eingesetzt, sind ja so schnell zubereitet. Dafür probierte ich ein kleines Pastetenstück, das mir wegen der Würze, der geschmacklich etwas vorherrschenden Pouletleber und Frische ausnehmend gut gefiel. Und dann fand ich auch noch eine Morchel-Terrine, in der sich unter anderem Judasohren (in der chinesischen Küche als Mu-Err bekannt) befanden, die der Arteriosklerose entgegenwirken sollen. Die zivilisierte Menschheit kann gar nicht genug davon verzehren.
 
Eine meiner merkwürdigen Verhaltensweisen ist es, immer die Zutatenlisten zu studieren, und dabei stolpere ich selbst in ganz unerwarteten Fällen über das Wort Glucosesirup (Maisstärkesirup, englisch: high fructose corn syrup, gewonnen durch Stärkeverzuckerung), der günstig herzustellen ist, für Süsse sorgt ohne auszukristallisieren und auch als Bindemittel dient. Selbst in der Morchelterrine war er dabei; so werden wir für den Geschmack der US-Softgetränke programmiert. Da aber auch noch Brandy (Weinbrand) und Madeirawein sowie Pistazien in die Masse gemischt waren, kaufte ich 2 Tranchen von dieser Terrine, die dann – ich will es zugeben – zu einer perfekten, ausnahmsweise Glucose-freien Cumberlandsauce, ebenfalls von Le Patron produziert, als sonntägliche Vorspeise tatsächlich exzellent schmeckte.
 
Anschliessend habe ich die Glucose-Kalorien durch Schneeschaufeln abbauen können. Ich tat dies ohne MuErren mit kalten Ohren.
 
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