Textatelier
BLOG vom: 18.08.2005

Londoner Post: Zwiebel-Männer, Schriftsteller, Musiker

Autor: Emil Baschnonga

„Kenne deine Zwiebeln“ („know your onions“)

Diese englische Redensart beziehe ich diesmal auf einen der letzten „Onion Johnny“. (Viele hiessen Jean, und wurden folglich als „Onion Johnny“ bekannt.) In den 30er-Jahren gab es ihrer 1500. Bis heute sind 15 von ihnen übrig geblieben. Von der Bretagne kamen die Bauern mit ihren Zwiebelkränzen auf den Velos. Sie waren willkommene Hausierer. Die Zwiebeln von Roscoff schmecken am besten.

Monsieur Le Roux – ein hervorragender Zwiebelmann – starb am letzten Samstag, 13. August 2005, im Alter von 73 Jahren. Er belieferte eine Reihe der besten Restaurants in London. Sogar Sir Winston Churchill gehörte zu seinen Kunden. Alljährlich erschienen die „Onion Johnnys“ und verweilten während der Zwiebel-Saison in England.

Ich selbst bin ihnen im Londoner Strassenbild hin und wieder begegnet. Aber damals führte ich keine eigene Küche und kann leider nichts über die Qualität ihrer Wunderzwiebeln aussagen. Schade.

VW-Golf-Reklame

Mit dem linken Auge aufgeschnappt, erfahre ich aus diesen knappen und amüsanten Werbebotschaften für den VW Golf: „Die Zunge ist des Körpers stärkster Muskel.“

„Der längste Flug eines Huhns dauerte 13 Sekunden.“

Meine Zunge bearbeitet eben einen „Polo Mint“ – den Golf habe ich noch nicht gemeistert. In den Bergen jagte ich einmal einem Huhn nach. Es flatterte erschrocken auf einen nahen Zaun. Flugzeit: 1 Sekunde.

Why not be a writer?

Dies ist der Titel eines Inserats, das man ja auch so auslegen kann: Warum kein Schriftsteller sein. Der Text flunkert vor, dass man als Schriftsteller toll verdiene.

Ein Herr John Eagle aus Essex, so erfahre ich, habe einen Vorschuss von £ 25 000 für seine Novelle „Red“ (Rot) erhalten. Inzwischen freut er sich aufs Kompetenz-Zertifikat vom „The Writers Bureau“, das Kurse vertreibt.

Ein andere Zuschrift von Christina Jones, Oxfordshire, jubelt: „Alle meine 3 Romane sind Bestseller geworden. Dank des Kurses hat sich mein Leben vollkommen verändert.

Einen bescheideneren Betrag, immerhin £ 2000, erhielt vorgeblich eine gewisse Angela Beech aus Sunderland für eine Reihe von Magazin-Artikeln.

Diese Kurse seien ideal für Anhänger, verspricht das Bureau, und erfordert weder Erfahrung noch Vorkenntnisse. Die einzige Erfordernis ist ein Scheck!

Manchmal habe ich den Eindruck, dass viel zu viele Schreiberlinge aus solchen Kursen zu Zeilen kommen. Also ein triftiger Grund, kein Schriftsteller zu sein.

Computerspiele

Verantwortungsbewusste Erzieher warnen vor Spielen wie „Grand Theft Auto“, die Kinder zu Autodiebstählen animieren. Es gilt dabei, Polizisten abzuknallen.

Ein neues Spiel heisst „Bully“, das ab Oktober zum Verkauf kommen soll. Ein 15-jähriger Strolch tyrannisiert in diesem Spiel seine Mitschüler. Jung übt sich, was ein rechter Raufbold werden will: Er darf mit dem Baseballschläger dreinschlagen und mit Katapulten seine Opfer pfeffern und verletzen. Je härter er trifft, desto mehr Punkte gewinnt er.

Kettenläden, worunter Dixons, Currys und PC World, mussten das Spiel „Manhunt“ aus dem Handel nehmen, nachdem ein 14-Jähriger mit einem Schlaghammer ermordet wurde. Dieses Spiel „erzieht“ Kinder zu Mördern.

Solche Spiele gelangen von der anderen Seite des Atlantiks – Sie wissen ja von welchem Land – zu uns. Ein Hersteller ist unter dem Namen „Rockstar“ bekannt. Dort, also in den USA, wurde jetzt das Benutzeralter von 17 auf 18 Jahre erhöht … Damit wird der sich rasant ausweitenden „Kultur der Gewalt“ wohl kein Riegel geschoben.

Der Dialekt spriesst in England ins Kraut

Das Queen’s English wird weitgehend vom so genannten „Estuary Englisch“ (estuary heisst Flussmündung) verdrängt. Es entsprang der Themsemündung und mengte sich mit dem Cockney und hat sogar den Buckingham Palace erreicht. Der Königin wird nachgesagt, dass sie einige Brocken aufgelesen habe … Das britische Fernsehen hat erfolgreich die Trägerfunktion dieser englischen Abart übernommen.

Jetzt floriert der Dialekt auf der ganzen Insel. Nur 2 Beispiele seien hier erwähnt: Das Wort „cold“ hat 480 verschiedene Dialektausdrücke gewonnen; „left-handed“ (linkshändig) 240, worunter „corrie-dukit oder „paddy-handed“ in Schottland, „bang-handed“ in Cumbria und Liverpool, „gab-handed“ in den Midlands, „Marlborough-handed“ in Wiltshire.

Als Schweizer bin ich in Dialekte vernarrt. So habe ich eigentlich nichts gegen den wuchernden Dialekt in England, ausser, dass ich keine dicken Wörterbücher herumschleppen möchte, um zu verstehen und mich verständlich zu machen. „Seien Sie unbesorgt“, meinte ein Bekannter, „diese ‚dictionaries’ werden bald in elektronischem Format aufliegen.“ Übrigens ist der „Oxford Dictionary“ neuen Wortschöpfungen gegenüber weitaus aufgeschlossener als unser Duden.

Das neue Alkoholgesetz

Ein zunehmend hitziger Streit ist in England zwischen Gegnern und Befürwortern dieses Gesetzes entbrannt, welches das 24-stündige Saufen ermöglicht. Die Brauereien und Spirituosenhersteller sind natürlich sehr dafür. Wer die Nachtruhe schätzt, ist sehr dagegen, weil Besoffene bis in den frühen Morgen auf den Strassen im Umkreis der Pubs randalieren, kotzen und die Vorgärten bewässern.

Eltern, die junge Töchter haben, sind ebenfalls entsetzt. Ohne mehr zu sagen, verweise ich auf das am 30. 1. 2005 erschienene Blog: „Alkohol und Engländer: Saufen bis zum Umfallen“.

Musik als Verbindung zwischen Arabern, Israeliten und Andalusiern

Zum Abschluss dieses Sammelblogs möchte ich eine erfreuliche Nachricht einschleusen:

Um diese Jahreszeit warten die „Proms“ (Promenade-Konzerte) in der Royal Albert Hall in London auf Zuhörer. Am vergangenen Sonntag, 14. August 2005, wurde u. a. Mozarts „Sinfonia Concertante“ im Fernsehen übertragen, dirigiert von Daniel Barenboim, gespielt von seinem „West-Eastern Divan Orchestra“ (diesen Namen wurde von Johann Wolfgang von Goethes „West-Östlichem Diwan“ übernommen). Das war für mich ein wahrer Ohrenschmaus, wie junge Musiker und Solisten aus der arabischen Welt, aus Israel und Andalusien einträchtig aufspielten – auf Oboe, Klarinette, Horn und Fagott.

Während der Pause legte Daniel Barenboim sein Glaubensbekenntnis sehr überzeugend ab, wonach Musik – nicht Politik und Kriege – es vermag, den Frieden zwischen Völkern und Rassen grundlegend zu fördern.

Das erwähnte Orchester geht auf die Tournee. Die spanische Regierung hat den Musikern Diplomaten-Pässe ausgestellt, so dass sie in dieser zerklüfteten Welt unbehindert ein- und ausreisen können.

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