Textatelier
BLOG vom: 21.11.2008

Kobe- und Kabierrind: Mit Bier-Massagen zu zartem Fleisch

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„So gut möchte ich es auch haben, aber mich massiert niemand“, sagte kürzlich eine Fleischwarenverkäuferin zu mir, als ich ihr von den japanischen Koberindern erzählte, die täglich 1 bis 2 Stunden bei klassischer Musik mit einem Spezialhandschuh massiert werden. Und eine andere Frau, die unser Gespräch mitbekam, meinte, süffisant lächelnd: „So ein Rindviech hat es gut, da würde ich mich auch wohlfühlen.“ Ein neben ihr stehender Mann, der dies hörte, gab dann, zur Frau gewandt, zu bedenken: „Was nützt ihnen die Wohlfühlerei, wenn sie bald darauf geschlachtet werden.“ Das ist der Lebenslauf so mancher Tiere.
 
Aber es gibt auch Frauen, die mit Massagen in bestimmten Situationen nicht so zufrieden sind. In der RTL-Sendung „Bauer sucht Frau“ sah ich in einer kleinen Zusammenfassung (ich sehe mir solche Sendungen grundsätzlich nicht an), wie eine Kandidatin im Stall eine Kuh mit ihren zarten Händen molk, während der Bauer mit der einen Hand die Kuh und mit der anderen die Frau tätschelte. Da meinte sie doch sehr entrüstet, er mache wohl keinen Unterschied mit einer Kuh und einer Frau. Damit war die Verkupplung wohl geplatzt.
 
Wer an die Wiedergeburt glaubt, würde wohl gerne als Koberind wieder auf die Welt kommen. Es ist ein angenehmes Leben, das die Rinder erfahren.
 
Die Tiere werden während ihres über 3-jährigen Lebens nicht nur mit Streichel- bzw. Massiereinheiten verwöhnt. Sie bekommen auch ein gutes Futter auf Basis von Gras, Korn, Rüben und Kartoffeln. Die Kost wird dann noch mit Alfalfasprossen (Alfalfa = Luzerne) aufgemöbelt. Damit noch nicht genug: Die Rinder bekommen auch Bier zur Appetitanregung zu trinken, werden mit Reiswein besprüht und können sich in grossen Gehegen frei bewegen. Die Rinder erhalten auf keinen Fall Wachstumshormone und Antibiotika.
 
Ich wurde auf dieses Thema aufmerksam, als ich in der Online-Ausgabe von „bild“ (www.bild.de) den Bericht über den Promi-Wirt Sepp Krätz aus München las. Er möchte nämlich bald die japanischen „Luxus-Kühe“ in Bayern auf Bio-Basis züchten. Er ist überzeugt, dass den Rindern das bayrische Gras schmecken wird.
 
Das Koberind aus der japanischen Region um Kobe ist ein Schwarzvieh. Das Fleisch des Rinds ist dunkelrot und von einer feinen und gleichmässigen Marmorierung durchzogen. Es hat übrigens den geringsten Anteil an gesättigten Fetten aller Rinderrassen. Das Fleisch ist unglaublich zart (es wird als das zarteste Fleisch der Welt gelobt) und soll sehr lecker schmecken. Dafür muss der Gourmet einen entsprechend hohen Preis für das Fleisch des teuersten und exklusivsten Hausrinds der Welt bezahlen. 1 Kilogramm Fleisch aus Nachzüchtungen kostet in Deutschland zwischen 150 und 300 Euro (in Japan 600 Euro/kg).
 
Die Zucht ist aufwändig und die Überprüfung der Qualität sehr streng. In Japan soll es etwa 4000 Rinder, die den hohen Anforderungen entsprechen, geben. Das Rind wird nicht exportiert. Es gibt zwar in Amerika, Australien und Europa „Kobe-Beef“ („Wagyu-Beef“), das jedoch aus Nachzüchtungen (Kreuzungen mit westlichen Rassen) stammt.
 
Das Fleisch ist in Feinkostgeschäften oder über das Internet zu bekommen. Die Köche der Gourmetrestaurants hielten sich lange Zeit wegen der hohen Kosten zurück.
 
Unter www.rezepte-nachkochen.de ist Folgendes zu lesen: „Oftmals stecken in einem Waguy-Rind keine 100 % Wagyu drin; die Rinder wurden mit anderen Rindern gekreuzt und sind daher im Preis etwas günstiger, aber die Qualität ist meist genauso wie bei den teureren Produkten.“
 
Wer einmal Produkte vom „Kobe-Waguy-Rind“ konsumieren will, kann sich diese per Internet bestellen. Die Produkte stammen von der Morgan Ranch in Nebraska. Die Rinder geniessen auch hier eine natürliche Aufzucht. Sie werden mit Alfalfa, Gras, Gerste, Mais und Mineralien gefüttert. Es kommen keine künstlichen Hormone, Wachstumsstimulantien oder vorbeugende Antibiotika zum Einsatz. Das Fleisch wird für den Export 30 Tage gereift und an der Luft schockgefroren.
 
Kritische Stimmen
In „Welt online“ (www.welt.de) war am 24.12.2006 unter dem Titel „Das zarteste Fleisch der Welt“ dies zu lesen: „Um das Rind Wagyu und Kobe ranken sich alle möglichen Mythen und Geschichten, die so nett klingen und verführerisch sind, dass immer wieder Zeitungen und Gourmetmagazine darauf reinfallen und sie brav und ungeprüft weitererzählen. Gestrickt werden diese Geschichten nur zu dem einen Zweck: etwas Edles noch begehrenswerter erscheinen zu lassen. Deswegen erzählt man den Menschen seit Jahren, dass in Kobe Mönche Kühe halten, die mit Bier und Sake gefüttert werden, dass die Tiere täglich massiert würden, und dass sie obendrein am liebsten Musik von Mozart hören.“
 
Man sollte also nicht alles glauben, was so berichtet wird. Die Blogger des Textateliers (www.textatelier.com) haben sich die Aufgabe gestellt, gut zu recherchieren und auf eventuelle Missstände hinzuweisen. Ich bin der Meinung, dass man hochwertiges Fleisch aus einheimischer Produktion bevorzugen sollte. Es gibt nämlich gute und preiswerte Alternativen zum Koberind, wie das folgende Kapitel zeigt.
 
Kabierrinder aus dem Appenzellerland
Sepp Dähler und Magdalena Dähler-Grunder aus Stein AR, die seit 1996 Gerste und Weizen an die Brauerei Locher in Appenzell liefern, züchten Kabierrinder mit den Brauereiabfällen (Biertreber, Biervorlauf, Bierhefe), Heu, Weizenkleie, Sojaschrot und Getreide. Von der landwirtschaftlichen Schule in Flawil SG wurde eigens für diese Rinder ein Fütterungsplan ausgearbeitet, damit sie eine optimale Nahrung bekommen.
 
Die Kabierrinder sind eine Kreuzung aus Braunvieh mütterlicherseits und Limousin, Angus oder Charolais väterlicherseits. Auch hier werden die Kälber und Rinder täglich massiert.
 
Sepp Dähler stellte ich per E-Mail einige Fragen, die er mir am 17.11.2008 bereitwillig beantwortete:
 
„Ist das Fleisch des Kabierrindes geschmacklich dem Fleisch des Koberindes ähnlich?“
 
Sepp Dähler: „Wir haben die Grundidee des Kobe-Beef (Biermassage, Bierfütterung) übernommen, haben aber bezüglich Tierschutz und Ökologie eine völlig andere Grundhaltung. Wir haben zur Hauptsache einheimische Rinderrassen, dieses Jahr auch einzelne Wagyu-Kabierrinder. Wir wollen ein marmoriertes Fleisch, gehen aber nicht ins Extreme wie beim Kobe-Beef.“
 
„Wie erfolgt die Massage, Fütterung und Pflege?“
 
Sepp Dähler: „Morgens und abends erfolgt je eine Bürstenmassage von Hand mit Bierhefe, Biervorlauf und Schweizer Rapsöl. Dadurch erreichen wir die optimale Fellpflege und steigern das Wohlbefinden der Tiere. Ausserdem werden die Rinder durch persönlichen Kontakt sehr zutraulich und weniger stressanfällig.“
 
„Wie viele Rinder haben Sie zurzeit?“
 
Sepp Dähler: „Wir haben selber auf unserem Hof 18 Kabierrinder. Ein 2. Landwirt zieht für uns noch 18 Kabierrinder auf. Die Vermarktung läuft aber auch über uns.“
 
„Wie beurteilen Ihre Kunden die Qualität des Kabier-Fleisches?
 
Sepp Dähler: „Wir haben sehr gute Rückmeldungen von Privatkunden, aber auch aus der Gourmetgastronomie.“
 
Die Produkte werden bei den Dählers portioniert und vakuumiert, dann per Postexpress in Isolationsboxen ausgeliefert. Da die Nachfrage sehr gross ist und keine Massentierhaltung bei den Dählers vorkommt, muss das Fleisch vorbestellt werden. Die Lieferfrist beträgt 6 bis 8 Monate.
*
Noch eine Notiz am Schluss. In der „Badischen Zeitung“ wurde am 15.11.2008 die Erfindung eines Bauern in Bernbeuren (Oberbayern) vorgestellt: Er befestigte 2 grosse Wurzelbürsten an ein Wasserfass. Das Tier kann sich dann ganz alleine an Rücken und an den Seiten massieren. Wäre das nicht eine preiswerte Alternative zu den aufwändigen Massagen mit Händen? Wohl nicht, denn auch eine Kuh spürt sicher den Unterschied zwischen der harten Wurzelbürste und den Händen einer Bauersfrau oder eines Bauers. Auch unsere Frauen würden ob dieser groben Behandlung protestieren.
 
Bezugsquellen
Infos und Preise zu Kobe-Waguy-Rinder-Produkte:
 
Infos und Preise zu Kabierrinder-Produkte:
 
Hinweis auf ein weiteres Blog mit Hinweis aufs Koberind
Hinweis auf weitere Blogs von Scholz Heinz
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