Textatelier
BLOG vom: 20.06.2007

Diebstähle (1): Von all den kleinen und grossen Spitzbuben

Autor: Heinz Scholz, Wissenschaftspublizist, Schopfheim D
 
„Ein fauler Dieb schadet bei weitem nicht soviel als ein fahrlässiger Knecht.“
Martin Luther (1483–1546)
 
„Die kleinen Diebe hängt man, die grossen lässt man laufen.“
Sprichwörtlich
 
„Den Weibern und dem Spiel zuliebe, wurde mancher Mann zum Diebe.“
Freidank (= Freidenker), unbekannter Verfasser des Lehrgedichts „Bescheidenheit“, Anfang 13. Jh.
 
„Die Räuber von Geld werden hingerichtet, die Räuber von Ländern zu Königen gemacht.“
Aus Japan
 
„Privatdiebe fesselt man auf Lebenszeit im Kerker, öffentliche Diebe gehen in Gold und Purpur.“
Cato der Ältere (234–149 v. u. Z.)
Was Cato der Ältere vor über 2000 Jahren von sich gegeben hat, ist auch in unserer Zeit gültig. Denn so manche Politiker, Manager und sogar Gewerkschaftsbosse leben auf grossem Fuss, und zwar immer auf Kosten der Firmen und Steuerzahler. Korruptionen sind an der Tagesordnung. Firmen, Privatpersonen und Gewerkschaftsbosse werden geschmiert. Nicht nur mit Geldscheinen, sondern auch mit Vergnügungsreisen und Bordellbesuchen. Dies ist in meinen Augen ein Diebstahl am erarbeiteten Vermögen. Indirekt zahlt der Verbraucher die Zeche, da er ja die verteuerten Waren kauft.
 
Wird einmal einer erwischt und angeklagt, dann wird der Betreffende frei gesprochen oder höchstens mit einem lächerlichen Bussgeld bestraft. Immer wieder höre ich dann den Spruch: „Die Grossen lässt man laufen, die Kleinen werden bestraft.“
 
Auch der aus Frankreich stammende Spruch „Die heimlichen Diebe sind auf den Galeeren, die öffentlichen in den Palästen“ hat in abgewandelter Form auch in unserer Zeit Gültigkeit.
 
Aber befassen wir uns in diesem Blog nicht mit den grossen Räubern, sondern mit den kleinen Gesetzesübertretern.
 
Der Wurstklau
Während meiner Tätigkeit beim Pharmaunternehmen Thomae in Biberach (1968–1976) wurde mir von einem Arbeitskollegen folgende Episode übermittelt:
 
Der Informant beobachtete aus dem Auto heraus, wie ein Mitarbeiter der Firma aus einem Lebensmittelmarkt rannte. Er hatte eine Salami unter dem Arm geklemmt. Die Verkäuferin hechtete hinterher, aber sie konnte den Dieb trotz grosser Wendigkeit nicht fassen. Der Arbeitskollege, der den Vorfall beobachtete, verriet den Dieb jedoch nicht (nur in der Abteilung wusste jedermann, was passierte). Am nächsten Tag erschien der Wurstklauer im Labor ohne Bart. Und somit war ein Erkennen des Diebes durch die Verkäuferin nicht mehr möglich.
 
Koffer vom Balkon geworfen
Anlässlich eines Gesprächs, das ich kürzlich wegen einer Reise mit dem Geschäftsführer eines Reisebüros führte, wurde auch das Problem mit Diebstählen im Ausland angesprochen. Er ist ja des Öfteren in diversen Ländern unterwegs, um Hotels zu testen. Somit kann er Empfehlungen aus 1. Hand seinen Kunden mit auf den Weg geben.
 
Vor kurzem war er mit einem Schweizer Kollegen in einem Hotel auf Mallorca zu Gast. Die beiden Zimmer mit Balkon befanden sich im 1. Stock. Da sie sehr spät im Hotel ankamen, wurde nur das Notwendigste ausgepackt. Die nicht benötigten Kleidungsstücke blieben in den Koffern. Während der Nacht stieg ein Dieb über den Balkon und die nicht verschlossene Schiebetür ins Zimmer des Kollegen ein. Der nächtliche Besucher packte einen Koffer und warf ihn vom Balkon auf den darunter befindlichen Rasen. Als der Schweizer aufwachte und Alarm schlug, gab der Dieb Fersengeld und wurde nie mehr gesehen. Das Hotel erwies sich später als sehr grosszügig. Sämtliche gestohlenen Gegenstände wurden ersetzt.
 
Der Fachmann empfahl uns eine Unterkunft in höher gelegenen Stockwerken und das Verriegeln der Balkontür.
 
Alte Kinderschuhe im Karton
In einem Schuhgeschäft in Schopfheim D ging eine Kundin mit einem Schuhkarton zur Kasse. In dem Karton befanden sich gebrauchte Schuhe. Da hatte doch tatsächlich eine Mutter kostenlos eingekauft, die neuen mitgenommen und die alten in den Karton gesteckt. Kommentar der Verkäuferin: „Und das vor den Augen des Kindes. Hier werden Kinder schon zum Stehlen erzogen.“
 
Das verschwundene Porzellan
Die folgende Geschichte, die mir ein Freund eines Praktikanten erzählte, beweist, dass man vorschnell als Dieb beschuldigt wird. Aber dies war nur der Schusseligkeit des Ex-Mieters zuzuschreiben.
 
Ein furchtbar agiler und neugieriger Pharmaziepraktikant mietete sich für die 6-monatige Zeit bei der damaligen Ciba-Geigy (heute Novartis) in Wehr eine kleine, möbilierte Wohnung. Da er seine eigene Note ins fremde Zimmer bringen wollte, brachte er einige Möbelstücke und viele Bücher mit, stellte dies und jenes um. Die Vermieter wurden gar nicht gefragt, trotzdem verstand er sich mit ihnen prächtig. Sie hatten von dem freundlichen, hilfsbereiten Menschen den besten Eindruck.
 
Nach Ablauf der Praktikantenzeit wurde wieder gepackt und die Wohnung in Ordnung gebracht. Auch an einer anständigen Verabschiedung fehlte es nicht. „Solch nette Mieter wünsch ich mir immer“, meinte die Frau zu ihrem Mann. Als sie heranging, die Wohnung für den nächsten Mieter herzurichten, kam das böse Erwachen. Sie fand ihre Tassen, Teller und das Besteck nicht mehr vor. „Hat doch dieser scheinheilige Schlingel alles mitgehen lassen“, dachte sie sich noch.
 
Sie wollte sofort Kontakt mit dem Burschen aufnehmen, aber oh weh, sie hatte die Telefonnummer nicht mehr. Also rief sie die Personalabteilung der Firma an. Dort erfuhr sie die begehrte Nummer.
 
„Dem Bengel werd’ ich die Leviten lesen“, dachte sie und rief an. Sie erkundigte sich nach dem Geschirr in einem etwas ungehaltenen Ton. Der Jüngling fiel aus allen Wolken und prustete sich vor Lachen. Aus dem Hörer klang seine säuselnde Stimme: „Liebe Frau, beruhigen Sie sich doch, ich habe immer mein eigenes Geschirr benutzt, das Ihre steht unterm Bett.“
 
Tatsächlich fand die Hausfrau die gesuchten Gegenstände an der beschriebenen Stelle. Sie entschuldigte sich und wünschte dem angehenden Apotheker alles Gute. Sie war zufrieden und der Glaube an das Gute im Menschen wieder hergestellt.
 
Geklaute Gläser?
Anlässlich der Fusionsfeier von Ciba-Geigy mit Sandoz zu Novartis erhielt jeder Beschäftigte unter anderen Geschenken auch 6 Weingläser. Alle Gläser zeigten das Firmenlogo mit dem Schriftzug Novartis. Als eine Firmenangehörige eines Tages eine Party feierte, die wunderschönen Weingläser mit Wein füllte und einem Gast darreichte, beäugte er die Gläser mit dem Schriftzug sehr argwöhnisch. Völlig deplaziert sagte er: „Haben Sie die Gläser geklaut?“ Die Gastgeberin war so geschockt, dass es ihr die Sprache verschlug. Aber bald klärte sich das Missverständnis auf, der Gast entschuldigte sich und erzählte, er kenne eine Frau, die von jedem Hotelbesuch immer ein Andenken mitbringe. Sie habe schon eine grosse Sammlung aller möglichen Utensilien. Sicherlich war der Gast der Meinung, die Gastgeberin sei auch so eine Sammlerin.
 
Trick an der Kasse
Welche Tricks sich so mancher Zeitgenosse oder Zeitgenossin einfallen lässt, um kostenlos einkaufen zu können, geht nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut. Dazu ein Beispiel aus einem Schopfheimer Einkaufsmarkt: Als eine Frau, ein Kind und ein Mann mit jeweils einem Einkaufswagen an die Kasse fuhren, tippte die Kassiererin alles auf einen Bon. Die flinke Frau und ihr Sprössling räumten inzwischen die getippten Waren in die leeren Einkaufswagen. Als der Mann die Summe erfuhr, die er bezahlen sollte, meinte er, dies könne nicht stimmen. „Doch, es stimmt, habe auch die Waren von Frau und Kind getippt“, entgegnete die fixe Kassiererin. Der Mann wurde kreideweiss und stammelte: „Die gehören gar nicht zu mir!“
 
Die schnelle Frau mit ihrem Sprössling war inzwischen verschwunden, und der Mann kam ungewollt zu Kind und Frau.
Quelle: „Badische Zeitung“ vom 4. September 1999.
 
„Einkaufen“ ohne zu zahlen
Wie in der Online-Ausgabe des Bayerischen Rundfunks am 14. Juni 2007 zu lesen war, entwendeten Ladendiebe 2006 in Bayern Waren im Wert von rund 323 Millionen Euro, obwohl die Einzelhändler für Sicherheitssysteme 154 Millionen Euro ausgegeben hatten.
 
Insgesamt wurden 2006 rund 49 500 Ladendiebstähle angezeigt. Wie der Geschäftsführer des Landesverbands des Bayerischen Einzelhandels (LBE), Günter Gross, betonte, sei der organisierte Ladendiebstahl besorgniserregend, aber auch der Diebstahl von Kindern und Jugendlichen. Rund 1/3 der Diebstähle werden von dieser Altersgruppe begangen. „Die Dunkelziffer bei diesem Delikt liegt bei über 90 %“, so Gross.
 
Insgesamt werden pro Jahr in Deutschland Waren im Wert von etwa 2 Milliarden Euro geklaut. Das sind nach Adam Riese täglich etwa 6 Millionen Euro.
 
Und noch einige Zahlen: Das Bundeskriminalamt registrierte 2005 fast eine halbe Million Ladendiebstähle und mehr als 100 000 Taschendiebstähle (laut www.vox.de).
 
Ladendetektiv beklaut
Wie dpa am 26. September 2006 berichtete, wurde ein Mann in einem Laden in Hannover beim Klauen von Waschmitteln erwischt. Der Dieb wurde in das Büro des Detektivs delegiert. Dann erlebte der Detektiv bei der Leibesvisitation eine Überraschung. Er entdeckte seine eigene Geldbörse. Da hatte doch der flinke Finger während der „Festnahme“ die Börse stibitzt.
 
In einem anderen Fall wurde ein 36-jähriger Polizeigefreiter in Basel wegen Amtsmissbrauchs zu 30 Tagen Gefängnis verurteilt („Badische Zeitung“ vom 18. August 2006). Bei der Festnahme von 2 Weissrussen schlug er den einen Ladendieb mehrfach auf den Kopf. Auch versuchte er eine kleine Figur, die er bei dem Festgenommenen fand, zu zerstören. Die Figur hatte wohl eine religiöse Bedeutung. Die Anzeige erfolgte von 2 Polizeianwärtern, die im Rahmen ihrer Praxisausbildung bei der Festnahme dabei waren.
 
Rat an alle Polizisten und Detektive: Fasst die Diebe nur mit Samthandschuhen an, denn sonst könnte es sein, dass die Ermittler selbst straffällig werden.
 
Fortsetzung folgt
Im 2. Teil werde ich über den Räuber-Opa mit dem lilafarbenen Fahrrad, wie ein Dieb seinen Namen hinterliess, über Trickdiebe, über Pilzdiebe, aber auch über den Diebstahl von geistigem Eigentum usw. berichten.
 
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